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„Ergänzen mit Erweitern“ und „Abziehen mit Entbündeln“ – Eine explorative Studie zu spezifischen Fehlern und zum Verständnis des Algorithmus

Two Different Subtraction Algorithms—An Explorative Study Examining Typical Errors and Conceptual Understanding

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Zusammenfassung

Für die schriftliche Subtraktion gibt es verschiedene Verfahren, die sich in der Art der Differenzbildung und der Erklärung des Stellenübergangs unterscheiden. In der Diskussion über die Frage nach dem zu wählenden Verfahren wird – je nach Zielsetzung des Unterrichts – neben der Fehleranfälligkeit eines Verfahrens auch das Verständnis des Algorithmus als Entscheidungskriterium einbezogen. Um bzgl. der Verfahren „Abziehen mit Entbündeln“ bzw. „Ergänzen mit Erweitern“ die Erkenntnislage zu spezifischen Schwierigkeitsmerkmalen in Aufgaben und Fehlermustern sowie zum Verständnis zu verbessern, wurde eine explorative Studie durchgeführt. Mithilfe eines Tests mit schriftlich zu rechnenden Subtraktionsaufgaben sowie Aufgaben, in denen das verwendete Verfahren beschrieben und begründet werden sollte, wurden 6 Klassen je Verfahren „Abziehen mit Entbündeln“ (n = 113) und „Ergänzen mit Erweitern“ (n = 109) untersucht. Herausgearbeitet wurden verfahrensspezifische Fehlermuster und Schwierigkeitsmerkmale, z. B. mehrere Übergänge hintereinander für das „Abziehen mit Entbündeln“ oder „Minuend kleiner Subtrahend“ für das „Ergänzen mit Erweitern“. Bei der Auswertung der Aufgaben zum Verständnis auf Basis eines neu entwickelten differenzierten Kategorienschemas zeigte sich, dass das Entbündeln besser begründet erklärt werden konnte als das Erweitern. Die Ergebnisse der Studie können als Grundlage für die Erstellung eines ausbalancierten Testinstruments dienen, das für verfahrensvergleichende Studien eingesetzt werden kann.

Abstract

There are different ways to carry out written subtraction. The algorithms differ in determining the difference between minuend and subtrahend and in crossing the tens boundary. In the discussion to deliberate out, which procedure has to be chosen, the error-proneness of a procedure and children’s understanding of the algorithm are involved as decision criteria—depending on the aims of instruction. To improve the knowledge regarding specific patterns in wrong solutions and error sources and children’s understanding for “subtraction with regrouping” and “indirect addition with equal addition” an explorative study was conducted. 6 classes per procedure “subtraction with regrouping” (n = 113) and “indirect addition with equal addition” (n = 109) were examined through a test with written subtraction tasks and tasks to describe and explain the used procedure. We found specific patterns in wrong solutions and error sources, e. g. crossing the tens boundary several times in one task for “subtraction with regrouping” or “minuend smaller than subtrahend” for “indirect addition with equal addition”. The analysis of the tasks concerning children’s understanding based on a new developed detailed coding scheme showed that children could explain regrouping much better than equal addition. Our findings can be used as basis for the development of a balanced test instrument for studies comparing the procedures.

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Abb. 1
Abb. 2
Abb. 3
Abb. 4
Abb. 5
Abb. 6

Notes

  1. In der Mathematikdidaktik wird üblicherweise von „Stellenübertrag“ und dazu analog „Übertragstechnik“ gesprochen. Diese Bezeichnung passt zum schriftlichen Additionsalgorithmus, wenn an einer Stelle die Summe gleich oder größer ist als die Grundzahl des verwendeten Stellenwertsystems und somit ein Übertrag in die nächste Spalte bzw. Bündelungseinheit erfolgt. Beim Subtraktionsalgorithmus erscheint die Bezeichnung hingegen mindestens beim Entbündeln und beim Erweitern als unzutreffend, denn es wird notiert, dass aus der nächsten Spalte etwas weggenommen wurde (Entbündeln) oder dass der Subtrahend mit einer hinzugefügten Anzahl verändert wurde (Erweitern). Bei beiden Techniken wird keine Anzahl von einer in die nächste Spalte übertragen. Insofern wird hier und im Folgenden von Stellenübergang gesprochen, wenn bei einem Schritt des ablaufenden Algorithmus in mehr als einer Stelle operiert werden muss.

  2. Durch Fiori und Zuccheri (2005) wird diese Annahme beim Vergleich vom Entbündeln und einer anderen Übergangstechnik bestätigt, durch Mosel-Göbel (1988) hingegen nicht (s. Abschn. 4.1).

  3. Da durch die unterschiedlichen Übergangstechniken bei einer gleichen schriftlichen Aufgabe die einfachen Subtraktionsaufgaben in den einzelnen Spalten unterschiedlich sind, erstellte Johnson entsprechend zwei unterschiedliche Testsets (jeweils ein erster Test für einfache Subtraktionsaufgaben und ein dazugehöriger zweiter Test mit schriftlichen Subtraktionsaufgaben). Da dem Untersuchungsleiter vor der Durchführung der Tests die von den Testpersonen genutzte Übergangstechnik nicht bekannt war, bearbeiteten alle Schülerinnen und Schüler beide Testsets. Die genutzte Übergangstechnik wurde durch eine separate Beschreibung des Vorgehens ermittelt. Es flossen die Durchschnittsergebnisse beider Testsets ein, um der möglichen Kritik zu begegnen, dass unterschiedliche Tests zur Messung herangezogen wurden (Johnson 1938, S. 46).

  4. Fiori und Zuccheri (2005) nehmen in der Erklärung des von ihnen als Österreichische Methode bezeichneten Verfahrens Bezug auf das Entbündeln. Statt die entbündelte Einheit in der nächsten Spalte im Minuenden x abzuziehen, nehmen sie eine Einheit im Subtrahenden y dazu und nutzen so die Äquivalenz von (x 1) y und x (y+ 1) (S. 324 f.). Diese Erklärung passt nicht zum üblichen Vorgehen bei der Österreichischen Methode, bei der nicht entbündelt wird.

  5. Aus organisatorischen Gründen konnten die jeweils verwendeten Schreibweisen nicht erhoben und in den Test aufgenommen werden. Wir entschieden uns für die von Padberg und Benz (2011, s. Abschn. 2) empfohlenen Schreibweisen. Die Kinder hatten während der Testdurchführung die Möglichkeit nachzufragen und konnten so ggf. nicht bekannte Merkzahlen ignorieren oder umdeuten.

  6. Für diesen Vergleich wurden die Kinder herausgenommen, die die Aufgabe mit größerem Subtrahenden als Minuenden nicht bearbeitet hatten, weil in diesem Fall nicht unterschieden werden kann, ob das jeweilige Kind aus spezifischen Problemen heraus die Aufgabe nicht bearbeitet hat, oder ob es von einer Bearbeitung abgesehen hat, weil es die Unlösbarkeit mit dem Algorithmus bemerkt hat, ohne dies zu notieren.

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Jensen, S., Gasteiger, H. „Ergänzen mit Erweitern“ und „Abziehen mit Entbündeln“ – Eine explorative Studie zu spezifischen Fehlern und zum Verständnis des Algorithmus. J Math Didakt 40, 135–167 (2019). https://doi.org/10.1007/s13138-018-00139-3

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