_ Noch immer verhüten Frauen in 86,2% der Fälle mit der Pille. Mit großem Abstand folgen Spirale (7,6%) und Ring (3,6%). „Doch die Pille ist unpopulär geworden, die Freiheit von der Pille wird zunehmend als eine dem Zeitgeist geschuldete Errungenschaft empfunden“, so Dr. Lisa-Maria Wallwiener, München. Was ist an den Vorwürfen gegen die hormonelle Kontrazeption dran?

Wann lieber nicht?

Es gibt eine Reihe von Faktoren bzw. Erkrankungen, bei denen die Verordnung der Pille problematisch sein könnte. Hierzu zählen u. a. höheres Alter, Adipositas, Nikotinabusus, Thrombophilie, Hypertonie, Migräne mit Aura und kardiovaskuläre Risiken. „In all diesen Situationen muss die Indikationsprüfung individuell und streng erfolgen“, erklärte Wallwiener.

Das Thromboserisiko steigt mit dem Alter. Bei der Kombination von Rauchen und Pille ist das Risiko um das 8- bis 9-Fache erhöht. Auch Adipositas ist ein Risikofaktor: Bei einem BMI > 35 besteht eine relative Kontraindikation für die Pille. „Schon bei Adipositas Stadium I und zusätzlicher Hypertonie oder kardiovaskulärer Erkrankung sollte die Pille sehr kritisch bewertet werden“, so Wallwiener. Transdermale Pflaster seien bei adipösen Frauen grundsätzlich kontraindiziert.

Bei Hypertonikerinnen sollte die Pille nur unter sorgfältiger Überwachung gegeben werden. Bei RR-Werten ≥ 160 mm-Hg systolisch und/oder ≥ 100 mmHg diastolisch sollte sie nicht verordnet werden. „Auch bei Patientinnen mit einem akuten thromboembolischen Ereignis oder einem solchen in der Anamnese ist die Pille kontraindiziert“, so Wallwiener. Dasselbe gilt bei hereditärer Thrombophilie.

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Sollen sie so verhüten oder anders?

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Migräne ist eine Kontraindikation, wenn sie mit einer Aura einhergeht. Bei über 35-jährigen Migränepatientinnen sollte man grundsätzlich, auch ohne Aura, mit der Pille sehr zurückhaltend sein. Auch ein systemischer Lupus erythematodes ist eine Kontraindikation. Dasselbe gilt für das Mammakarzinom. Liegt die Erkrankung allerdings länger als 5 Jahre zurück und ist zwischenzeitlich kein Rezidiv oder eine Metastasierung eingetreten, kann in Einzelfällen die Pille erwogen werden.

Roter-Hand-Brief löst kontroverse Debatte aus

Am 21.1.2019 verschickte das BfArM einen Rote-Hand-Brief mit einem Warnhinweis zur Suizidalität unter hormoneller Kontrazeption. Der Grund waren die Ergebnisse einer prospektiven dänischen Kohortenstudie bei 475.802 Frauen, die im Mittel über 8,3 Jahre nachverfolgt wurden. In dieser Studie lag das relative Risiko für einen Selbstmordversuch bei 1,97 und für einen Suizid bei 3,08.

Die Europäische Arzneimittelagentur sieht zwar keinen eindeutigen Kausalzusammenhang mit der Pille, hält aber einen verpflichtenden Warnhinweis für nötig. Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe e.V. widerspricht: „Die dänische Studie hat so erhebliche methodische Fehler, dass sie wertlos ist“, so Prof. Anton Scharl, Präsident der Gesellschaft. Es handele sich nur um eine Registerstudie, ein Vergleich zwischen hormoneller und nicht-hormoneller Verhütung fehle ebenso wie genaue Angaben darüber, wer die Depression diagnostiziert habe und wie die Behandlung gewesen sei. „Die Zahlen beschreiben nur einen zeitlichen Zusammenhang, mehr nicht“, so Dr. Christian Albring, Präsident des Berufsverbandes der Frauenärzte.

Weniger Lust? Mehr Gewicht?

Oft wird ein möglicher ungünstiger Einfluss der Pille auf die weibliche Sexualfunktion i.S. einer Abnahme der Libido vermutet. Als Mechanismen wird diskutiert, dass es unter der Pille zu einer vermehrten Bildung von Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) kommt. „Die Ergebnisse sind jedoch nicht eindeutig, sodass ein möglicher Zusammenhang unklar bleibt“, so Wallwiener. Und was eine vermeintliche Gewichtszunahme unter der Pille betrifft, so fand sich in einer vergleichenden Studie kein Unterschied zur Spirale. Eine Cochrane-Analyse ergab, dass innerhalb von 6–12 Monaten nach Beginn der Pilleneinahme die durchschnittliche Gewichtszunahme unter 2 kg liegt.