Hintergrund und Fragestellung: Für die bekannte Beziehung zwischen dem Auftreten einer akuten Pankreatitis und nachfolgender Diagnose eines Pankreaskarzinoms gibt es mehrere Erklärungen. Hierzu gehören

  • die erste Manifestation der Tumorerkrankung als Pankreatitis,

  • methodische Grenzen in der Differenzialdiagnose,

  • Entzündung/Tumor bei einem raumfordernden Prozess im Pankreas sowie

  • gemeinsame Risikofaktoren für Pankreatitis und Pankreaskarzinom.

Limitationen inkongruenter epidemiologischer Daten zum Risiko eines Pankreaskarzinoms aufgrund akuter Pankreatitiden sollten in der vorliegenden Studie durch die Größe der Population, einen längeren Follow-up und die Berücksichtigung unterschiedlicher Typen akuter Pankreatitiden überwunden werden.

Patienten und Methodik: In der bevölkerungsbasierten Kohortenstudie wurde das Risiko für ein Pankreaskarzinom bei zwischen 1997 und 2013 wegen einer akuten Pankreatitis hospitalisierten Patienten mit dem korrespondierenden Risiko in einer gematchten pankreatitisfreien Population auf der Basis von Daten des Schwedischen Nationalregisters verglichen. Bei 49.749 Patienten mit akuter Pankreatitis und 138.750 gematchten Individuen ohne akute Pankreatitis erfolgte ein Follow-up über 1.192.134 Personenjahre (Median 5,3 Jahre).

Ergebnisse: Bei 769 Individuen trat ein Pankreaskarzinom auf. Bei 536 (69,7 %) lag in der Vorgeschichte eine akute Pankreatitis vor. Hierbei war das Risiko in den ersten Jahren nach der akuten Pankreatitis substanziell erhöht. Das Risiko nahm über die Zeit wieder ab, bis es nach mehr als zehn Jahren dem der pankreatitisfreien Population entsprach. Bei nicht gallensteinbedingten Pankreatitiden war das Risiko erhöht und auch mit steigender Zahl rezidivierender Pankreatitiden nahm das Karzinomrisiko zu. Die Größe und die Datenqualität werden als Stärke der Studie hervorgehoben. Die Ergebnisse bestätigen oder ergänzen publizierte Beobachtungen mit entsprechenden Resultaten.

Schlussfolgerungen der Autoren: Der Befund des erhöhten Pankreaskarzinomrisikos in der ersten Zeit nach einer akuten Pankreatitis und mit rezidivierenden akuten Pankreatitiden impliziert die Möglichkeit verzögerter Karzinomdiagnosen. Dies legt die frühere Anwendung von kontrastverstärkter Computer- (CT) oder Magnetresonanztomografie (MRT) auch bei akuter Pankreatitis und besonders bei höherem Risiko in der Altersgruppe 60–73 Jahre nahe.

Kommentar von Gerald Klose, Bremen

„Pankreaskarzinom auch bei akuter Pankreatitis nicht übersehen“

Evidenzbasierte Empfehlungen zu Diagnose und Therapie akuter Pankreatitiden behandeln schwerpunktmäßig Ätiologie, Schweregrad und hiervon abhängige Differenzialtherapien der akuten Erkrankung [1]. Bei der Bildgebung steht die Sonografie an erster Stelle und die Priorität von CT und MRT liegt in der Bewertung von Nekrosen. Im Gegensatz zu chronischer Pankreatitis ist eine AWMF-Leitlinie mit Berücksichtigung der akuten Pankreatitis erst vor kurzem als angemeldet aufgeführt.

Die Relevanz der referierten Studie liegt in der weiteren Klärung von Beziehungen zwischen akuten Pankreatitiden und Pankreaskarzinom. Hierbei gilt es vorrangig, ein Versäumnis zeitgerechter Diagnose eines Pankreaskarzinoms nicht nur bei chronischer oder hereditärer Pankreatitis, sondern auch bei dem klinischen Bild einer akuten Pankreatitis zu vermeiden. Die Mediziner sehen sich im Einklang mit den Ergebnissen einer aktuellen ähnlichen Analyse aus Dänemark [2]: Hier ergab sich zwar über zehn Jahre insgesamt ein zweifach höheres Pankreaskarzinomrisiko, aber ohne Berücksichtigung der unterschiedlichen Typen akuter Pankreatitiden.

In Arzthaftpflichtfragen spielte die Annahme von als im Zusammenhang mit Pankreatitiden fehlerhaft übersehenem Pankreaskarzinom eine Rolle. Ein weiterer Stellenwert der Studie liegt in der Erfassung von Inflammation als pathogenetischem Faktor von Karzinomen.

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Dr. med. Gerald Klose