Eine „stark ausgeprägte Varikosis“ ist gemäß der Leitlinie zur Prophylaxe venöser Thromboembolien (VTE) zwar ein dispositioneller Risikofaktor, aber einer, der das VTE-Risiko nur geringfügig erhöht. Laut einem Forscherteam aus Taiwan gibt es bislang jedoch nur wenige Daten, wie sich das Vorhandensein von Varizen längerfristig auf das Auftreten von Gefäßerkrankungen auswirkt. Die Mediziner haben daher die Versicherungsdaten von mehr als 400.000 Bürgern Taiwans genutzt, um den Zusammenhang von Varizen mit tiefen Venenthrombosen (TVT), Lungenembolien (LE) und PAVK über die Zeit zu verfolgen.

Knapp 213.000 Patienten im mittleren Alter von 54 Jahren mit neu diagnostizierten Varizen, davon etwa 70 % Frauen, wurde eine ebenso große Kontrollgruppe ohne Varizendiagnose gegenübergestellt. Ausschlusskriterien waren eine bestehende oder frühere TVT, LE oder PAVK.

Vier- bis fünfmal so viele tiefe Venenthrombosen

Während der Beobachtungszeit von median sieben Jahren wurden in der Varizengruppe 6,55 TVT pro 1000 Personenjahre festgestellt, gegenüber 1,23 in der Vergleichsgruppe. Das TVT-Risiko war damit gut fünfmal so hoch wie ohne Varizen (Hazard Ratio, HR 5,3). Wurde die Analyse auf Personen beschränkt, die mindestens ein Jahr verfolgt werden konnten, fiel das Risiko etwas geringer aus, betrug aber immer noch das Vierfache von dem der Kontrollgruppe (HR 3,98). Ein Hinweis, dass das Risiko im ersten Jahr nach der Varizendiagnose besonders hoch war — möglicherweise, weil viele Betroffene erst bei höhergradigem Krampfaderleiden ärztliche Hilfe suchten. Das TVT-Risiko war, wenn auch unterschiedlich stark, bei beiden Geschlechtern und in allen Altersgruppen erhöht; die größte Risikosteigerung zeigte sich bei den 20- bis 34-Jährigen.

Lungenembolien traten mit einer Rate von 0,48 vs. 0,28 pro 1000 Personenjahre bei Varizenpatienten ebenfalls häufiger auf. Das Risiko war damit um etwa 70 % erhöht (HR 1,73), ohne Unterschied nach Geschlecht oder Alter. Im selben Ausmaß stieg die PAVK-Inzidenz: 10,73 vs. 6,22 Fälle pro 1.000 Personenjahre, entsprechend einer Risikozunahme um rund 70 % (HR 1,72).

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Das Risiko einer tiefen Venenthrombose ist bei Personen mit Varizen rund fünfmal so hoch wie bei Personen ohne Varizen.

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Zusammenhang mit Lungenembolien und PAVK unsicher

Die bei Varikosispatienten beobachteten Risikoanstiege für TVT, LE und PAVK blieben praktisch unverändert erhalten, wenn für eine Vielzahl von Faktoren wie Alter, Geschlecht, Zahl der Arztbesuche, Hypertonie, Diabetes und Krebs adjustiert wurde. Zu einigen Risikofaktoren, etwa Rauchen und Adipositas, lagen allerdings keine Angaben vor. Tatsächlich scheint die Analyse nicht frei von verzerrenden Einflüssen zu sein: So war das Vorhandensein von Hämangiomen, das als Negativkontrolle untersucht wurde, ebenfalls mit einer leicht erhöhten Rate von TVT verknüpft. Auch der Falsifikationsendpunkt Hyperlipidämie zeigte eine gewisse Korrelation mit Varizen. Die Studienautoren vermuten daher, dass die schwache Assoziation von Varizen mit LE sowie PAVK auf nicht berücksichtigte verzerrende Einflüsse zurückgehen könnte. Der Zusammenhang zur TVT sei dagegen so stark, dass er durch unbeachtete Störfaktoren nicht erklärt werden könne.

Eine Querschnittsstudie aus Deutschland hatte vor einigen Jahren bei Varizenpatienten eine siebenmal so hohe Prävalenz von TVT gefunden. In einer britischen Fall-Kontroll-Studie war das TVT-Risiko abhängig vom Schweregrad der Varikosis etwa auf das Zwei- bis Zehnfache erhöht.

Ob die Varikosis ursächlich für die Entstehung von TVT ist oder ob beiden Erkrankungen gemeinsame Risikofaktoren zugrunde liegen, muss den Studienautoren zufolge weiter untersucht werden. Bekannt ist, dass bei Varizen vermehrte entzündliche und prothrombotische Aktivitäten bestehen, die einer TVT Vorschub leisten können.