_ Vor einiger Zeit hatte ich einen meiner Patienten, der gerade 60 Jahre alt geworden war, wegen einer eitrigen Angina gesehen. Von einem vertretenden Kollegen hatte er bereits Antibiotika bekommen. Ich fand den Befund erstaunlich, weil nur eine Tonsille entzündet schien; sie war immer noch mit einem grauweißen Belag belegt. Obgleich der Patient meinte, dass es ihm doch schon viel besser ginge, schickte ich ihn zum HNO-Arzt.

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Er muss die Symptome genau so ernst nehmen wie sein Arzt.

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Einige Monate später kam er mit Gelenkbeschwerden. Sein CRP-Wert war leicht erhöht, das Blutbild aber sonst unauffällig. An seine Mandeln dachte keiner von uns mehr — bis er wieder mit einer verdickten und schmierig belegten linken Tonsille auftauchte. Inzwischen war bereits ein Dreivierteljahr vergangen.

Ich stellte ihm noch eine Überweisung an den HNO-Kollegen aus, machte es dringend, fragte auch nach Abszedierung und Op. und behandelte sicherheitshalber schon einmal mit Penicillin.

Vier Wochen später kam er endlich wieder, mit einer erschreckenden Diagnose: Er litt unter einem Non-Hodgkin-B-Zell-Lymphom! Er war bereits operiert worden und sollte nun zur Chemotherapie eingewiesen werden.

Meine erste Überweisung zum HNO-Arzt hatte er verfallen lassen, weil es ihm besser ging. Dann hatte der Hals hin und wieder „gepiekt“, aber wegen einer solchen Kleinigkeit wollte er nicht kommen. Das tat er erst, als die Beschwerden wieder schlimmer wurden.

Natürlich hätte ich ihn drei Monate nach der Überweisung mal fragen können, ob er den HNO-Termin eigentlich wahrgenommen habe; aber tut man das in der Alltagshektik, wenn der Patient wegen Kniebeschwerden kommt? Man geht ja davon aus, dass die Schmerzen eines Abszesses den Patienten sowieso zum Spezialisten treiben, und dass damit alles erledigt ist, auch wenn kein Brief eintrifft.

Hoffentlich geht nun alles gut.