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© Ilya Andriyanov_iStock (Symbolbild mit Fotomodell)

Schönes und üppiges Haupthaar bei Frauen ist seit Jahrtausenden in nahezu allen Kulturen ein Schönheitsattribut, das es bis ins hohe Alter zu erhalten und pflegen gilt. Vor allem in den industrialisierten Ländern kommt hinzu, dass in vielen Berufen neben der eigentlichen Qualifikation permanent ein adrettes äußeres Erscheinungsbild vorausgesetzt wird. In diesem Zusammenhang spielt das Haupthaar eine wesentliche Rolle, da es bei entsprechender Menge farblich und durch den Haarschnitt problemlos den jeweiligen Modetrends angepasst werden kann. Hinzu kommt, dass schönes, gesundes Haar von psychologischer Seite her auch eine erotische Komponente besitzt sowie Kraft und Stärke symbolisiert, während fehlendes oder spärliches Haupthaar häufig mit Krankheit in Verbindung gesetzt wird. Grundsätzlich wird zwischen nicht vernarbenden und vernarbenden Alopezien unterschieden. Zu den wichtigsten, nicht vernarbenden Alopezien zählt die Alopecia androgenetica (AGA). Unter dem Begriff AGA werden bestimmte Muster des Haarausfalls zusammengefasst, die im allgemeinen Sprachgebrauch als männliche oder weibliche Glatzenbildung bezeichnet werden und die durch die Hamilton/Norwood- beziehungsweise Ludwig-Klassifikation definiert sind. Nach dem aktuellen Wissensstand kann eine AGA auftreten, wenn eine Hyperandrogenämie oder eine erhöhte Sensitivität der Haarfollikel gegenüber Androgenen besteht. Normalerweise manifestiert sich die AGA im Erwachsenenalter. In bestimmten Fällen beginnt sie bereits in der Pubertät mit Zunahme der Hormonproduktion und kann begleitet sein von genetischen, ernährungsbedingten, hormonellen und medikamentösen Einflüssen.

Ausprägungsmuster des Haarausfalls

Die AGA, auch als anlagebedingter oder hormoneller Haarausfall bekannt, ist typischerweise von einer unterschiedlich starken, diffusen Haarlichtung in der Kopfmitte bei erhaltener Stirnhaargrenze geprägt. Sie wurde erstmals in den 1960er-Jahren von Ludwig in drei Schweregrade klassifiziert [1] und kann im Endstadium zu einem kompletten Verlust des mittigen Haupthaares führen (▶Abb. 1a–c). Nach Ludwig betrifft sie nur den zentralen Bereich des Kapillitiums, nach Rojhirunsakool [2] auch den seitlichen, parietalen Bereich bei gleichzeitiger Abnahme der Haardicke.

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Klassifikation der androgenetischen Alopezie nach Ludwig [1], entsprechend den Graden 1–3 (a–c). Modifizierte Klassifikation mit ergänzender Berücksichtigung der Alopezie im parietalen und okzipitalen Bereich nach Lutz (d–i).

