_ Es war Rosenmontag, es war Grippewelle, und die Praxis war voll. Und natürlich meldete sich an diesem Tag auch noch meine „tapfere Eskorte“ krank, meine treuen Helferinnen, und zwar komplett, alle. „Ob heute noch jemand an meiner Seite kämpft?“, fragte ich mich bang. Doch immerhin: Meine Assistenzärztin und mein kasachischer Famulus meldeten sich arbeitsfähig.

Wir standen zusammen wie das Nationalteam der Deutschen Handballmannschaft und machten uns gegenseitig Mut. Die Anmeldung, das Telefon und das Labor mussten mitbedient werden. Da Darmstädter nicht zum Rosenmontagsumzug nach Mainz fahren, sondern lieber ihren Hausarzt aufsuchen, kamen sie alle, es war ja schließlich Montag.

Es wurde ein denkwürdiger Tag. Im Vorübergehen schnappte ich den ohne Pause klingelnden Telefonhörer und meldete mich professionell: „Hier Praxis Dr. Hess!“ Die Anruferin entgegnete verwundert: „Frau Doktor, Sie selbst?“ Ich konnte das Gespräch glücklicherweise schnell auf ihr Anliegen lenken. Sie wollte lediglich ein Rezept. Das hatte ich schnell geschrieben.

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„Gestatten, Ihr neuer Lieblingspatient!“

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Als ich nach dem übernächsten Patienten aus meinem Zimmer kam, war sie schon da und stand auf Position 5 der Warteschlange — bewaffnet mit einem kleinen Frühlingssträußchen. Es erfolgte ein blitzschneller Austausch: Rezept gegen Frühlingssträußchen, danke, ein Lächeln, ein Winken, und tschüss. Dann ging es weiter. Es tobte der Bär.

Eine paar Tage später, als sich der Staub gelegt hatte, stand ein altbekannter Dauernörgler an der Anmeldung, in der Hand ebenfalls ein Frühlingssträußchen. „Wie komme ich denn zu der Ehre?“, fragte ich ihn. „Tja, Frau Doktor, ich habe gesehen, wie man bei Ihnen schneller drankommt!“, meine er gewieft. Dass es reiner Zufall gewesen war, konnte ich ihm nicht vermitteln.