_ Die sogenannte Mitgefühlserschöpfung, auch Compassion fatigue genannt, ist eine besondere Form des Burn-out-Syndroms. Darunter versteht man eine Ermüdung bei Menschen in helfenden Berufen als Folge von (Über-)Identifikation mit ihren Klienten. Besonders betroffen sind Ärzte, die Patienten mit einer schweren chronischen oder malignen Erkrankung betreuen.

Wichtige Anzeichen für ein solches Erschöpfungssyndrom sind gesteigerte Aktivitäten als Ausdruck der eigenen Lebendigkeit, ein Liebäugeln mit Erlösungsgedanken, schwarzer Humor bzw. Zynismus oder Fürsorge im Übermaß.

Belastungen und Belohnungen

Doch ist die Burn-out-Gefahr im Palliativbereich höher als in anderen Bereichen der Medizin? „Die Forschung ergab unter dem Strich eine gleiche oder sogar geringere Gefährdung“, so Dr. Imad Maatouk, Heidelberg. Dies spreche dafür, dass die Belastungen häufig durch spezifische Belohnungen kompensiert werden. Denn das Bedürfnis nach einem sinnhaften Kontakt wird gestillt, die Behandlung eigener existenzieller Themen „läuft immer mit“ und es entwickeln sich Modelle für einen gelingenden Umgang mit der Endlichkeit.

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Hat er zu viel mitgelitten?

© humonia / Getty Images / iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

„Die eigene Sterblichkeit ist ein besonderes Thema für Menschen, die beruflich mit Schwerkranken zu tun haben“, so Maatouk. Bei ihnen sei der Umgang mit der Endlichkeit deshalb auch ein wichtiger Aspekt im Rahmen der Selbstfürsorge. Diese erfordert zunächst eine Selbstreflexion: Welche Einstellung habe ich gegenüber Trauer, Tod und Sterben? Was sind die eigenen Verlusterfahrungen? Welche Ängste habe ich? Wie ist meine Empathiefähigkeit? Wie steht es mit dem Aushalten von Gefühlen? Was tue ich für die eigene Psychohygiene?

„Positive Psychologie“

Betroffene Ärzte beschreiben oft einen Verlust an Vertrauen darauf, dass man so lange leben kann, bis man irgendwann alt und gesättigt stirbt. Andererseits kann der Umgang mit Sterbenden auch besondere „Gewinne“ bringen. Die Physikalität des Todes zerstört den Menschen, die Idee des Todes lässt ihn leben, so der Psychotherapeut Irvin Yalom.

Einen wichtigen Beitrag zur Selbstfürsorge liefert die „positive Psychologie“. Darunter versteht man die Erforschung der Umstände, die das Leben lebenswerter machen. Dabei werden drei Lebensstile beschrieben, die zum Gelingen des Lebens beitragen können: Das angenehme, das engagierte und das sinnvolle Leben.

  • Das angenehme Leben mit positiven Emotionen und Genusserfahrungen hat den Nachteil, dass ein Gewöhnungseffekt auftritt.

  • Das engagierte Leben ist charakterisiert durch den Flow, d. h. das Vertieftsein, das Einssein mit dem Tun und zwar unabhängig von der sozialen Bewertung der Tätigkeit. Im Idealfall führt dieser Lebensstil weder zu einer Über- noch Unterforderung.

  • Unverzichtbar für ein gelungenes Leben ist das sinnvolle Leben. Dies erfordert zunächst das Herausfinden der eigenen Stärken und die Bewertung ihres Nutzens, um diese dann in den Dienst einer Sache zu stellen, die größer ist als man selbst.

Jeder Arzt sollte sich gelegentlich fragen: Gestalte ich mein Leben so, dass ich es in dieser Art weiter leben will?

Achtsamkeit ist die Schlüsselkompetenz

Die antiken Philosophen unterscheiden vier Techniken der Selbstfürsorge: Unterscheidung zwischen wichtigen und unwichtigen Dingen, Schreiben, um Distanz zu schaffen, Dokumentation und Deutung von Träumen, Einteilung der Zeit, d. h. Zeit für die Selbstfürsorge einrichten. Daraus resultiert die Achtsamkeit als Schlüsselkompetenz und Grundstein für die Selbstregulation und Selbstfürsorge. Achtsamkeit bedeutet, auf eine bestimmte Art aufmerksam zu sein und zwar zielgerichtet, im gegenwärtigen Augenblick und ohne Wertung.