_ Nur durch eine möglichst frühzeitige Hörgeräteversorgung können die Deprivation von Hörbahn und audiologischem Kortex und der Weg in die soziale Isolation bei Schwerhörigkeit vermieden werden. Eine Presbyakusis-Studie aus Deutschland ergab, dass bei 60% der Menschen über 60 Jahren ein Hörgerät indiziert war, aber nur 15% eines trugen.

Auch heute noch im Zeitalter kleinster Hörhilfen fühlen sich deren Träger offenbar stigmatisiert und in ihrer Eitelkeit verletzt. „Das Hörgerät hat ein viel schlechteres Image als eine Brille“, so. Dr. Christoph Külkens, Hamburg. Oft erwarten Patienten auch von einem Hörgerät zu viel oder sie bekommen eines, das nicht gut angepasst ist. In beiden Fällen führt die Enttäuschung dazu, dass das Gerät in der Schublade landet.

Immer kleiner, immer unauffälliger

Erste tragbare Hörgeräte mit einem stattlichen Gewicht von 11 kg wurden 1934 verfügbar. Die ersten Hinter-dem-Ohr-Geräte gab es um 1960. Weitere unauffällige Hörhilfen wie Concha oder „Innenohr-Geräte“ kamen später hinzu. Ab 1990 trat die digitale Technologie ihren Siegeszug an.

Alle Hörgeräte sind mit einem Mikrofon, einem Verstärker und einem Schallgeber ausgestattet. Analoge Geräte verstärken nur das abgegebene Signal. Digitale Hörgeräte wandeln das Eingangssignal in ein digitales Signal um, das besser verarbeitet werden kann. Geringere Verzerrung, bessere Sprachverständlichkeit, weniger Rauschen und Rückkopplung sind die Vorteile.

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Cochlea-Implantat.

© ELizabethHoffmann / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

(Teil)Implantierbare Hörgeräte

Bei Gehörgangsatresie oder inoperabler Schallleitungsschwerhörigkeit gibt es ebenfalls die Möglichkeit einer Hörgeräteversorgung. Voraussetzung hierzu ist ein ausreichend gut funktionierendes Innenohr. Im Knochen verankerte Knochenleitungshörgeräte (BAHA; bone anchored hearing aids) leiten die Schallwellen passiv unter Umgehung des Mittelohrs zum Innenohr, indem sie Schwingungen im Knochen anregen.

Eine aktive transkutane Hörgeräteversorgung ermöglichen seit etwa zehn Jahren sog. Bonebridges. Hier wird ein Schwinger unter die Haut in den Knochen implantiert. Außen wird das Gerät aufgesetzt, das mechanische in elektrische Impulse umwandelt. Im Schwinger wird aus dem elektrischen Impuls aktiv wieder ein mechanischer Impuls erzeugt.

Bei aktiven Mittelohrimplantaten wird der Schall über ein Mikrophon aufgenommen, in ein Signal und weiter in eine Schwingung verwandelt. Der Schwingungsgeber wird im Mittelohr entweder voll- oder teilimplantiert. Die vollimplantierten aktiven Mittelohrimplantate zeichnen sich durch hohen Tragekomfort aus. Teil-implantierbare Geräte sind weniger komfortabel. Aber äußere Komponenten können z. B. bei technischen Weiterentwicklungen ohne erneute Operation ausgetauscht werden.

Cochlea-Implantate nicht nur bei Taubheit

Eine Cochleaimplantat-Versorgung kam früher ausschließlich bei Taubheit zum Einsatz. Heute hat sich die Indikation auf die hochgradige Innenohrschwerhörigkeit ausgedehnt, sowohl bei beidseitiger als auch bei einseitiger. Letzteres muss bei den Kassen häufig durchgefochten werden, sagte Külkens.

Voraussetzungen sind Operabilität, ein intakter Hörnerv, ein normal angelegtes Innenohr und ein intaktes psychosoziales Umfeld. Eine Altersgrenze für diesen Eingriff gibt es nicht, unterstrich Külkens: „Es lohnt sich auch noch bei 90-Jährigen; die blühen richtig auf.“ Unabdingbar und auch gesetzlich vorgeschrieben ist eine anschließende Rehabilitation mit Hörtraining. Sonst bringt das Implantat nichts und die Kosten — allein das Gerät kostet 20.000 Euro — sind nicht gerechtfertigt.

Bei der sog. Hybridversorgung wird das Cochlea-Implantat auf die hohen Frequenzen und das Hörgerät auf die tiefen ausgerichtet. Wenn sich die tiefen Frequenzen weiter verschlechtern, können sie auf das Cochlea-Implantat umgestellt werden.