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Prof. Dr. med. Klaus Mann

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Prof. Dr. med. Klaus Lieb

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat im Urteil vom 24. Juli 2018 die verfassungsrechtlichen Anforderungen an die Fixierung von Patienten im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung formuliert [1]. Kern des Urteils ist, dass eine Fixierung nur als letztes Mittel angewandt werden darf, wenn mildere Mittel nicht (mehr) in Betracht kommen. Dies entspricht dem ethischen Anspruch unserer Fachdisziplin und ist in den existierenden Leitlinien bezüglich der Anwendung von Zwangsmaßnahmen entsprechend formuliert.

Das BVerfG hat jedoch die verfahrensmäßigen Anforderungen gegenüber der derzeitigen Praxis erheblich verschärft. Am gravierendsten ist die Vorgabe, dass eine nicht nur kurzfristige, das heißt länger als etwa eine halbe Stunde andauernde 5-Punkt- oder 7-Punkt-Fixierung richterlich angeordnet werden muss. Das BVerfG begründet dies mit der besonderen Eingriffsintensität dieser Maßnahme, die weit über die Freiheitsbeschränkung durch die Unterbringung auf einer geschlossenen psychiatrischen Station hinausgeht. Nach Auffassung des BVerfG ist eine solche Freiheitsentziehung aufgrund der vollständigen Aufhebung der Bewegungsfreiheit und völligen Abhängigkeit vom Pflegepersonal daher nicht durch eine bereits erfolgte richterliche Unterbringungsanordnung gedeckt, sondern bedarf unverzüglich einer erneuten richterlichen Entscheidung. Weitere vom BVerfG formulierte Verfahrensanforderungen sind die Anordnung und Überwachung einer Fixierungsmaßnahme durch einen Arzt und eine angemessene Dokumentation, im Falle einer 5- oder 7-Punkt-Fixierung ist zudem eine Eins-zu-eins-Betreuung erforderlich. Darüber hinaus ist der Betroffene nach Beendigung der Fixierung auf die Möglichkeit hinzuweisen, die Zulässigkeit der Maßnahme gerichtlich überprüfen zu lassen.

Da die Vorgaben des BVerfG im klinischen Alltag unmittelbar umzusetzen sind, wird dies erhebliche Auswirkungen auf die Anwendung von Zwangsmaßnahmen in psychiatrischen Einrichtungen haben. Insbesondere durch die vorbeugende Kontrolle von Fixierungsmaßnahmen durch eine unabhängige und neutrale Instanz in Form des Richtervorbehalts wird die Sicherung der Grundrechte untergebrachter Patienten zweifelsohne gestärkt. Die hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen werden dazu führen, dass die Indikation zu einer Fixierung noch sorgfältiger als bisher geprüft werden muss. Explizit führt das BVerfG aus, dass die untergebrachte Person vor allem davor geschützt werden muss, „dass ihre Grundrechte etwa aufgrund von Eigeninteressen der Einrichtung oder ihrer Mitarbeiter — insbesondere bei Überforderungen, die im Umgang mit oft schwierigen Patienten auftreten können —, bei nicht aufgabengerechter Personalausstattung oder aufgrund von Betriebsroutinen unzureichend gewürdigt werden“.

Vor diesem Hintergrund sind die psychiatrischen Einrichtungen aufgefordert, eine quantitativ und qualitativ angemessene Personalausstattung zu gewährleisten sowie nach strukturellen und organisatorischen Verbesserungsmaßnahmen zu suchen. Das Urteil stärkt dabei die Position der Einrichtungen bei Budgetverhandlungen mit den Kostenträgern.

Trotz des zu erwartenden Mehraufwands und wenngleich die praktische Umsetzung der verfassungsrechtlichen Vorgaben noch nicht im Einzelnen geklärt ist, ist das Urteil des BVerfG aus psychiatrischer Sicht sehr zu begrüßen. Es stärkt die Grundrechte untergebrachter Patienten, schafft mehr Rechtssicherheit für die Mitarbeiter und bietet die Chance, die Versorgung vor allem schwerkranker Patienten in psychiatrischen Einrichtungen nachhaltig zu verbessern.