© 1a–c: E. Ludwig / 1d–i: G. Lutz

Die eigene klinische Erfahrung zeigt jedoch, dass im fortgeschrittenen Stadium zunehmend auch eine Ausdehnung nach okzipital besteht, wobei sich zunächst der zentrale, dann ergänzend die parietalen Bereiche diffus lichten und in den schweren Fällen zuletzt auch eine diffuse Haarlichtung am Hinterkopf hinzukommt, die bis zu den Protuberantia occipitalis externa reichen kann. Deshalb ist es sinnvoll und zweckmäßig, die Klassifikation nach Ludwig zu modifizieren (▶Abb. 1d–i). Da bei der Ludwig-Klassifikation die Dynamik des Haarausfalls unberücksichtigt bleibt, wurde ergänzend 2016 von Harries et al. [3] ein Konsens zur Erkennung und Quantifizierung in Form eines Female Pattern Hair Loss Severity Index (FPHL-SI) vorgeschlagen.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, dass Frauen neben diesem weiblichen Typs des Haarausfalls, dem „female pattern type“ (▶Abb. 2), eine männliche Form des Haarausfalls, einen sogenannten „male pattern type“ entwickeln (▶Abb. 3). Die letztere Klassifikation stammt von Hamilton [4], wurde danach von Norwood [5] modifiziert und deckt weitgehend die Formen ab, die beim Mann anlagebedingt auftreten. Bei der Klassifikation der Alopezie der Frau sind deshalb der Female-Pattern(fp)- und der Male-Pattern(mp)-Typ zu berücksichtigen. Dieser ist in der Diagnose zu vermerken, auch wenn der Typ primär keinen Einfluss auf die Therapie hat. Allerdings zeigt die klinische Erfahrung, dass Frauen mit mp-Typ häufiger eine ovarielle oder adrenale Hyperandrogenämie mit entsprechenden Zeichen der Androgenisierung aufweisen (▶Abb. 4). In Abhängigkeit von der Schwere der Hyperandrogenämie kann bei jüngeren Frauen neben vermehrter Akne auch noch ein Hirsutismus bestehen, während ältere Frauen neben der Alopezie nur einen unterschiedlich stark ausgeprägten Hirsutismus haben.

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figure 3

Klinische Bilder zu den drei Stadien des modifizierten „female pattern type“ der Frau. Stadium 1 (a1–3), Stadium 2 (b1–3), Stadium 3 (c1–3).

© G. Lutz

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Beispiele zum Male-Pattern-Typ nach Hamilton/Norwood bei der Frau. Stadium II (a1–4) mit ausgeprägten Geheimratsecken ohne sonstige Haarlichtung. Stadium III mit gleichzeitiger Alopezie im Vertexbereich (b1–4).

© G. Lutz

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Male-Pattern-Typ im Stadium 6 nach Hamilton/Norwood bei einer postmenopausalen Frau. Kontrolliert nachgewiesene ovarielle und adrenale Hyperandrogenämie bei gleichzeitig bestehendem Hirsutismus.

© G. Lutz

Androgenbedingt oder nicht?

Obwohl im klinischen Alltag meist keine Unterscheidung gemacht wird, so kommen pathogenetisch zwei Ursachen in Betracht. Eine AGA kann einerseits durch eine manifeste Hyperandrogenämie, andererseits auch nur durch eine erhöhte Sensitivität der Haarfollikel gegenüber den Androgenen ausgelöst und unterhalten werden, wobei im letzteren Fall die männlichen Hormone unauffällig sind. In beiden Fällen scheint das Enzym 5α-Reduktase eine Schlüsselposition einzunehmen. Von den verschiedenen 5α-Isoformen kommt beim mp-Typ des Mannes dem Typ 2 die größte Bedeutung zu [6, 7, 8], während bei der Frau kontroverse Ergebnisse vorliegen [9, 10].

Nicht das Testosteron, sondern das 5α-Dihydrotestosteron (5α-DHT) ist das Stoffwechselprodukt, welches den eigentlichen Prozess des Niedergangs des Terminalhaarfollikels zum Vellushaarfollikel [11] in Gang setzt, wobei Männer wie Frauen bei der AGA eine erhöhte 5α-Reduktase-Aktivität sowie eine erhöhte Androgenrezeptordichte im frontalen Kopfbereich aufweisen [12]. Während bei der rein erblichen Form nur eine erhöhte Sensitivität der Haarfollikel gegenüber dem 5α-DHT anzunehmen ist, ohne dass eine Hyperandrogenämie vorliegt (▶Abb. 5), ist letztere bei der androgenen Form obligat.

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Erblich bedingter Female-Pattern-Typ in unterschiedlicher Ausprägung bei Mutter (a) und Tochter (b), ohne jeweiligen Nachweis einer Hyperandrogenämie.

