Hintergrund und Fragestellung: In der Studie wurde folgende Frage untersucht: Gibt es Unterschiede im Risiko gastrointestinaler Blutungen bei verschiedenen nicht Vitamin-K-abhängigen oralen Antikoagulanzien (NOAK) und können Protonenpumpenhemmer (PPI) das Risiko oberer gastrointestinaler Blutungen unter einer NOAK-Therapie reduzieren?

Standardtherapie zur Schlaganfallvorbeugung bei Vorhofflimmern ist eine orale Antikoagulation mit Vitamin-K-Antagonisten (VKA) wie Warfarin oder NOAK. Antikoagulierte Patienten haben ein erhöhtes Risiko für gastrointestinale Blutungen. In den großen randomisierten Studien war ein Vergleich der einzelnen NOAK bezüglich oberer gastrointestinaler Blutungen nicht möglich, da die Studienpopulationen ein unterschiedliches Blutungsrisiko hatten. Außerdem ist bisher nicht gut untersucht, ob durch die Gabe von PPI das Risiko oberer gastrointestinaler Blutungen unter oraler Antikoaguklation reduziert werden kann. Zur Beantwortung dieser Frage ist man auf die Daten von großen Versicherungsregistern angewiesen.

Patienten und Methodik: Es handelt sich um eine retrospektive Kohortenstudie im Medicare-System in den USA, die zwischen 2011 und 2015 durchgeführt wurde. In den USA werden Menschen im Alter über 65 Jahren über das Medicare-System versichert. Es wurden Krankenhausaufnahmen wegen oberer gastrointestinaler Blutungen unter Apixaban, Dabigatran und Rivaroxaban oder Warfarin mit oder ohne PPI-Einnahme erfasst. Berechnet wurden die adjustierten Inzidenzraten und der Risikounterschied.

Ergebnisse: In die Studie gingen Ergebnisse von 1.643.123 Patienten ein (mittleres Alter 76,4 Jahre). 56 % der behandelten Patienten waren Frauen. Bei 75 % der Patienten erfolgte die Antikoagulation aufgrund von Vorhofflimmern. Die Inzidenz einer Krankenhausaufnahme wegen oberer gastrointestinaler Blutungen bei Personen, die keine PPI einnahmen, betrug 115 pro 10.000 Patientenjahre. Erfasst wurden 1.278 Blutungen unter Rivaroxaban, 379 Blutungen unter Apixaban, 629 Blutungen unter Dabigatran und 4.933 Blutungen unter Warfarin. Die entsprechenden Inzidenzraten betrugen 144 pro 10.000 für Rivaroxaban, 37 pro 10.000 für Apixaban, 120 pro 10.000 für Dabigatran und 113 pro 10.000 für Warfarin. Das Risiko einer oberen gastrointestinalen Blutung war für Rivaroxaban signifikant höher als für Apixaban, Dabigatran und Warfarin. Innerhalb der NOAK hatte Apixaban das geringste Risiko für obere gastrointestinale Blutungen.

Unter der Einnahme von PPI war das Risiko für eine gastrointestinale Blutung um 44 % geringer. Dies galt für alle Antikoagulanzien.

Schlussfolgerungen der Autoren: Bei Patienten unter oraler Antikoagulation ist die Inzidenz einer Krankenhausaufnahme wegen einer oberen gastrointestinalen Blutung am höchsten für Patienten, die mit Rivaroxaban behandelt werden, und am niedrigsten für Patienten, die Apixaban erhalten. Bei allen oralen Antikoagulanzien reduziert die begleitende Einnahme eines PPI das Risiko für das Auftreten von gastrointestinalen Blutungen signifikant.

Kommentar von Hans-Christoph Diener, Essen

„Risikogruppen begleitend mit PPI behandeln“

Diese große Krankenkassenanalyse aus den USA mit rund 1,6 Millionen Teilnehmern zeigt, dass, ähnlich wie für schwerwiegende Blutungen insgesamt, in der Gruppe der NOAK Rivaroxaban mit einem höheren Blutungsrisiko assoziiert ist als Apixaban und Dabigatran. Innerhalb der Gruppe der NOAK weist Apixaban das beste Sicherheitsprofil im Hinblick auf die Vermeidung oberer gastrointestinaler Blutungen auf.

Diese Datenbankanalyse zeigt aber auch, dass ganz offenbar die begleitende Therapie mit einem PPI das Risiko von gastrointestinalen Blutungen unter oraler Antikoagulation reduzieren kann. Das gilt ähnlich wie bei der Einnahme von Acetylsalicylsäure vor allem für Patienten im Alter über 75 Jahren und solche mit anderen Risikofaktoren für gastrointestinale Blutungen.

PPI sollten daher insbesondere bei diesen Risikogruppen von antikoagulierten Patienten als Begleitmedikation eingesetzt werden.

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Prof. Dr. Hans-Christoph Diener