Fragestellung: Besteht ein langfristiger Zusammenhangs zwischen Antidepressivaeinnahme und Körpergewicht?

Hintergrund: Durch die Assoziation mit erhöhter Mortalität und chronischen Erkrankungen ist Übergewicht eines der wichtigsten Probleme des Gesundheitssystems. Epidemiologische Studien zeigen, dass rund 23 % der Bevölkerung Antidepressiva verschrieben bekommen. Es besteht ein Zusammenhang zwischen Depression und Fettleibigkeit, die Zusammenhänge zwischen antidepressiver Therapie und Übergewicht sind aber noch nicht gut verstanden.

Patienten und Methodik: In einer populationsbezogenen Studie wurden 36 .762 Männer und 157.957 Frauen mit mindestens drei Messungen des Body Mass Index (BMI) untersucht. Die primären Endpunkte waren die Verschreibung von Antidepressiva, eine Gewichtszunahme von mehr als 5 % des Körpergewichts und der Übergang von Normalgewicht (BMI = 18 – 25) zu Übergewicht (BMI > 25) oder Fettleibigkeit (BMI > 30). Verschiedene Einflussfaktoren wie Alter, Geschlecht, Komorbiditäten, andere Medikation (z. B. Antipsychotika), Diäten oder Rauchen wurden in die Analysen miteinbezogen.

Ergebnisse: Zu Studienbeginn erhielten 13 % der Männer und 22,4% der Frauen Antidepressiva. Im zehnjährigen Beobachtungszeitraum war das Risiko für die Gruppe von Patienten, die Antidepressiva einnahmen, mit einer Odds Ratio (OR) von 1,21 signifikant erhöht (▶Abb. 1). Die Wahrscheinlichkeit der Gewichtszunahme war am höchsten in den ersten zwei Jahren und blieb über mindestens sechs Jahre erhöht. Bei Probanden, die initial ein normales Körpergewicht hatten, war das Risiko für die Entwicklung von Übergewicht mit einer OR von 1,29 erhöht. Identische Ergebnisse zeigten sich für den Übergang zwischen übergewichtigen und fettleibigen Probanden. Bei Einbeziehung der untersuchten Einflussfaktoren zeigten sich je nach Modulator unterschiedliche Gewichtszunahmen, aber durchgängig eine erhöhte Gewichtszunahme in der Antidepressivagruppe. Je nach Antidepressivum war die Gewichtszunahme unterschiedlich, am höchsten bei Mirtazapin.

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Assoziation verordneter Antidepressiva mit einer Gewichtszunahme von mehr als 5 % des Körpergewichts

© Gafoor Y et al. BMJ 2018; 361: k1951

Schlussfolgerung: Antidepressiva können langfristig das Risiko einer Gewichtszunahme erhöhen.

Kommentar von Nadine Dreimüller, Mainz

Die Indikation der verordneten Antidepressiva regelmäßig überprüfen

Es liegen schon viele Studien zur Einnahme von Antidepressiva und Veränderungen des Gewichts vor, hier zeigt sich ein sehr heterogenes Bild mit unterschiedlichen Veränderungen je nach gewähltem Antidepressivum. Diese Studie ist die erste, die den Langzeitverlauf des Gewichts unter antidepressiver Therapie untersucht. Der Zusammenhang zwischen der Einnahme von Antidepressiva und Gewichtszunahme zeigte sich durchgängig in vielen verschiedenen Populationsgruppen. Die stärkste Gewichtszunahme konnte in den ersten beiden Jahren der Behandlung festgestellt werden. Die Gewichtszunahme war am höchsten unter Mirtazapin. Problematisch bei der Beurteilung ist, dass die Depressionsschwere im Verlauf nicht miterfasst wurde, aber ein deutlicher Zusammenhang zwischen Gewichtszunahme und Depressionsschwere bekannt ist.

Als Empfehlung bleibt nur, regelmäßig die Indikation der verordneten Antidepressiva zu überprüfen, sie bei Möglichkeit abzusetzen und die Patienten bezüglich einer Gewichtsreduktion zu beraten.

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Dr. med. Nadine Dreimüller, Mainz