© G. Lutz

Nach der Hypothese von Adachi [13], die bis heute nicht widerlegt ist, setzt das 5α-DHT im Zellkern des Haarfollikels einen Prozess in Gang, der über eine verminderte Energieversorgung zur Degeneration und letztlich zum Untergang des Haarfollikels führt. Bei der rein erblichen Form kann deshalb die Anamnese sehr hilfreich sein. In diesem Fall sind nicht nur die Mutter, sondern auch die direkten weiblichen Verwandten auf der mütterlichen und väterlichen Linie zu berücksichtigen, denn oft ist nicht die Mutter, sondern nur eine Großmutter oder eine Schwester betroffen. Aber auch die jeweiligen Tanten sind zu berücksichtigen.

Die Anamnese kann allerdings auch leer sein, wenn vorausgehende, nicht mehr lebende Generationen Merkmalsträger sind. Ist eine positive Familienanamnese gegeben, sind ergänzende hormonelle Untersuchungen meist unauffällig. Unterstützt wird die Erkenntnis durch die Tatsache, dass viele Frauen mit AGA unauffällige Hormonwerte haben [14]. Ein ergänzender, gynäkologischer Hormonstatus ist jedoch zu veranlassen, wenn die Alopezie stark ausgeprägt ist und Zeichen einer begleitenden Androgenisierung oder Zyklusunregelmäßigkeiten bestehen.

Die AGA ist durch entsprechende Hormonstörungen gekennzeichnet, die klassischerweise die Androgene betreffen. Neben Androstendion, Gesamttestosteron und Dehydroepiandrosteronsulfat (DHEAS) kann nach eigenen Erfahrungen die Bestimmung des Dihydrotestosterons (DHT) sinnvoll sein, auch wenn hier unterschiedliche Meinungen existieren [15, 16]. Dies kann auch daran liegen, dass der DHT-Spiegel zuweilen größeren Schwankungen unterliegt: Ein einmalig erhöhter Wert ist in jedem Fall zu kontrollieren und zu bestätigen, bevor eine entsprechende, antiandrogene Therapie veranlasst wird.

Die klinische Erfahrung zeigt zudem, dass bei ausgeprägter Alopezie auch Frauen in der Menopause eine Hyperandrogenämie aufweisen können, ohne dass klinisch ein Hirsutismus vorliegt. Die Vermutung, dass ein erhöhter Prolaktinspiegel zu Haarausfall führt, bestätigte sich nicht [17].

Neben der androgenvermittelten Ursache der AGA kommt auch einem temporären oder permanenten Verlust der Östrogendominanz eine pathogenetische Bedeutung zu. Nach eigenen Erfahrungen kann nicht nur bei Frauen in der Peri- und Postmenopause ein Östrogenmangel die Ursache für den Haarausfall sein.

Abgesehen von den vielen Medikamenten, die generell das Haarwachstum beeinträchtigen, muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass auch Aromatasehemmer das Haarwachstum stören können [18, 19]. Die medizinische Indikation bei hormonrezeptorpositiven Tumoren rechtfertigt jedoch ungeachtet derartiger Nebenwirkungen die Verordnung. Selten gibt es junge Frauen mit ovarieller Insuffizienz, die, wenn auch nicht immer verständlich, eine entsprechende Hormonersatztherapie (HET) in Form von Estradiolvalerat und nicht in Form von Ethinylestradiol erfordert — und diese auch nicht nur vorübergehend (▶Abb. 6). Deshalb ist es wichtig, im Rahmen der hormonellen Diagnostik das follikelstimulierende Hormon (FSH) und 17β-Estradiol (E2) ergänzend zu bestimmen.

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a: Junge Patientin mit diffuser Alopezie Grad 2 und mehrfach bestätigten, niedrigen 17β-Estradiol-Werten bei normalen Werten für follikelstimulierendes Hormon und ausgeschlossener Hyperandrogenämie. Keine Hinweise auf Begleiterkrankungen oder Medikamenteneinnahme. b: Deutliche Befundbesserung nach zweijähriger, zyklusgerechter, oraler Hormonersatztherapie mit einem 2-mg-Estradiolvalerat- und gestagenhaltigen Präparat.

