Der Verband Forschender Arzneimittelhersteller (vfa) startet zuversichtlich ins neue Jahr: Rund 30 Innovationen für den Arzneimittelmarkt werden für 2019 erwartet — bei einem Zehnjahresschnitt von 32 neuen Medikamenten pro Jahr eine realistische Prognose (▶infobox).

Wie in den Jahren zuvor wird ein Löwenanteil der neuen Arzneimittel auch in 2019 wieder Patienten in der Onkologie zugutekommen. In diesen Bereich falle etwa jedes dritte neue Präparat, das in den kommenden Monaten seine Zulassung erwarten darf, schätzt der vfa.

Entitätenunabhägige Therapie vor Zulassung?

Dabei könnte es — wie in 2018 mit der CAR(„chimeric antigen receptor“)-T-Zelltherapie — erneut (ins Europa) eine Premiere geben: Nämlich eine Krebstherapie, die nicht entitätenspezifisch angewandt wird, sondern entitätenübergreifend bei soliden Tumoren mit bestimmten Mutationen.

Larotrectinib blockiert einen ganz bestimmten molekularen Defekt, der in Tumorzellen vorkommen kann, nämlich ein Fusionsprotein der Tropomyosinrezeptor-Kinase (TRK). Fusionsproteine treten immer wieder als „Treiber“ bösartiger Tumoren in Erscheinung. Mit dem TRK-Inhibitor können langfristig Remissionen erzielt werden, haben Studien ergeben, in denen Larotrectinib bei unterschiedlichen TRK-Fusionstumoren eingesetzt wurde [Drilon A et al. N Engl J Med. 2018;378(8):731-9].

Die Studienteilnehmer waren zwischen vier Monate und 76 Jahre alt und hatten etwa Malignome der Speicheldrüse, Sarkome oder Schilddrüsen-Tumoren. Larotrectinib wurde bereits im November 2018 in den USA zugelassen.

„Dass erstmals in der EU für ein Krebsmedikament ein genstatt organbezogenes Anwendungsgebiet festgelegt werden könnte, zeigt den Erkenntnisfortschritt der Krebsforschung auf molekularer Ebene“, stellt Birgit Fischer, Hauptgeschäftsführerin des vfa, die Besonderheit dieser neue Therapieoption heraus.

Für viele Patienten bedeute dies, dass neue Behandlungsmöglichkeiten sie schneller als früher erreichen können. Denn es würde lange Zeit beanspruchen, für jedes Organ, in dem entsprechend mutierte Tumore auftreten können, eigene Studien durchzuführen.

Neue Chancen mit Ibalizumab

Auch im Bereich der Infektiologie könnte es eine Premiere geben. Denn hier ist ein monoklonaler Antikörper für die Therapie HIV-Infizierter in Sicht: Ibalizumab bindet an den CD4-Rezeptor und hindert das HI-Virus am Eintritt in die Zelle. Über den CD4-Rezeptor bindet bekanntermaßen das HI-Virus an T-Zellen und Makrophagen und infiziert diese.

Ibalizumab wurde in einer Studie getestet, an der Patienten mit multiresistenten HI-Viren teilgenommen haben. Der Wirkstoff wurde intravenös zusätzlich zur bereits laufenden und nach einer Woche optimierten Therapie verabreicht.

Nach 25 Wochen hatten 43 % der Studienteilnehmer eine Suppression der Viruslast unterhalb der Nachweisgrenze von 50 Viruskopien pro Milliliter [Emu B et al. N Engl J Med. 2018;379(7): 645-54] Ibalizumab wurde bereits im März 2018 in den USA zugelassen.

Als weiteren möglichen Zuwachs in der Infektiologie sieht der vfa neue Antibiotika, die auch bei Keimen mit Resistenzen gegen einige ältere Arzneien wirksam sind. Zwei davon, nämlich das Kombinationspräparat Meropenem/Vaborbactam und das Tetracyclin Eravacyclin sind schon zugelassen.

Ebenfalls zugelassen, aber noch nicht eingeführt, sind im Bereich der Infektiologie auch Doravirin und die Kombination Doravirin/Lamivudin/Tenofovirdisoproxilfumarat zur HIV-Therapie.

Potenzielle Innovationen

Beispiele für weitere Arzneien, die vom vfa als potenzielle Innovationen in 2019 genannt werden, sind:

  • Medikamente für Patienten, deren Blutgerinnung aufgrund eines Mangels an Gerinnungsfaktor VIII, an von-Willebrand-Faktor oder an Thrombozyten gestört ist,

  • weitere Arzneien zur Migräne-Prophylaxe, und natürlich auch

  • Orphan Drugs. Erwartet wird hier zum Beispiel eine Gentherapie bei Leberscher Amaurose, einer erblichen Netzhauterkrankung. Die Gentherapie mit Voretigen-Neparvovec wurde im November 2018 zugelassen für Kinder und Erwachsene mit Mutationen in beiden Kopien des RPE-65-Gens, die über ausreichend lebensfähige Netzhautzellen verfügen.