Fragestellung: Kann regelmäßiger Alkoholkonsum im mittleren Lebensalter das Risiko zur Entwicklung einer Demenz erhöhen oder senken?

Hintergrund: Weltweit sind 5–7 % der über 60-Jährigen an einer Demenz erkrankt. Starker Alkoholkonsum gilt als ein Risikofaktor für eine Demenz im höheren Lebensalter, während leichter bis moderater Alkoholkonsum als präventiver Faktor diskutiert wird. In diesem systematischen Scoping-Review sollte der Zusammenhang zwischen Alkoholkonsum und dem Auftreten demenzieller Erkrankungen, unabhängig von deren Ursache, geklärt werden.

Patienten und Methodik: In ihrer an den PRISMA-Richtlinien orientierten systematischen Literatursuche nach systematischen Übersichtsarbeiten und Metaanalysen, die zwischen Januar 2000 und Oktober 2017 zu Alkohol und Demenz publiziert wurden, fanden die Autoren 28 Veröffentlichungen, die sie als qualitativ ausreichend hochwertig ansahen. Davon befassten sich 20 mit der Beziehung des Ausmaßes von regelmäßigem Alkoholkonsum und einer Demenzentwicklung, sechs mit dem Einfluss von Alkohol auf Hirnstrukturen und zwei mit alkoholinduzierten Demenzen.

Ergebnisse: Leichter bis moderater Alkoholkonsum war in der überwiegenden Mehrheit der analysierten Metaanalysen und Übersichtsarbeiten mit einem geringeren Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung oder Demenz assoziiert. Regelmäßiger, aber auch unregelmäßiger starker Alkoholkonsum (Frauen > 40 g täglich, Männer > 60 g täglich) korrelierte mit einem erhöhten Risiko für eine kognitive Beeinträchtigung oder Demenz. Zudem ergaben sich Hinweise auf eine erhöhte globale und regionale Hirnatrophie bei starken Trinkern.

Schlussfolgerung: Das Vermeiden starken Alkoholkonsums kann eine effektive Maßnahme zur Demenzprävention darstellen.

Kommentar von Patrick Jung, Frankfurt am Main

Zur Demenzprävention starkes Trinken vermeiden

Nach ihrem Scoping-Review sehen die Autoren die Evidenzlage und methodische Qualität der bisherigen Studien für einen demenzpräventiven Effekt von regelmäßigem leichtem bis moderatem Alkoholkonsum als „moderat“ an. Sie berücksichtigten in ihrer Übersichtsarbeit jedoch die qualitativ bisher hochwertigste und erst kürzlich erschiene Studie zu diesem Thema nicht [1], die ebenfalls ein reduziertes Demenzrisiko bei leichtem bis moderatem Alkoholkonsum gegenüber Abstinenten und schweren Trinkern fand, auch nach Korrektur gegen zahlreiche potenziell konfundierende Variablen. Als leichter bis moderater Alkoholkonsum werden üblicherweise 1–14 Standarddrinks pro Woche angesehen, wobei die Menge an Alkohol pro Standarddrink von Land zu Land unterschiedlich definiert ist, zum Beispiel 8 g in Großbritannien, 10 g in Deutschland und 14 g in den USA.

Man sollte jedoch vorsichtig sein, nach diesen Ergebnissen nun einen leichten bis moderaten Alkoholkonsum als demenzpräventive Maßnahme zu empfehlen. Dies liegt zum einen an der heterogenen Definition der als Kontrollgruppe dienenden Abstinenzler, denen zum Beispiel meist auch ehemalige schwere Trinker zugeordnet werden, und der Erhebung der Trinkgewohnheiten per Selbstbeurteilungsbogen, was als sehr unsicheres Maß angesehen werden muss, insbesondere bei Menschen, die ihre dysfunktionalen Trinkgewohnheiten aus Scham möglicherweise negieren. Zudem wurden lediglich korrelative, nicht aber kausale Zusammenhänge festgestellt. Dies muss aufgrund des bisher ungenügenden Wissens über neuroprotektive biologische Mechanismen des Alkohols hervorgehoben werden. Hingegen sind die neurotoxischen Effekte des Alkohols gut etabliert, mit sehr konsistenter Studienlage bezüglich eines demenzfördernden Einflusses von starkem regelmäßigem Alkoholkonsum. Daher kann empfohlen werden, starken Alkoholkonsum zur Demenzprävention zu vermeiden, weitergehende alkoholbezogene Empfehlungen sind nach derzeitiger Studienlage jedoch (noch) nicht angezeigt.

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PD Dr. med. Patrick Jung