Allergische Erkrankungen betreffen in Deutschland circa 30 Millionen Menschen. Allergien können daher absolut zutreffend als „Volkskrankheiten“ bezeichnet werden. Sie schränken die Lebensqualität sowie die berufliche und schulische Leistungsfähigkeit der Betroffenen erheblich ein. Somit führen sie zu deutlichen sozialen und sozioökonomischen Belastungen und sind ein erheblicher Faktor für unser Gesundheitssystem und die Volkswirtschaft. Die stetige Zunahme allergischer Erkrankungen wird vielfach als „Epidemie des 21. Jahrhunderts“ bezeichnet.

Allergologisches Schlusslicht?

Trotz dieser enormen Bedeutung ist die Allergologie in der deutschen Wissenschafts- und Versorgungslandschaft erheblich unterrepräsentiert. Für andere Volkskrankheiten wurden Disease-Management-Programme (DMP) aufgelegt, was jedoch für die Allergologie bislang nicht gelungen ist. Dabei könnten gerade DMPs als strukturierte Behandlungsprogramme für chronische Erkrankungen über alle Krankheitsstadien hinweg eine sektorenübergreifende Versorgung auf Basis evidenzbasierter wissenschaftlicher Erkenntnisse gewährleisten und so die Versorgungsqualität dieser chronisch kranken Patienten erhöhen. Der Gemeinsame Bundesausschuss ist aufgefordert, diesbezüglich tätig zu werden.

Zudem fehlen Lehrstühle für Allergologie an den deutschen Universitäten und in den Lehrplänen und Curricula für die Studenten der Humanmedizin sind allergologische Inhalte nur Randgebiete. Auch in der Weiterbildungsordnung für Ärzte, die den Zusatztitel Allergologie anstreben, sind die Anforderungen und Qualitätsstandards in Deutschland im Vergleich zum europäischen Ausland, in dem in vielen Ländern ein eigenständiger Facharzt für Allergologie existiert, bereits jetzt niedrig. Sollte die jüngst beschlossene neue Musterweiterbildungsordnung für den Zusatztitel Allergologie tatsächlich umgesetzt werden, wäre Deutschland künftig in Bezug auf die Ausbildungsqualität angehender Allergologen Schlusslicht in Europa.

Das neue Weißbuch

Die in Kürze vorliegende Neuauflage des „Weißbuch Allergie in Deutschland“ wurde daher mit dem Ziel einer besseren Information der Öffentlichkeit über Allergien und die hiermit verbundenen Probleme geschrieben — es enthält aber auch Lösungsvorschläge auf allen Ebenen. Die Herausgeber stehen für die wichtigen allergologischen Organisationen Deutschlands, die Deutsche Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie (DGAKI), die Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin (GPA) und den Ärzteverband Deutscher Allergologen (AeDA).

Seit dem Jahr 2000 stellt das Weißbuch Allergie die Versorgungssituation von betroffenen Patienten und ihren Familien in Deutschland detailliert für die einzelnen Krankheitsbilder dar und wurde letztmals im Jahre 2010 (dritte Auflage) überarbeitet.

Gemeinsam für mehr Information

Leider muss 18 Jahre nach Erscheinen der ersten Auflage des Weißbuches festgestellt werden, dass sich zwar die allergischen Erkrankungen weiter ausgebreitet haben, mit immer schwereren Erkrankungsformen und komplexeren Krankheitsverläufen, und dass zunehmend auch Kleinkinder und ältere Menschen Allergien bekommen, sich aber in der Struktur der Versorgung nichts Wesentliches verändert hat. Im Gegenteil haben jüngste Veränderungen im Gesundheitswesen die Situation dramatisch verschlechtert. Man kann ohne Übertreibung sagen: Mit den derzeitigen Erstattungsmöglichkeiten ist die sachgerechte Versorgung allergiekranker Menschen in Diagnostik und Therapie in Deutschland unmöglich geworden.

Mithilfe der vierten Auflage des „Weißbuch Allergie“ sollen Ärzte (u. a. über wissenschaftliche Fachgesellschaften, Berufsverbände, Ärztekammern, Kassenärztliche Vereinigungen), aber auch Politik, Behörden, Krankenkassen und andere Sozialversicherungsträger besser über die modernen Möglichkeiten, aber auch über die Sorgen, Nöte und Restriktionen der Allergologie informiert werden. Die gemeinnützige Deutsche AllergieLiga e. V. will diese Ziele unterstützen.

Eine Vielzahl von Autoren aus verschiedenen klinischen Fachgebieten, der theoretischen Forschung und der Versorgungsstrukturen einschließlich Vertretern der Patientenorganisationen weisen im engen Schulterschluss und mit einer Stimme auf die Probleme hin.

Wir hoffen, dass das Weißbuch in seiner vierten Auflage dazu beitragen wird, Verantwortliche in gesundheitspolitischen Entscheidungsgremien wachzurütteln, um die Situation der Betroffenen und ihrer Familien in Deutschland endlich entscheidend zu verbessern.