Fragestellung: Ist Erenumab, ein monoklonaler Antikörper gegen den Rezeptor des Calcitonin Gene Related Peptide (CGRP), bei Patienten mit einer chronischen Migräne und einem Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln wirksamer als Placebo?

Hintergrund: Bei etwa der Hälfte aller Patienten mit einer chronischen Migräne besteht ein Medikamentenübergebrauchskopfschmerz (medication overuse headache, MOH). Seit kurzem stehen humane und humanisierte monoklonale Antikörper gegen CGRP oder den CGRP-Rezeptor zur Verfügung. Der gegen den CGRP-Rezeptor gerichtete monoklonale Antikörper Erenumab wurde in einer großen randomisierten Studie bei Patienten mit chronischer Migräne mit Placebo verglichen [1]. Hier werden die Ergebnisse für die Untergruppe der Patienten mit einem Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln dargestellt.

Patienten und Methodik: In die doppelblinde, placebokontrollierte Studie wurden insgesamt 667 Patienten mit chronischer Migräne eingeschlossen und im Verhältnis 3 : 2 : 2 entweder zu Placebo oder zu 70 mg beziehungsweise 140 mg Erenumab subkutan alle vier Wochen randomisiert. Für die vorliegende Subgruppenanalyse wurden die Daten der Patienten ausgewertet, bei denen zum Zeitpunkt des Studieneinschlusses ein Übergebrauch von Medikamenten zur Behandlung akuter Migräneattacken vorlag. Der primäre Endpunkt der Studie war die Änderung der Migränetage im letzten Monat der Therapie (Monat 3). Sekundäre Endpunkte waren die Einnahme migränespezifischer Medikamente pro Monat und der Prozentsatz der Patienten, der eine ≥ 50 %ige Reduktion der monatlichen Migränetage im Vergleich zur Baseline erreichte.

Ergebnisse: Von den 667 Patienten erfüllten 41 % (n = 274) die Kriterien für einen Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln. In dieser Untergruppe führte die Gabe von einmal monatlich Erenumab 70 mg oder 140 mg subkutan zu einer größeren Reduktion der monatlichen Migränetage im Monat 3 als in der Placebogruppe. In den beiden Erenumab-Behandlungsgruppen wurden die monatlichen Migränetage um 6‚6 Tage reduziert, in der Placebogruppe um 3‚5 Tage. Dieser Unterschied war signifikant. Die Reduktion der Tage mit einer Einnahme von spezifischen Migränemedikamenten betrug −2‚1 Tage für die niedrige Dosis und −3‚6 Tage für die hohe Dosis von Erenumab, verglichen mit −1‚2 Tagen in der Placebogruppe. Die 50 %-Responderrate für die monatlichen Migränetage betrug 36 % beziehungsweise 35 % in den Erenumab-Behandlungsgruppen, verglichen mit 18 % in der Placebogruppe.

Diese Ergebnisse spiegelten sich auch in sekundären Endpunkten wie der krankheitsbedingten Beeinträchtigung (HIT-6) und der Lebensqualität (HRQOL) wieder. Die beobachteten Behandlungseffekte waren mit denen bei Patienten ohne MOH vergleichbar.

Schlussfolgerungen: Erenumab ist bei Patienten mit einer chronischer Migräne und einem Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln im Vergleich zu Placebo wirksam. Es reduziert signifikant die Zahl der Migränetage pro Monat, die Zahl der Tage mit Einnahme von spezifischen Migränemitteln und führt zudem zu einer signifikant höheren 50 %-Responderrate.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Der Anteil der Patienten mit MOH geht deutlich zurück

Bisher gab es für die Behandlung von Patienten mit einer chronischen Migräne und einem Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln nur zwei therapeutische Ansätze: eine Migräneprophylaxe mit entweder Topiramat oder mit Onabotulinumtoxin A. Die Wirksamkeit beider Behandlungen wurde in randomisierten Studien belegt. Mit Erenumab steht jetzt eine weitere Therapieoption bei Patienten mit chronischer Migräne und chronischem Kopfschmerz durch einen Übergebrauch von Schmerz- oder Migränemitteln zur Verfügung. Im Gegensatz zu Topiramat hat Erenumab ein hervorragendes Nebenwirkungsprofil und nur sehr wenige Patienten brechen ihre Behandlung aufgrund von unerwünschten Arzneimittelnebenwirkungen ab. Wichtig ist auch die Beobachtung, dass ein erheblicher Prozentsatz der Patienten am Ende der dreimonatigen Behandlungsphase mit Erenumab nicht mehr die Kriterien für einen Übergebrauchskopfschmerz erfüllte. Dies war bei 65 % der Patienten mit der niedrigen Dosis von Eremumab und bei 54 % der Patienten mit der hohen Dosis der Fall. Der entsprechende Anteil in der Placebogruppe betrug 33 %.