Fragestellung: Haben Patienten mit Migräne beziehungsweise Migräne mit Aura ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen?

Hintergrund: Eine Vielzahl von Studien legt nahe, dass Patienten mit Migräne und insbesondere mit einer Migräne mit Aura ein erhöhtes Risiko für Schlaganfälle haben. Die Arbeitsgruppe von Tobias Kurth aus Berlin hat darüber hinaus gezeigt, dass Frauen mit einer Migräne mit Aura auch ein etwas erhöhtes Risiko für andere vaskuläre Erkrankungen haben. Die nationale populationsbezogene Kohortenstudie aus Dänemark wollte diesen Zusammenhang nochmals untersuchen.

Patienten und Methodik: In Dänemark besteht ein nationales Gesundheitsregister, in dem alle hier geborenen Menschen erfasst werden. In diesem Register werden Erkrankungen, Krankenhausaufenthalte, Entlassdiagnosen, Diagnosen von Ärzten, die in der Praxis tätig sind, und verschriebene Medikamente erfasst.

Adelborg et al. analysierten die Daten von 151.032 Migränepatienten und 510.320 Menschen ohne Migräne, die bezüglich Alter, Geschlecht und Kalenderjahr vergleichbar waren. Für die einzelnen vaskulären Erkrankungen wurden adjustierte Hazard Ratios basierend auf einer Cox-Regressionsanalyse berechnet.

Ergebnisse: Von den Patienten mit Migräne hatten 16.993 eine Migräne ohne Aura und 13.076 eine Migräne mit Aura, bei den übrigen war der Migränestatus nicht bekannt. 70% der erfassten Patienten waren Frauen.

Für Menschen mit Migräne zeigte sich ein signifikant erhöhtes Risiko für die folgenden Erkrankungen: ischämischer Schlaganfall, zerebrale Blutung, venöse Thromboembolien, Myokardinfarkt sowie Vorhofflimmern.

Kein Zusammenhang bestand mit einer peripheren arteriellen Verschlusskrankheit oder einer Herzinsuffizienz.

Für die Krankheiten, bei denen ein Zusammenhang zwischen Migräne und einer vaskulären Erkrankung bestand, waren die adjustierten Hazard Ratios bei einer Migräne mit Aura höher als bei Migräne ohne Aura. Die Hazard Ratios für den Zusammenhang zwischen Migräne und vaskulärer Erkrankung betrug 1,49 für Myokardinfarkt, 2,26 für ischämischen Schlaganfall, 1,94 für hämorrhagischen Schlaganfall, 1,59 für venöse Thromboembolien sowie 1,25 für Vorhofflimmern.

Der Zusammenhang war auch statistisch gesehen ausgeprägter für Frauen als für Männer. Auch wenn für andere Risikofaktoren wie Rauchen oder Übergewicht korrigiert wurde, blieb der Zusammenhang zwischen Migräne und vaskulären Erkrankungen bestehen.

Schlussfolgerungen: In einer dänischen populationsbezogenen Kohortenstudie mit über 50.000 Patienten mit Migräne und über 500.000 Kontrollen ergab sich ein eindeutiger Zusammenhang zwischen Migräne und vaskulären Erkrankungen, sowohl im arteriellen wie im venösen Bereich.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

Die absolute Risikoerhöhung ist sehr gering

Die dänische Studie repliziert die Ergebnisse anderer großer Register und Kohortenstudien und zeigt, dass ein Zusammenhang zwischen einer Migräne und vaskulären Erkrankungen besteht. Der ist besonders ausgeprägt bei Frauen, die an einer Migräne mit Aura leiden. Neu ist hier die Beobachtung, dass auch das Risiko für venöse Thromboembolien und Vorhofflimmern erhöht ist. Diese Kohortenanalyse hat wie die früheren Untersuchungen durchaus Konsequenzen, da das Risiko bei Frauen, die eine Migräne mit Aura haben und gleichzeitig rauchen oder übergewichtig sind, noch weiter erhöht ist. Die Tatsache, dass das erhöhte Risiko auch weiter besteht, wenn für vaskuläre Risikofaktoren korrigiert wird, würde sehr dafür sprechen, dass es sich bei Patienten mit Migräne um eine generelle Störung der Endothelfunktion handeln könnte. Für den klinischen Alltag ist allerdings relevant, dass die absolute Risikoerhöhung sehr gering ist.