© G. Lutz

Inwieweit die zusätzliche Bestimmung des Östrogen/Androgen-Verhältnisses sinnvoll ist, bleibt abzuwarten [14]. Sonstige hormonelle Bestimmungen sind bei der AGA nicht erforderlich. Das betrifft auch das Sexualhormon-bindende Globulin (SHBG).

Im Gegensatz zum gynäkologischen Standard, die hormonelle Diagnostik zwischen dem dritten und sechsten Tag nach Einsetzen der Regel vorzunehmen, hat sich nach eigener Erfahrung gezeigt, dass für die trichologischen Belange eine hormonelle Diagnostik in der Zyklusmitte (zwischen dem 14. und 16. Tag) aussagekräftiger ist. Zudem ist eine verlässliche hormonelle Diagnostik unter hormoneller Kontrazeption, sei es in Form einer klassischen Antibabypille, eines hormonellen Vaginalringes, einer alleinigen Gestagenpille, eines Gestagenstäbchens oder einer Dreimonatsspritze mit Gestagen wenig sinnvoll. Sofern bei oraler Kontrazeption dennoch gewünscht, sollte die Untersuchung am letzten Tag der Pillenpause erfolgen. Aufgrund der möglichen, negativen hormonellen Einflussnahme auf den hypophysären Regelkreis und die Hormonproduktion ist frühestens vier Monate nach Absetzen der jeweiligen kontrazeptiven Medikation ein Hormonstatus durchzuführen.

Molekulargenetische Ergebnisse

Neue Erkenntnisse der genetischen Forschung bestätigen, dass die AGA der Frau — ähnlich wie die des Mannes — auf eine polygenetische Ursache zurückzuführen ist. Den ersten Nachweis, dass bei der AGA des Mannes eine Assoziation zum Chromosom 20 (20p11) besteht, lieferten Hilmer et al. [20] und Brent [21] durch ihre Forschungen zur Variabilität des Androgenrezeptors im Zusammenhang mit der Frühmanifestation der männlichen AGA: Kopplungsuntersuchungen bei 95 Familien zeigten, dass die Variabilität des Androgenrezeptors ein Teil der Grundvoraussetzung für die Frühmanifestation des Haarausfalls darstellt.

Später endeckten Brockschmidt et al. [22] weitere genetische Auffälligkeiten auf verschiedenen Chromosomen, die für eine polygenetische Ursache, verknüpft mit anderen Allgemeinkrankheiten, sprechen.

Die genetischen Forschungsergebnisse der letzten Jahre sprechen auch bei der AGA der Frau für eine polygenetische Ursache. Redler et al. [23, 24, 25] beschrieben in diesem Zusammenhang Auffälligkeiten beim Aromatasegen CYP19A1, aber auch bei den Androgenrezeptoren EDA2R und 20p11 und verdächtigten weitere sechs Loci, bedeutsam für die Manifestation der AGA der Frau zu sein. Des Weiteren fanden Yip et al. [26] eine Assoziation zwischen dem Aromatasegen CYP19A1 und dem fp-Typ der Frau.

Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den Isoformen der 5α-Reduktase, verschiedenen steroidalen Hormonrezeptoren und den Varianten des Melanocortinrezeptors war jedoch nicht festzustellen [10, 27]. Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Ergebnisse von Yip et al. [28] zu den Polymorphismen beim Östrogenrezeptor, welche die Bedeutung der Androgenrezeptoren sowie des Östrogenrezeptors unterstreichen.

Dokumentation des Haarausfalls vor und nach Therapie

Zur Einschätzung der Aktivität des Haarausfalls und zur Therapiekontrolle ist es notwendig, das Haarwachstum nach objektiven Kriterien zu beurteilen. Neben der Klassifikation der Alopezie anhand des Ausfallsmusters gemäß den erwähnten Schemata kann zur Erfassung und Beurteilung des aktuellen Wachstums und Ausfalls das Verhältnis zwischen den wachsenden Haaren (den Anagenhaaren) und ausfallenden Haaren (den Telogenhaaren) dienen.

