Fragestellung: Können Nahrungsergänzungsmittel und diätetische Maßnahmen die Sterblichkeit an vaskulären Krankheiten reduzieren?

Hintergrund: Die Rolle von Nahrungsergänzungsmitteln und diätetischen Maßnahmen zur Vorbeugung von Mortalität an Herz-Kreislauf-Erkrankungen wurde in vielen Studien mit zum Teil widersprüchlichen Ergebnissen untersucht. Insgesamt werden in Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen Milliardenbeträge für Nahrungsergänzungsmittel ausgegeben.

Patienten und Methodik: Die Autoren analysierten englischsprachige, randomisierte kontrollierte Studien (RCT) und Metaanalysen von RCT, welche die Auswirkungen von Nahrungsergänzungsmitteln oder diätetischen Maßnahmen auf die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität untersuchten. Die bewerteten Interventionen in den Metaanalysen enthielten 16 verschiedene Nahrungsergänzungsmittel (Antioxidanzien, Karotin, Vitamin-B-Komplex, Multivitamine, Selen, Vitamin A, Vitamin B3 oder Niacin, Vitamin B6, Vitamin C, Vitamin E, Vitamin D, Kalzium plus Vitamin D, Kalzium, Folsäure, Eisen, Omega-3 langkettige ungesättigte Fettsäuren (LC-PUFA) und acht Arten von diätetischen Interventionen, unter anderem Mediterrane Ernährung, Reduktion gesättigter Fettsäuren, reduzierte Fettaufnahme, modifiziertes Nahrungsfett und Kochsalzrestriktion bei Personen mit normalem Blutdruck und Patienten mit arterieller Hypertonie.

Ergebnisse: Neun systematische Übersichtsarbeiten und vier neue RCT wurden ausgewählt, die insgesamt 277 Studien und 24 Interventionen umfassten. Für 992.129 Teilnehmer wurden 105 Metaanalysen erstellt. Für fast alle Nahrungsergänzungsstoffe oder diätetische Maßnahmen gab es keinen Einfluss auf Sterblichkeit, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Es gab schwache Hinweise darauf, dass eine Kochsalzrestriktion das Mortalitätsrisiko bei normotensiven Personen reduzierte und die Sterblichkeit an Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Patienten mit arterieller Hypertonie. Eine schwache Assoziation ergab sich zwischen LC-PUFA und einer Risikoreduktion für Myokardinfarkt und koronarer Herzkrankheit. Die Einnahme von Folsäure war mit einem geringeren Schlaganfallrisiko verbunden. Die Substitution von Kalzium plus Vitamin D erhöhte das Schlaganfallrisiko.

Schlussfolgerung: Die meisten Nahrungsergänzungsstoffe und diätetischen Maßnahmen haben keinen Einfluss auf die Inzidenz kardio- und zerebrovaskulärer Erkrankungen und die Herz-Kreislauf-Sterblichkeit.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Nahrungsergänzungsmittel sind nur selten indiziert

Die vorliegende große Metaanalyse mit fast einer Million Teilnehmern ist ernüchternd, da sie mit ganz wenigen Ausnahmen keinen Einfluss von Nahrungsergänzungsmitteln oder diätetischen Maßnahmen auf die Inzidenz kardio- und zerebrovaskulärer Erkrankungen und Mortalität zeigt. Hintergrund der Untersuchung ist, dass beispielsweise in den USA fast drei Viertel der Bevölkerung regelmäßig Nahrungsergänzungsmittel zu sich nehmen. Diese Nahrungsergänzungsmittel sind allerdings nicht reguliert und unterliegen nicht der Aufsicht der FDA oder der europäischen Zulassungbehörde. Die Metaanalyse fand einen geringen Einfluss von Fischöl auf die Häufigkeit von Myokardinfarkten. Dies konnte allerdings in zwei vor kurzem publizierten, großen randomisierten placebokontrollierten Studien nicht bestätigt werden [1, 2]. Eine weitere Studie mit hochdosierten modifizierten Fischöl fand allerdings einen therapeutischen Nutzen bezogen auf kardiovaskuläre Ereignisse [3]. Bei der Interpretation der Ergebnisse müssen auch regionale Unterschiede berücksichtigt werden. So ist beispielsweise in vielen Ländern in Europa und Nordamerika Folsäure bereits in Nahrungsmitteln angereichert. Reproduzierbar ist der Einfluss von Kochsalz auf die Häufigkeit und Mortalität kardiovaskulärer Erkrankungen. Dies hat überwiegend mit dem Einfluss einer reduzierten Salzaufnahme auf die arterielle Hypertonie zu tun. Bei der Interpretation der Ergebnisse muss allerdings berücksichtigt werden, dass es durchaus Personen und Patienten gibt, bei denen eine Substitution von bestimmten Vitaminen oder Mineralien notwendig ist. Dabei handelt es sich um Schwangere, Kinder mit Resorptions- und Essstörungen, Vegetarier und Veganer, Patienten mit Resorptionsstörungen und Patienten bei denen mögliche Interaktionen mit eingenommenen Medikamenten bestehen.