Fragestellung: Ist eine einzelne, schnelle (60 Sekunden), intravenöse Injektion von Ketamin ein sicheres Mittel zur antidepressiven und antisuizidalen Akutbehandlung?

Hintergrund: Depression und akute Suizidalität sind bedeutende Schwerpunkte der psychiatrischen Therapie. Noch immer werden meist klassische Antidepressiva verordnet, welche eine Wirklatenz von bis zu vier Wochen aufweisen. Bei etwa 30–40% der Patienten stellt sich kein ausreichendes Therapieansprechen ein, sodass ein Wechsel der Medikation notwendig ist. Einige Patienten leiden unter einer therapieresistenten Depression, das heißt sie sprechen auf zwei oder mehr Antidepressiva nicht an. Ketamin ist ein rasch wirksames Antidepressivum, das bereits seit einigen Jahren erfolgreich bei therapieresistenter Depression angewandt wird. Neben seiner schnellen und starken antidepressiven, ist auch eine rasche antisuizidale Wirkung beschrieben. Nach bisherigen Empfehlungen wurde Ketamin meist intravenös über 40 Minuten verabreicht. In kleineren Vorstudien an gesunden Probanden zeigte sich eine gute Verträglichkeit der schnellen intravenösen Ketamingabe über 60 Sekunden.

Patienten und Methodik: In einer kleinen, offenen, nicht kontrollierten, prospektiven, unizentrischen Studie untersuchten die Autoren den therapeutischen Effekt einer einmaligen, schnellen (60 Sekunden), intravenösen Gabe von 0,5 mg/kg Körpergewicht Ketamin bei zehn Patienten mit therapieresistenter Depression.

Die depressive Symptomatik (Montgomery-Åsberg Depression Rating Scale, MADRS) und das Ausmaß der Suizidalität (Scale for Suicide Ideation, SSI) wurden bestimmt und gemäß dem Intention-to-treat-Protokoll analysiert. Die Patienten wurden in einem Zeitraum von vier Wochen zwölfmal untersucht. Die Patienten erhielten einmalig Ketamin und verblieben dann für sechs Stunden stationär, um somatische und psychische Symptome effizient zu überwachen. Im Anschluss wurden die Patienten bis zum Ende der Studie ambulant betreut.

Ergebnisse: Bereits nach 40 Minuten konnte ein statistisch signifikanter antidepressiver Effekt festgestellt werden (p < 0,001), der auch noch bis Tag 15 anhielt (p = 0,029). Acht der zehn Patienten waren Responder an Tag 0 und 1, fünf Patienten wurden an Tag 2 Remitter. Zum Ende der Beobachtung waren alle Patienten Nonresponder und Nonremitter. Die schnelle Ketamininjektion reduzierte Suizidalität statistisch signifikant an den Tagen 1 (p < 0,001) und 7 (p < 0,003). Ein vorübergehender Anstieg des Blutdrucks trat bei allen Patienten unmittelbar nach Verabreichung von Ketamin auf. Bei keinem Probanden war jedoch eine antihypertensive Medikation notwendig geworden. Nach 40 Minuten hatte sich der Blutdruck bei allen Patienten wieder normalisiert. Somnolenz und Sedierung waren weitere häufige, aber vorübergehende Nebenwirkungen. Bei einigen Patienten traten kurzzeitig dissoziative Symptome auf. Im weiteren Verlauf der ambulanten Betreuung traten keine medikationsbedingten Nebenwirkungen mehr auf.

Schlussfolgerung: Die Autoren der Studie folgern, dass in stationärem Rahmen eine schnelle (60 Sekunden), intravenöse Injektion von 0,5 mg/kg Körpergewicht Ketamin zusammen mit einem adäquaten Monitoring dazu geeignet ist, effektiv und schnell depressive Symptome und akute Suizidalität zu reduzieren.

Kommentar von David Herzog, Mainz

Noch keine ausreichende Evidenz für die schnelle Ketamininfusion

Die vorliegende kleine Studie beleuchtet ein wichtiges Thema: Das schnelle Ansprechen auf eine Therapie ist bei akuter Suizidalität und Depression von großer Bedeutung. Die Autoren konnten zeigen, dass eine schnelle Injektion von Ketamin über 60 Sekunden genauso wirksam in Bezug auf depressive Symptomatik und Suizidalität ist, wie die bisher häufig verwendete Infusion über 40 Minuten.

Einschränkend muss jedoch gesagt werden, dass der Untersuchung keine allzu große Studienqualität zu Grunde liegt. Eine sehr geringe Fallzahl und eine fehlende Kontrollgruppe limitieren ihre Aussagekraft. Nichtsdestotrotz knüpft die Studie an die vielen positiven Literaturberichte von Ketamin an und zeigt einmal mehr in die Richtung, dass Ketamin allgemein ein gut verträgliches und effizientes Therapeutikum bei therapieresistenten Depressionen mit Suizidalität ist. Ob sich eine schnelle Ketaminjektion allerdings gegen das kürzlich von der US-amerikanischen FDA zugelassene intranasale Esketamin durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.

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Dr. med. David Herzog, Mainz