Fragestellung: Führt die Aspirationsthrombektomie im Vergleich zur Thrombektomie mit Stentretriever als Primärtherapie beim ischämischen Insult mit Verschluss der Arteria carotis interna oder der Arteria cerebri media zu einem vergleichbaren klinischen Erfolg?

Hintergrund: Die mechanische Rekanalisation von Verschlüssen der distalen Arteria carotis interna und der proximalen Arteria cerebri media wurde zunächst mit Stentretrievern etabliert. Die Thrombektomie führte in acht randomisierten Studien beim akuten ischämischen Insult in Kombination mit einer systemischen Thrombolyse zu besseren klinischen Ergebnissen als die Thrombolyse allein. Alternative Thrombektomiestrategien, insbesondere eine direkte Aspirationsthrombektomie in der First-Pass-Technik, sind vielversprechend, wurden aber bisher in randomisierten Studien nicht auf ihre klinische Wirksamkeit hin geprüft. Die COMPASS-Studie wurde durchgeführt, um zu beurteilen, ob Patienten, die initial mit einer Aspirationsthrombektomie behandelt werden, vergleichbare funktionelle Ergebnisse haben wie Patienten, die mit einem Stentretriever behandelt werden.

Patienten und Methodik: COMPASS war eine multizentrische, randomisierte, offene Studie mit verblinderter Evaluation der Endpunkte. Eingeschlossen wurden Patienten, die einen akuten ischämischen Schlaganfall und in der Angiografie einen Gefäßverschluss in der vorderen Zirkulation aufwiesen. Die Randomisierung musste innerhalb von sechs Stunden nach Beginn der Symptomatik erfolgen. Die Ersttherapie erfolgte entweder als Aspirationsthrombektomie oder mit einem Stentretriever. Wenn die Rekanalisation im ersten Anlauf nicht gelang, blieb es dem Behandler überlassen, mit welcher Methode er die Behandlung fortsetzte. Die Nullhypothese der Studie war, dass der funktionelle Outcome bei jenen Patienten, die mit einem Aspirationskatheter behandelt wurden, schlechter war als bei denjenigen, die mit einem Stentretriever behandelt wurden.

Der primäre Endpunkt der Studie war die Nichtunterlegenheit des klinischen funktionellen Ergebnisses nach 90 Tagen, gemessen am Prozentsatz der Patienten, die einen Wert von 0–2 auf der modifizierten Rankin-Skala (mRS) erreichten. Alle randomisierten Patienten wurden in die Sicherheitsanalysen einbezogen.

Ergebnisse: Zwischen Juni 2015 und Juli 2017 wurden 270 Patienten randomisiert: 134 erhielten Aspirationsthrombektomie und 136 eine Therapie mit einem Stentretriever. Die Patienten waren im Mittel 71,5 Jahre alt. Der mediane NIHSS-Wert betrug 17. Zwei Drittel der Patienten hatten einen Verschluss der Arteria cerebri media. Eine zusätzliche systemische Thrombolyse erfolgte bei 70 % der Patienten. Einen mRS-Score von 0–2 nach 90 Tagen erreichten 69 Patienten in der Aspirationsgruppe (52 %) und 67 Patienten (50 %) in der Stentretrievergruppe. Der p-Wert für Nichtinferiorität betrug 0,0014. 90 % der Patienten erreichten eine erfolgreiche Rekanalisation, gemessen mit der TICI(thrombolysis in cerebral infarction)-Klassifikation (Grad 2b; 50–89 % Reperfusion). Asymptomatische und symptomatische intrakranielle Blutungen traten bei 48 von 134 (36 %) Patienten in der Aspirationsgruppe auf und bei 46 von 135 (34 %) in der Stentretrievergruppe. Symptomatische intrazerebrale Blutungen erlitten jeweils 6 % der Patienten in beiden Gruppen. Die Gesamtmortalität nach drei Monaten betrug 22 % (jeweils 30 Patienten) in beiden Gruppen.

Schlussfolgerungen: Die Thrombusaspiration als First-Pass-Thrombektomie ergab bei Patienten mit Verschlüssen großer Arterien der vorderen Zirkulation nach 90 Tagen im Vergleich zur Thrombektomie mit einem Stentretriever ein übereinstimmendes funktionelles Ergebnis. Daher kommt bei ausgewählten Patienten die direkte Thrombusaspiration als Alternative zum Stentretriever in Betracht.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Der interventionelle Radiologe entscheidet, womit er beginnt

COMPASS ist nach ASTER [1] die zweite Studie, die zeigt, dass die Aspirationsthrombektomie vergleichbare Rekanalisierungsraten und klinische Ergebnisse erzielt wie die mechanische Thrombektomie mit Stentretrievern. Damit bleibt es dem interventionellen Radiologen überlassen, mit welcher Methode er beginnt, und ob er gegebenenfalls beim Scheitern der Ersttherapie den Ansatz wechselt. Aus ethischen Gründen kann die Prüfung der Wirksamkeit neuer Systeme zur Thrombektomie nicht gegen eine alleinige Thrombolyse erfolgen. Dies verbietet die Überlegenheit der Thrombektomie mit Stentretrievern.