Die Verhinderung einer Bakteriämie, die zur Ansiedlung von Bakterien an Herzklappen oder Klappenprothesen führen könnte, ist das Ziel einer antibiotischen Endokarditisprophylaxe. Für welche Patienten und vor welchen Eingriffen ist sie indiziert?
? Welches Vorgehen empfehlen Sie bei Z. n. Mitralklappenrekonstruktion bezüglich einer Endokarditisprophylaxe? Wie lange soll sie durchgeführt werden und in welchen Situationen (z. B. Gastroskopie, Koloskopie, Zahnarzt, professionelle Zahnreinigung) ist sie indiziert? Wie sieht es bei der Mundpflege aus: Soll man Zahnseide benutzen oder nicht?
! Die Leitlinien zur Endokarditisprophylaxe beruhen auf indirekter Evidenz und Expertenmeinung — randomisierte Studien mit gutem Evidenzniveau gibt es zu dieser Frage nicht. Die US-amerikanischen und europäischen Leitlinien [1, 2] geben folgende Empfehlung:
Eine antibiotische Endokarditisprophylaxe sollte erwogen werden für
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Patienten mit Kunstklappen inkl. TAVI oder wenn prothetisches Material bei einer Klappenrekonstruktion verwendet wurde,
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Patienten mit früher durchgemachter Endokarditis,
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Patienten mit zyanotischen Vitien.
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Die US-amerikanische Leitlinie von 2007 würde auch Herztransplantierten mit Klappenfehlern eine Prophylaxe geben, die europäische Leitlinie von 2015 empfiehlt dies nicht.
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Eine zeitliche Limitation der Prophylaxeindikation nach der Operation wird nicht gesehen.
Die Endokarditisprophylaxe soll erfolgen bei
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zahnärztlichen Eingriffen mit Manipulation der Gingiva oder der Zahnwurzel oder einer penetrierenden Manipulation an der oralen Mukosa.
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Die US-Leitlinie nimmt auch Eingriffe im Respirationstrakt und an infizierten Haut- oder Weichgewebsarealen in die Prophylaxeindikation auf, die europäische Leitlinie nicht.
Beide Leitlinien empfehlen keine Endokarditis-Prophylaxe bei allen anderen Eingriffen wie urologischen oder endoskopischen Maßnahmen. Die britische (NICE-)Leitlinie von 2008 sieht gar keine Endokarditisprophylaxe vor, auch nicht bei den o. g. Risikogruppen [3].
Zahnseide ja, aber mit Vorsicht!
Im konkreten Fall heißt dies also (auf der Grundlage der europäischen Leitlinie von 2015):
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Eine Endokarditisprophylaxe ist bei dem Patienten bei zahnärztlichen Eingriffen mit Manipulation der Gingiva (hierzu würde ich die professionelle Zahnreinigung zählen) oder der Zahnwurzel indiziert, und zwar lebenslang immer dann, wenn solche Eingriffe durchgeführt werden.
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Der vorsichtige Gebrauch von Zahnseide ist m. E. ohne Prophylaxe möglich — es wird in den Leitlinien ja explizit empfohlen, peinlich auf die Zahngesundheit zu achten. Eine starke Manipulation des Zahnfleischs sollte dabei vermieden werden.
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Bei Gastroskopie, Koloskopie, urologischen Eingriffen und auch bei Bronchoskopie ist keine Endokarditisprophylaxe indiziert.
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Zur Endokarditisprophylaxe werden 2 g Amoxicillin p. o. oder i. v. 30–60 min vor dem zahnärztlichen Eingriff gegeben (bei sicherer Penicillin-Allergie 600 mg Clindamycin).
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Glück, T. Welche Endokarditisprophylaxe braucht der Patient?. MMW - Fortschritte der Medizin 161, 16 (2019). https://doi.org/10.1007/s15006-019-0387-x
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