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Prof. Dr. med. H. Holzgreve Internist, München

Eine 85-jährige Frau wurde geschwächt und verwirrt auf dem Fußboden liegend aufgefunden. Wegen einer koronaren Herzerkrankung, Vorhofflimmern und einem Typ-2-Diabetes nahm sie sechs verschiedene Medikamente. Das Krankheitsbild konnte schnell geklärt werden: Fieber, Hypotonie (88/70 mmHg) und Tachykardie deuteten auf einen Schock hin. Bei diffuser abdomineller Abwehrspannung, 42.300 Leukozyten/μl und einer vergrößerten Gallenblase mit verdickten Wänden im CT wurde als Ursache für den septischen Schock eine akute Cholezystitis diagnostiziert.

Ein ungewöhnlicher Befund aber passte nicht in dieses stimmige Konzept: Der Urin, obwohl insgesamt unauffällig, hatte eine wunderschöne, smaragdgrüne Farbe.

Nach sofortigem Therapiebeginn mit Breitspektrum-Antibiotika verbesserte sich das Befinden der Patientin innerhalb von 24 Stunden, ihre Verwirrtheit verschwand. Die Nachanamnese ergab, dass sie sich am Tag vor der Einlieferung einer Koloskopie mit Polypektomie mittels Diathermieschlinge unterzogen hatte. Der Kollege hatte submukös Methylenblau injiziert, um den Polypen sichtbar zu machen und anzuheben. In gleicher Indikation wird der Farbstoff auch in der Nebenschilddrüsen-Chirurgie eingesetzt.

Ob sich Methylenblau nach den Gesetzen der Farbenlehre mit dem Uringelb zu Grün mischt oder ob der Körper das Methylenblau chemisch in grün umwandelt, ist wissenschaftlich nicht geklärt. Eine Grünfärbung des Urins in dieser Intensität ist jedenfalls äußerst ungewöhnlich. Als weitere Auslöser für grünlichen Harn werden ca. 20 verschiedene Medikamente, Chemikalien, Farbstoffe und Pseudomonas-Spezies verantwortlich gemacht.

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Grüner Urin aus dem Blasenkatheter.

© CMAJ. 2018:190:E224