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„Pflegepersonaluntergrenzen in Krankenhäusern — eine sinnvolle Maßnahme, die mal wieder keiner bezahlen will.“

Dr. med. Michael Pieper (Chefredakteur) Facharzt für Orthopädie/Unfallchirurgie, Rheumatologie

Viel heiße Luft im Sommer 2018. Bei der Absonderung derselben wollten einige Gesundheitspolitiker und Experten mittun. So gab sich auch Bundesgesundheitsminister Spahn die Ehre. Im Interview mit dem Ärzteblatt spricht er immer von „wir“. Pluralis majestatis? Man könnte anhand seiner Aussagen auf den Gedanken kommen. Spahn gestaltet die Medizin in Deutschland! Zitat: „Die Menschen müssen erkennen, dass Entscheidungen des Gesetzgebers ihren Alltag tatsächlich verbessern!“ Und die Ärzte? Die bekommen laut Spahn: „den Zugang zu 90 % der Versicherten als potenzielle Patienten“. Was glaubt die Bevölkerung? In einer repräsentativen Umfrage 2018 des Marktforschungsinstituts Toluna meinen von 1.000 Bundesbürgern 70 %, Gesundheitspolitiker hätten keine Fachkompetenz. Bingo, voll ins Schwarze!

Die Tendenz der Regierung zur planwirtschaftlichen Gestaltung des Gesundheitswesens wird vom Sachverständigenrat unterstützt. Die Diktion lässt keinen Zweifel: Planung, welche Praxen wo gebraucht werden, Planung eines bedarfsgerechten Angebots, für die Krankenhäuser wird eine leistungsorientierte Planung anstelle der bettenorientierten vorgeschlagen, Zentralisierung der Notfallversorgung, gesetzgeberische Maßnahmen zur sektorenübergreifenden Versorgung, zwingende Einführung eines Zweitmeinungsverfahrens vor Wirbelsäulenoperationen. Hat in der Geschichte jemals eine Planwirtschaft funktioniert? Nur der Bürokratieaufwand — der steigt mit jeder Idee, der umgehend ein Gesetz hinterher geworfen wird, exponentiell.

Fast im gleichen Atemzug moniert das Vorstandsmitglied der KBV, Dr. Thomas Kriedel, eine überbordende Verwaltungstätigkeit in den Arztpraxen. Allein das Terminservice- und Versorgungsgesetz werde mit der Vielzahl regulatorischer Vorgaben den Verwaltungsaufwand weiter erhöhen. Kriedel fordert einen Bürokratieabbau um 25 %. Dadurch würden den Patienten pro Jahr 13,5 Millionen Stunden ärztlicher Tätigkeit mehr zugutekommen.

Und was gab‘s sonst noch diesen Sommer? Die üblichen Geldstreitereien zwischen der deutschen Krankenhausgesellschaft und der gesetzlichen Krankenversicherung, diesmal die Pflegepersonaluntergrenzen betreffend. Eine sinnvolle Maßnahme, die mal wieder keiner bezahlen will.

Krankmachende Folgen hat das Profitstreben der Pharmaindustrie. Da kaufen renommierte Großunternehmen ihre Zutaten aus irgendwelchen Hinterhofklitschen in China und Indien und mischen sie mit fatalem Ergebnis in ihre teuren Markenerzeugnisse. Zumindest eine hinreichende Kontrolle muss man von diesen so sehr auf ihre wissenschaftliche Reputation bedachten Konzernen erwarten. Aber wenn das Geld im Beutel klingelt ... Aktuell sind Verfahrensmängel bezüglich der erforderlichen Sterilität bei dem italienischen Hersteller thiopentalhaltiger Präparate Lampugnani Pharmaceutici SPA aufgetreten, Bezugsquelle der pharmazeutischen Unternehmen Rotexmedica und Inresa in Deutschland.

Und die bayerische Wissenschaftministerin Kiechle, ehemalige Direktorin der Frauenklinik der TU in München, pries einen Biomarker-Test auf Brustkrebs an und vergaß, ihre Beteiligung an der Herstellerfirma des Tests zu erwähnen. Mal ganz abgesehen davon, dass Fachverbände den Test hierzulande nicht empfehlen und das IQWiG ihn aufgrund der bestehenden dünnen Datenlage nicht analysieren und bewerten konnte.

Für manchen war der Sommer eben zu heiß.

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