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© Pr. R. Abelanet / CNRI / Science Photo Library

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Prof. Dr. Erhard Hiller

Medizinisches Zentrum für Hämatologie und Onkologie München MVZ GmbH Erhard.Hiller@gmx.de

© E. Hiller, München

Amyloidosen sind seltene Proteinerkrankungen. Durch Konformationsänderung von Vorläuferproteinen kommt es über die Ausbildung präfibrillärer Aggregate im Körper zur Ablagerung unlöslicher extrazellulärer Amyloidfibrillen. Das wiederum kann betroffene Organe, z. B. Herz oder Nieren, progredient schädigen.

Das Spektrum der auslösenden Mechanismen und klinischen Manifestationen ist groß und variabel. Zu den häufigsten und klassische Befunden gehören die Herzinsuffizienz durch Myokardbeteiligung und das nephrotische Syndrom durch eine Nierenbeteiligung. In Lehrbüchern werden oft die Makroglossie und periorbitale Hautblutungen als klassische pathognomonische Manifestationen abgebildet; allerdings treten diese Manifestationen nur bei 10–15 % der Patienten in Erscheinung.

Paraproteinämien als Warnsignal

Liegt als Grundkrankheit eine Paraproteinämie bzw. ein multiples Myelom vor, wird der Hämatologe bzw. der erfahrene Kliniker bei einem nephrotischen Syndrom sicher auch eine Amyloidose als auslösende Ursache abwägen. Nun ist aber die Amyloidose eine sehr seltene Erkrankung. Nach Angaben von Timon Hansen und Kollegen ist von nur etwa 800 Neuerkrankungen in Deutschland pro Jahr auszugehen, wie sie im Artikel „Amyloidose: Einführung und Diagnostik“ [Hansen T et al. InFo Hämatologie + Onkologie. 2018;22(1-2):10-3] in diesem Heft schreiben. Seltene Erkrankungen wie die Amyloidose, die man noch nie oder zuletzt vor Jahren gesehen hat, werden dann auch oft bei den diagnostischen Überlegungen ausgeklammert — insbesondere dann, wenn sich die Erkrankung außerhalb der Nieren oder des Myokards manifestiert. So wird häufig die Amyloidose als mögliche Ursache einer Polyneuropathie oder orthostatischen Hypotension nicht erkannt und neurologische Befunde fälschlicherweise als z. B. Nebenwirkungen von Vincaalkaloiden, Platinsalzen oder Taxanen interpretiert.

Die gut gegliederten und verständlichen Übersichtsartikel in diesem Heft — „Amyloidose: Einführung und Diagnostik“ und „Prognose und Therapie der AL-Amyloidose“ [Hansen T et al. InFo Hämatologie + Onkologie. 2018; 22(1-2):14-9] — sollten helfen, vergessenes bzw. fragmentarisches Wissen wieder aufzufrischen. So sollte immer bei Patienten mit Paraproteinämien ein Warnsignal ertönen, das an die Möglichkeit einer Amyloidose erinnern soll. Hansen und Kollegen empfehlen daher auch, Patienten mit monoklonalen Gammopathien und pathologischem Leichtketten-Quotienten durch jährliche Bestimmung von NT-proBNP („N-terminales pro brain natriuretic peptide“]) und Albuminurie im 24h-Sammelurin zu screenen.

Diagnostischer Klassiker immer noch unerlässlich

Im Verdachtsfall Amyloidose müssen Gewebsbiopsien nicht zwangsläufig aus den betroffenen Organen, etwa dem Myokard oder der Niere, gewonnen werden. Sie können anstelle dessen auch aus leichter zugänglichen Bereichen wie Mundschleimhaut, Duodenum oder Bauchfett entnommen werden. Hansen und Kollegen geben an, dass Biopsien in diesen Geweben in 80 % der Fälle zur richtungsweisenden Diagnose führen können.

In meinem ersten klinischen Ausbildungsjahr in der Universitätsklinik Tübingen wurde bei jedem Patienten mit Paraproteinämie eine Biopsie der Rektumsschleimhaut durchgeführt und nachfolgend das gewonnene Gewebe einer Kongorotprobe sowie dem Nachweis der Doppelbrechung im Polymerisationsmikroskop unterzogen. Warum? Der Vorgänger des damaligen Lehrstuhlinhabers war Professor Hans-Hermann Bennhold. Dieser hatte Jahre zuvor die Kongorotprobe — auch Bennholdsche Eiweißprobe genannt — zum Nachweis der Amyloidose entdeckt, beschrieben und in die Klinik eingeführt. Bei der Lektüre des Einführungsartikels von Hansen und Kollegen war ich überrascht, dass auch heute noch, die Kongorotprobe und nachfolgend die „apfelgrüne“ Doppelbrechung im Polymerisationsmikroskop die primäre diagnostische Maßnahme darstellt.

Die weitere Amyloidsubtypisierung sollte dann jedoch bei einem Referenzpathologen eines entsprechenden Amyloidosezentrums erfolgen, denn die Therapie richtet sich nach der zu Grunde liegenden Erkrankung.

Den beiden Artikeln zur Amyloidose-Therapie („Prognose und Therapie der Amyloidose“ und „Neuere pharmakologische Interventionen bei Leichtketten-Amyloidose“ [Hegenbart U, Schönland S. InFo Hämatologie + Onkologie. 2018;22(1-2):20-1]) lässt sich entnehmen, dass es heute eine Reihe von (neueren) therapeutischen Strategien gibt. Diese führen zu einem deutlich verbesserten Therapierfolg im Vergleich zu der Zeit vor der Jahrtausendwende, als uns nur Melphalan zur Verfügung stand. Damals ging man davon aus, dass unter Melphalan das Leben allenfalls um wenige Monate verlängert werden könnte. Da heute die Therapieoptionen deutlich besser sind, ist es wichtig, diese möglichst früh einzusetzen. Dies ist aber nur dann möglich, wenn man bei bestimmten klinischen Konstellationen auch früh an die Amyloidose gedacht hat.