Dieses Anagen/Telogen-Verhältnis kann mithilfe des Haarwurzelstatus in Form eines konventionellen, linearen Trichogramms ermittelt werden [29]. Dabei wird unter gewissen Voraussetzungen eine schmale Kolonne von Haaren frontal und okzipital epiliert und nach entsprechender Vorbereitung unter dem Lichtmikroskop beurteilt.

Neben der prozentualen Ermittlung der Anagen- und Telogenrate können auch missgestaltete (dystrophische) und abgebrochene Haare erfasst und das Haar hinsichtlich Oberflächenstruktur, Spliss und Bruch beurteilt werden.

Des Weiteren besteht die Möglichkeit, das Anagen/Telogen-Verhältnis in jeweils definierten, rasierten Kopfhautarealen mithilfe eines computergestützten Phototrichogramms zu erfassen [30]. Dabei können gleichzeitig auch Anzahl und Durchmesser der Haare bestimmt werden, was eine Aussage darüber ermöglicht, inwieweit im definierten Areal nach durchgeführter Therapie neue Haare nachgekommen sind und ob sich die Dicke der vorhandenen Haare vergrößert hat.

Unabhängig davon kann das Ausmaß der Alopezie und der Therapieverlauf durch standardisierte Übersichtsfotografien vor und während der Therapie kontrolliert werden [31, 32], wobei die klinische Erfahrung zeigt, dass Verlaufsfotografien frühestens nach sechs Monaten, besser in jährlichen Abständen aussagekräftiger sind.

Therapie der Alopezie ohne Hyperandrogenämie

Die Therapie richtet sich primär danach, ob eine manifeste Hyperandrogenämie vorliegt oder nicht. Sofern nur eine erhöhte Sensitivität der Haarfollikel gegenüber den Androgenen besteht, bietet sich eine alleinige topische Therapie mit einem der folgenden Präparate an.

Minoxidil

Hier steht zunächst eine 2 %-Minoxidil-Lösung in der Dosierung von täglich zweimal 1 ml (idealerweise morgens und abends) zur Verfügung [33, 34]. Ist die Alopezie ausgedehnter, ergibt auch die einmalige Anwendung von 2 ml abends Sinn, da hier mehr Lösungsmenge für ein größeres Behandlungsareal zur Verfügung steht. Die Wirkweise des Minoxidils ist hormonunabhängig und führt zusammengefasst über eine vermehrte Durchblutung mit Neueinsprossung von Gefäßen zu Haarwachstum [35].

Die Verwendung eines 5 %-Minoxidil-Schaums (einmal täglich) hat nach eigenen Erfahrungen den Nachteil, dass meist mehr Schaum im Haar als auf der Kopfhaut ankommt, sodass weniger Wirkstoff für die Resorption zur Verfügung steht — es sei denn, die Therapie findet nur am Haaransatz statt oder der Schaum wird dezidiert nur auf gut gescheiteltes Haar aufgetragen. Des Weiteren ist die verfügbare Schaummenge für ausgeprägte Alopezien meist zu gering, ungeachtet der Tatsache, dass die einmalige 5 %-Schaumapplikation im begrenzten Studienareal vergleichbare Resultate lieferte wie die zweimalige 2 %-Lösung [36, 37]. Wegen der höheren Dosierung von 50 mg/g kann nur die Hälfte der Menge angewendet werden, die bei der 2 %-Lösung mit 20 mg/ml möglich ist.

Von Vorteil ist, dass der Schaum bei Juckreiz und Kopfhautirritation infolge von Unverträglichkeit der Lösung, aufgrund seiner anderen Galenik meist besser vertragen wird. In diesem Fall hat sich nach eigenen Erfahrungen bewährt, die vorgeschriebene Schaummenge in eine kleine, erwärmte Schale zu sprühen und diesen erst nach Verflüssigung mit einer kleinen Plastikpipette auf die Kopfhaut aufzutragen.

Eine Daueranwendung des Minoxidils ist erforderlich, da das erreichte Haargewicht und die Anzahl der Haare sonst sechs Monate nach dem Absetzen der Behandlung auf Placeboniveau zurückgehen [38]. Allerdings zeigen bei 2 % und 5 % Minoxidil nicht alle Patientinnen eine Verbesserung des Haarwachstums. In solchen Fällen war Minoxidil jedoch in höherer Dosierung erfolgreich [39].

