Mit Venetoclax wurde ein selektiver und potenter Inhibitor des bei der chronischen lymphatischen Leukämie (CLL) überexprimierten antiapoptotischen BCL2-Proteins entwickelt. „Venetoclax ist eine der bei der CLL aktivsten Substanzen und wird bei vorbehandelten Patienten als Monotherapie oder kombiniert mit einer Chemotherapie eingesetzt“, erinnerte Dr. Piers Blombery, Melbourne, Australien. Die Rate kompletter Remissionen liegt bei 20–50 %, die mediane Remissionsdauer bei 33 Monaten.

Welche molekularen Mechanismen einem Progress unter Venetoclax zugrunde liegen, ist bislang weitgehend unbekannt. Blomberys Arbeitsgruppe analysierte daher Tumorproben von 15 progredienten CLL-Patienten vor und nach Venetoclax-Monotherapie mittels Amplicon-Sequenzierung auf genomische Veränderungen [Blomberry P et al. ASH. 2018; Abstr LBA-7]. Bei vier Patienten wurde eine einzelne heterozytgote Nukleotidvariante in Exon 2 des BCL2-Gens nachgewiesen: Es handelt sich um die Mutation Gly101Val, die erst nach Progress unter Venetoclax, nicht aber vor Therapiebeginn vorhanden war. Blombery zufolge handelt es sich um eine späte Mutation im Therapieverlauf, die bis zu 25 Monate vor einem etablierten Progress auftritt. Die Rezidivmutation liegt gegenüber der Bindungsstelle von Venetoclax und führt zum Austausch der kleinen Aminosäure Glycin durch das größere und sperrige Valin. Dadurch verringert sich die Bindungsaffinität der Substanz an BCL2 um das 180-Fache, sodass die proapoptotischen Proteine BAX und BAK nicht mehr verdrängt werden können. In präklinischen Untersuchungen erwiesen sich Zelllinien, die die BCL2-Mutation Gly101Val überexprimieren, als resistent gegenüber Venetoclax. In Gegenwart des BCL2-Inhibitors haben mutierte Zellen gegenüber Wildtyp-Zellen einen ausgeprägten Wachstumsvorteil. Die Mutation tritt spezifisch nur im Verlauf einer Venetoclax-Therapie auf: Bei genetischen Analysen von rund 400 Venetoclax-naiven Patienten mit CLL und Patienten mit anderen B-Zell-Neoplasien wurde in keinem Fall Gly101Val identifiziert. Blombery wies darauf hin, dass neben der Mutation Gly101Val gleichzeitig weitere Resistenzmechanismen wie die Hochregulation von BCL-xL für einen Progress unter Venetoclax verantwortlich sein können.