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Vor der Op. zur Blutabnahme!

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_ „Die präoperative Anämie wird in der operativen Medizin als unabhängiger Risikofaktor angesehen.“ Aus dem ersten Satz in der Präambel geht bereits hervor, warum der Anämie vor einer Operation eine eigene Leitlinie gewidmet ist. Dabei handelt es sich um einen Risikofaktor mit erheblichen Konsequenzen. Eine unbehandelte präoperative Anämie (PA) ist mit einer signifikant erhöhten postoperativen Mortalität verbunden: Bei elektiven kardiochirurgischen Eingriffen lag das Risiko fast dreimal, bei Eingriffen außerhalb des Herzens sogar viermal so hoch wie ohne Anämie. Das Sterberisiko steigt mit dem Schwergerad der Blutarmut.

Patienten über 65 scheinen durch Nichtbehandlung einer PA besonders gefährdet. Definiert ist die Anämie in der S3-Leitlinie gemäß den Grenzwerten der WHO, also ab einem Hb-Wert < 13 g/dl für Männer, < 12 g/dl für nicht schwangere und < 11 g/dl für schwangere Frauen.

Anämieprävalenz bis zu 50%

Die prognostische Bedeutung wird durch die hohe Prävalenz von Anämien verstärkt. „Die PA ist einer der häufigsten Prädiktoren für eine perioperative Transfusion von Erythrozytenkonzentraten“, heißt es in der Leitlinie. In Deutschland wird die Anämieprävalenz bei Frauen mit 5–19%, bei Männern unter 50 mit etwa 1,5% angegeben. Über 65 hat jeder Neunte eine Anämie. Die Prävalenz bei präoperativen Patienten ist — durch Selektion von anämierelevanter Morbidität und Alter — mit 11–48% noch höher als in der Allgemeinbevölkerung.

Häufigste Ursache: Eisenmangel

Für eine PA kommt eine Vielzahl von Ursachen in Betracht (s. Kasten). Die häufigste Form der PA ist in Europa die Eisenmangelanämie. Hauptursache dafür ist der chronische Verlust von Eisen, etwa durch Menorrhagien, Tumoren oder Magen-Darm-Ulzera, seltener der akute Verlust. Auch Malabsorptionsstörungen wie Zöliakie oder der erhöhte Eisenbedarf in Schwangerschaft und Kindheit können zu Eisenmangel führen.

Trotz der Häufigkeit der Eisenmangelanämie wird in der Leitlinie von einer „blinden“ Therapie der PA, also einer Eisengabe ohne Ursachenklärung, ausdrücklich abgeraten. Die Maxime für die Behandlung lautet vielmehr: „rechtzeitig und kausal“. Rechtzeitig bedeutet, dass die Anämiediagnostik so früh veranlasst wird — „idealerweise vier bis sechs Wochen vor einer elektiven Op.“ —, dass präoperativ mit einer kausalen Therapie begonnen werden kann.

Keine „blinde“ Eisentherapie!

Eine Behandlung mit oralem oder intravenösem Eisen sollte nur nach dem Nachweis eines Mangels eingeleitet werden. Allerdings spricht die Leitlinienkommission dafür keine klare Empfehlung aus. In randomisierten kontrollierten Studien zeigte sich nämlich nur ein Trend zu höheren Hb-Werten und niedrigeren Transfusionsraten. Allerdings war die Therapie in den Studien ohne vorherige Diagnostik erfolgt — ein „wesentlicher methodischer Nachteil“, so die Autoren.

Aufgrund der mangelhaften Datenlage gibt die Leitlinie auch keine gesonderten Empfehlungen zu oraler oder intravenöser Eisensubstitution. Sie zitiert hier die S1-Leiltinie „Eisenmangelanämie“: Diese empfiehlt bei manifestem Eisenmangel primär eine Eisen-(II)-Substitution über drei Monate. Die i.v. Gabe ist indiziert, wenn schwere Resorptionsstörungen vorliegen oder orale Präparate nicht toleriert werden.