Fragestellung: Kann Verubecestat den Übergang von der Prodromalphase einer Alzheimer-Demenz zum Vollbild der Erkrankung verhindern?

Hintergrund: Es gibt eine Reihe von Medikamenten, welche die Ablagerung von Beta-Amyloid im Gehirn verhindern. Diese Medikamente wurden bisher bei der leichten oder klinisch manifesten Alzheimer-Krankheit eingesetzt. Wahrscheinlich ist dieser Zeitpunkt aber zu spät, um einen krankheitsmodifizierenden Effekt zu erzielen. Verubecestat ist ein oral applizierter Inhibitor von BARC-1 (β-site amyloid precursor protein cleaving enzyme 1) und blockiert die Produktion und Ablagerung von Beta-Amyloid. Diese Substanz sollte jetzt in der Prodromalphase der Alzheimer-Krankheit untersucht werden. In der Therapie der manifesten Alzheimer-Krankheit war Verubecestat nicht wirksam [1].

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine randomisierte, doppelblinde, placebokontrollierte Studie mit einem Zeitraum von 104 Wochen, in der Verubecestat in Dosierungen von täglich 12 mg oder 40 mg, verglichen mit Placebo, bei Patienten mit prodromaler Alzheimer-Krankheit untersucht wurde. Die Patienten hatten seit mindestens einem Jahr eine eingeschränkte Gedächtnisfunktion und erhöhte Amyloidspiegel im Gehirn, gemessen mit Amyloid-PET. Die Patienten erfüllten allerdings nicht die Kriterien für eine Demenz. Der primäre Endpunkt der Studie war die Veränderung im Score der Clinical Dementia Rating Scale-Sum of Boxes (CDR-SB) im Vergleich zur Baseline. Die Skala reicht von 0–18, wobei höhere Punktzahlen eine schlechtere Kognition und Einschränkungen der Funktionsfähigkeit im Alltag bedeuten. Sekundäre Endpunkte waren unter anderem das Volumen des Hippocampus in der Kernspintomografie und die kortikale Ablagerung von Amyloid im PET.

Ergebnisse: In die Studie wurden 1.454 Patienten aufgenommen, die im Mittel 71 Jahre alt waren. Der mittlere CDR-SB-Score bei Studieneinschluss betrug 2‚65. Die niedrige Dosis von Verubecestat erhielten 485 Patienten, die höhere Dosis 484. Placebo bekamen 485 Patienten. Die Studie wurde abgebrochen, nachdem 704 Patienten die 104 Wochen der Studienzeit abgeschlossen hatten. Die geschätzte mittlere Veränderung des CDR-SB-Scores vom Beginn bis zur Woche 104 war 1‚65 in der 12-mg-Gruppe, 2‚02 in der 40-mg-Gruppe und 1‚58 in der Placebogruppe (p = 0‚67 für den Vergleich zwischen der 12-mg-Gruppe und der Placebogruppe und p = 0‚01 für den Vergleich zwischen der 40-mg-Gruppe und der Placebogruppe). Die geschätzte Häufigkeit des Fortschreitens der Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit betrug 24‚5, 25‚5, und 19‚3 Ereignisse pro 100 Patientenjahre in der 12-mg-Gruppe, der 40-mg-Gruppe beziehungsweise der Placebogruppe (Hazard Ratio für 40 mg vs. Placebo, 1‚38; 97‚5 %-Konfidenzintervall 1‚07–1‚79) zugunsten von Placebo. Unerwünschte Arzneimittelwirkungen waren in den Verubecestatgruppen häufiger als in der Placebogruppe.

Schlussfolgerungen: Verubecestat hat den Übergang der Prodromalphase der Alzheimer-Krankheit zum Vollbild der Krankheit im Vergleich zu Placebo nicht beeinflusst. Einige der kognitiven Funktionen waren bei Patienten, die mit der hohen Dosis von Verubecestat behandelt wurden, sogar schlechter als unter Placebo. Damit muss das Konzept der Hemmung der Beta-Amyloid-Ablagerung im Gehirn als Therapieprinzip der Alzheimer-Krankheit hinterfragt werden.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Verubecestat reiht sich in die Liste der unwirksamen Medikamente ein

Die hier vorliegende Studie reiht sich in die lange Liste der Studien ein, die bisher bei der Alzheimer-Krankheit durchgeführt wurden, und die alle negativ waren. Ursprünglich wurden neue Medikamente mit unterschiedlichen Wirkmechanismen beim Vollbild der Erkrankung untersucht, die sich alle als unwirksam erwiesen. Dies liegt entweder an einem verfehlten Behandlungskonzept oder daran, dass die Krankheit im fortgeschrittenen Stadium einer Therapie nicht mehr zugänglich ist. Daher war es vernünftig, einen Ansatz zu untersuchen, bei dem Patienten im Prodromalstadium der Erkrankung eingeschlossen und behandelt werden. Die Einschlusskriterien hier waren kognitive Störungen und eine erhöhte kortikale Ablagerung von Beta-Amyloid im Amyloid-PET. Die Studie war ebenfalls negativ und wurde deshalb vorzeitig abgebrochen. In der Unterstudie mit PET nahm die Konzentration von Beta-Amyloid im Kortex unter Placebo zu und unter Verubecestat ab. Der Unterschied erreichte allerdings kein Signifikanzniveau. Erwartungsgemäß waren unerwünschte Arzneimittelwirkungen unter Verubecestat häufiger. Dies hat allerdings keine Bedeutung, da die Substanz sicher in weiteren Studien nicht mehr eingesetzt wird.