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Danach gefragt, warum das Ende von „Obama Care“ nicht so einfach per Erlass kommen konnte, antwortete Donald Trump: „Niemand konnte vorher wissen, dass das Gesundheitswesen so kompliziert ist.“

In Deutschland haben wir längere Erfahrung mit einem gewachsenen Gesundheitssystem, einer Versicherungspflicht und den Organen der Selbstverwaltung. Trotzdem tauchen manchmal Gesetzesinitiativen auf, deren Ausgereiftheit von verschiedenen erfahrenen Akteuren angezweifelt wird.

Beispiel: der Referentenentwurf zur Psychotherapeutenausbildung. Dieser Referentenentwurf sah unter anderem vor, dass in fünfjährigen Modellstudiengängen zu einem „Master für Psychotherapie“ auch die Kompetenz und Berechtigung mit erworben werden sollten, Psychopharmaka zu verschreiben. Außer dem Ersteller des Entwurfes schien aber in der Diskussion kein Verband, einschließlich der Psychotherapeutenkammer, dies weiter vertreten zu wollen. In der Kabinettsvorlage wurden diese Modellstudiengänge zur Verschreibungskompetenz Ende Februar dann auch gestrichen. Vielleicht war aufgefallen, dass auch Psychopharmaka nicht nur an der Psyche, sondern auch am Herzen wirken können, über Leber und Niere verstoffwechselt und ausgeschieden werden und mit anderen Stoffen, und sei es nur der Grapefruitsaft zum Frühstück, interagieren können. Entsprechende anamnestische Angaben und Befunde wollen erhoben und bewertet werden, die Liste der Begleitmedikation ebenfalls. Vielleicht war dies aber auch nur ein „Tür ins Gesicht/Fuß in die Tür“-Manöver, wie man in der Psychotherapie so sagt. Ein Aufregerabsatz zum Streichen, dann liest sich der Rest viel leichter. Zumindest muss aber, wer ab 2020/2021 Psychotherapie studieren und nach Studienabschluss und Approbation ungefähr ab 2026 als Psychotherapeut in Weiterbildung (PiW) beschäftigt sein wird, nicht mehr die finanziell prekären Umstände der heutigen Psychotherapeuten in Ausbildung (PiA) ertragen müssen. Die Kolleginnen und Kollegen in der Übergangszeit verdienen unser Mitgefühl. Hier wäre eine schnellere Abhilfe angebracht.

Interessant an dem ganzen Vorgang sind aber auch die Bedarfsschätzungen aus Regierungskreisen von etwa 3.000 Studienplätzen für angehende Psychotherapeuten, die dann auch an eigens dafür gebildeten Ambulanzen weitergebildet werden können. Dies lässt vermuten, dass die Vorstellung, dass Ärzte einen Teil des Versorgungsbedarfs mitdecken könnten, weitgehend aufgegeben wurde.

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Prof. Dr. med. Michael Hüll

Chefarzt der Klinik für Alterspsychiatrie und -psychotherapie, Emmendingen E-Mail: m.huell@zfp-emmendingen.de

Apropos Versorgung, da gab es doch auch noch das Terminservice- und Versorgungsgesetz. Darin wird im neuesten Entwurf jetzt in der Frage etwa zum Zugang zu Psychotherapeuten, Sprechstunden, Wartezeiten, Überweisungsmodalitäten erstmal nichts festgelegt. Das Ganze entpuppte sich dann doch als sehr kompliziert. Nach dem ersten gescheiterten Entwurf kündigte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn an, den Gemeinsamen Bundesausschuss mit der Suche nach einer Lösung zu beauftragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss solle Vorschläge ausarbeiten, um „die Behandlung besser zu strukturieren und zu koordinieren“, sagte der Minister in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. „Die Selbstverwaltung der Ärzte, Krankenkassen und Kliniken ist jetzt am Zuge.“ So einfach ist die Lösung anscheinend nicht.

Anderes steht aber auch in dem aktuellen Entwurf des Terminservice- und Versorgungsgesetzes. Ärzte für Psychiatrie und Psychotherapie können demnach auch in „überversorgten Gebieten“ eine Zulassung beantragen, da es offenbar doch ungedeckten Bedarf gibt. Aber nur, wenn sie höchstens 20 % psychotherapeutische Leistungen erbringen.

Statt zunehmend komplizierter Aufsplitterung mit entsprechendem Koordinationsaufwand brauchen wir kompetente Versorgung aus einer Hand, die verschiedene Therapieoptionen beherrscht.

Michael Hüll