Fragestellung: Ist die Thrombektomie bei Patienten mit einem ischämischem Insult und dem Verschluss einer großen Arterie in der vorderen Zirkulation auch jenseits von sechs Stunden wirksam?

Hintergrund: Der Nutzen der endovaskulären Thrombektomie bei Patienten mit Verschlüssen der distalen A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media ist in der Zwischenzeit durch acht prospektive randomisierte Studien im Vergleich zur systemischen Thrombolyse im 4,5 Stundenzeitfenster belegt [1]. Die DAWN-Studie hatte gezeigt, dass die Thrombektomie auch in einem Zeitfenster bis zu 24 Stunden wirksam ist [2]. Die DEFUSE-3-Studie war allerdings zu einem Zeitpunkt begonnen worden, als die Ergebnisse der DAWN-Studie noch nicht bekannt waren.

Patienten und Methodik: Es handelte sich um eine multizentrische randomisierte offene Studie mit verblindeter Evaluierung der Endpunkte, in die Patienten in einem Zeitfenster zwischen 6 und 16 Stunden nach Beginn der Schlaganfallsymptomatik aufgenommen wurden. Einschlusskriterien waren ein Verschluss der distalen A. carotis interna oder der proximalen A. cerebri media, ein initiales Infarktvolumen bei der zerebralen Bildgebung von weniger als 70 ml und ein Verhältnis zwischen ischämischem Volumen in der Perfusionsbildgebung und dem Infarktvolumen von 1,8 oder mehr.

Die Patienten wurden entweder endovaskulär thrombektomiert oder mit der Standardtherapie auf der Stroke Unit behandelt. Der primäre Endpunkt war der Score auf der modifizierten Rankin-Skala. Die Studie begann im Mai 2016 und wurde im Mai 2017 vom Sicherheitskomitee aufgrund der besseren Wirksamkeit in der Interventionsgruppe abgebrochen.

Ergebnisse: Die endovaskuläre Therapie erfolgte bei 92 Patienten und 90 Patienten erhielten die konservative Therapie. Das mittlere Alter der Patienten betrug 70 Jahre und der mediane NIHSS-Score betrug 16. Bei etwa 50% der Patienten handelt es sich um einen Wake-up-Schlaganfall. 75% der Patienten erhielten eine CT-Perfusionsbildgebung und 25% ein Diffusions- und Perfusionskernspintomogramm. Das mediane Volumen des ischämischen Kerns betrug 9,5 ml und das Volumen der Perfusionsläsion 115 ml. Bei 40% der Patienten lag ein Karotisverschluss vor und bei 60% ein Mediaverschluss. Die mediane Zeit vom Beginn der Schlaganfallsymptome bis zur Bildgebung betrug zehn Stunden und die Zeit von Beginn der Angiografie bis zur Reperfusion 38 Minuten.

Die Odds Ratio für die Verbesserung auf der modifizierten Rankin Skala betrug 2,77 für die endovaskuläre Therapie mit einem 95%-Konfidenzintervall [KI] zwischen 1,63 und 4,70. Dieser Unterschied war mit einem p-Wert von ≤ 0,001 signifikant. Einen guten Outcome, definiert als ein Wert auf der modifizierten Rankin Skala zwischen 0 und 2, hatten 41 Patienten, entsprechend 45%, in der endovaskulären Therapiegruppe und 15 Patienten, entsprechend 17%, in der Therapiegruppe, die konservativ behandelt wurde.

Dieser Unterschied war mit einer Odds Ratio von 2,67 ebenfalls signifikant. Verstorben nach 90 Tagen waren 13 Patienten in der endovaskulären Gruppe und 23 in der medizinischen Therapiegruppe. Die Odds Ratio von 0,55 war signifikant. Symptomatische intrakranielle Blutungen waren gleich häufig. Die Rekanalisierungsquote nach 24 Stunden betrug 78% in der Thrombektomiegruppe und 18% in der Gruppe der Patienten, die konservativ behandelt wurden.

Schlussfolgerung: Die endovaskuläre Thrombektomie ist auch bei Patienten mit ischämischem Insult im Zeitfenster zwischen 6 und 16 Stunden wirksam. Die Patientenauswahl erfolgte hier durch Perfusions-CT oder Perfusions- und Diffusions-Kernspintomografie.

Kommentar von Hans-Christoph Diener Essen

Weiterer Beweis für ein größeres Thrombektomie-Zeitfenster

Die DEFUSE-3-Studie ist die zweite Studie, die den eindeutigen Beweis erbringt, dass eine Thrombektomie auch in einem Zeitfenster jenseits von sechs bis acht Stunden noch wirksam ist. Allerdings müssen die Patienten sehr sorgfältig ausgewählt werden. Im vorliegenden Fall geschah dies bei dem Großteil der Patienten über eine CT-Perfusionsbildgebung und bei etwa einem Viertel der Patienten über eine kernspintomografische diffusions- und perfusionsgewichtete Bildgebung. Insgesamt bleibt aber die Zahl der Patienten, die im Zeitfenster zwischen 6 und 24 Stunden zur Thrombektomie kommen, relativ gering, da es sich meist um schwere Schlaganfälle handelt, die rasch in die Stroke Unit aufgenommen oder verlegt werden.