Fragestellung: Der verlangsamende Effekt von Riluzol auf die Krankheitsprogression der ALS ist in wenigstens vier Studien reproduziert. Die Autoren stellten sich die Frage, ob dieser Effekt eher in frühen, mittleren oder späten Stadien der ALS auftritt.

Hintergrund: Riluzol ist seit den 1990er-Jahren das einzige krankheitsverlangsamende Medikament bei der ALS. Der Effekt beträgt etwa 3,5 Monate bei einer verbleibenden Lebenserwartung von einem Jahr. In den letzten Jahren scheint dieser Therapieeffekt der mechanistischen Hypothese zuzuordnen zu sein, dass die Propagation der Proteinaggregation bei neurodegenerativen Erkrankungen aktivitätsabhängig zu sein scheint [1].

Patienten und Methodik: In dieser retrospektiven Reanalyse der Studie, die zur Zulassung zu Riluzol führte [2], wurden die Originaldaten dahingehend analysiert, dass sie einem neuen klinischen System zugeordnet wurden, das die klinische Stadieneinteilung der ALS widerspiegeln soll. Von den analysierten Patienten hatten 237 Patienten 50 mg Riluzol pro Tag erhalten, 236 Patienten 100 mg Riluzol, 244 Patienten 200 mg Riluzol und 242 Patienten Placebo.

Ergebnisse: Wegen der damals benutzten Einschlusskriterien befand sich kein Patient im frühesten Stadium der ALS (Stadium I). Ausschließlich die Zeit, welche die Patienten im letzten Stadium der Erkrankung verbrachten, war verlängert.

Schlussfolgerung: Die Autoren folgern, dass aufgrund ihrer Ergebnisse Riluzol wohl das letzte Stadium der ALS verlängert und diese Befunde in einer prospektiven Studie untersucht werden sollten.

Kommentar von Albert C. Ludolph, Ulm

Mehr Daten sind nötig

Zunächst ist zu bemerken, dass der Ansatz, Therapieeffekte bei der ALS Stadien zuzuordnen, sowohl aufgrund von tierexperimentellen als auch von Daten beim Menschen folgerichtig und zu begrüßen ist. Allerdings gibt es zwei Einwände: Es wurden — dies räumen die Autoren auch ein — in der damaligen Zulassungsstudie keine frühen Patienten eingeschlossen. Daher ist diese wichtige Gruppe nicht untersucht. Zudem ist nicht klar, ob die Zeit, in der Patienten in Stadium IV sind, in etwa zeitgleich derjenigen ist, die Stadium I, II oder III einnehmen. Es besteht weiterhin ein Widerspruch zu experimentellen Daten, die zeigen, dass Aktivität (Riluzol ist bekanntlich ein Glutamatfreisetzungsblocker) die Propagation in allen Stadien neurodegenerativer Erkrankungen zu forcieren scheint. Also, ein sehr interessanter Ansatz, dessen Ergebnisse in der Zukunft noch methodisch besser unterlegt werden sollten.

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Prof. Dr. med. Albert C. Ludolph, Ulm