17α- und 17β-Estradiol

Neben Minoxidil wird bei der AGA auch 17α-Estradiol (Alfatradiol) topisch eingesetzt [40, 41, 42].

Unabhängig von den klinischen Studien zeigten In-vitro-Untersuchungen, dass 17α-Estradiol den Testosteronstoffwechsel hemmt [43], die Aromataseaktivität erhöht und zu einer erhöhten Konversion von Testosteron zu 17β-Estradiol und von Androstendion zu Estron führt. Eine vorausgegangene Studie bestätigte zudem, dass es nach einer Inkubation mit Testosteron die DHT-Menge am Haarfollikel vermindert [44]. Dabei ist wichtig zu wissen, dass Alfatradiol nur eine Rezeptorfunktion am Haarfollikel wahrnimmt, selbst aber keine hormonelle Wirkung aufweist. Das Mittel kann deswegen auch bei Zustand nach östrogenabhängigen Tumoren angewendet werden.

Im Gegensatz dazu sind Haartinkturen mit 17β-Estradiol oder Estradiolbenzoat in solchen Fällen obsolet. Generell gibt es zur topischen Anwendung von 17β-Estradiol und Estradiolbenzoat bei der AGA der Frau nur wenige, ältere Daten [45, 46]. Während Georgala et al. [45] über eine signifikante Reduktion der Ausfalls- und Telogenrate im Trichogramm unter einer 0,03 %-Estradiolvalerat-Tinktur berichteten, waren die Ergebnisse unter Estradiolbenzoat nach Abadjieva [46] nicht überzeugend. Auch kann es nach eigenen Erfahrungen bei diesen Östrogenen zu einem Spannungsgefühl der Mammae und zu Zwischenblutungen kommen, insbesondere, wenn die empfohlene Dosiermenge überschritten wird — wobei Zwischenblutungen auch von anderer Seite berichtet wurden [47, 45].

Mischrezepturen und sonstige Präparate

Gesicherte Daten zur Wirksamkeit von „Mischrezepturen“ bei den Haartinkturen, die nicht nur in der Dermatologie, sondern auch in der Gynäkologie von Generation zu Generation gerne weitergereicht werden und die neben Minoxidil und Alfatradiol auch noch Estradiolbenzoat oder andere Substanzen wie Dexpanthenol und teilweise Norethisteronacetat enthalten, existieren nicht.

Hinzu kommt, dass die meisten derartigen Rezepturen nicht nach dem von der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände herausgegebenen Sammelwerk „Neues Rezeptur-Formularium“ (NRF) standardisiert sind, keinen pharmakologisch rational nachvollziehbaren Zusatznutzen aufweisen und eine gesicherte Penetration der Substanzen häufig nicht gewährleistet ist. Die Wertigkeit einer Mischung von 17α-Estradiol mit Minoxidil ist auch bei einer Verbesserung des Haarwachstums [48] generell schwierig zu beurteilen, sofern die Substanzen nicht in der gleichen Studie auch einzeln getestet wurden. Der Versuch, die AGA bei postmenopausalen Frau durch die topische Anwendung des Antiöstrogens Fulvestrant zu verbessern, war insgesamt erfolglos [49].

Auch der Ansatz, die AGA mit Bimatoprost zu behandeln, brachte nicht das erhoffte Ergebnis [50]. Die Ergebnisse einer Herstellerstudie sind zwar bekannt, wurden aber bislang nicht publiziert [51]. Zumindest das Wimpernwachstum ist mit dieser Substanz gut stimulierbar [52, 53]. Auch konnten andere, extern topisch durchgeführte Therapien einschließlich der Mesotherapie den Autor vom klinischen Ergebnis her bislang nicht überzeugen.

Therapie der Alopezie bei Hyperandrogenämie

Im Gegensatz zur Alopezie mit unauffälligem Androgenstatus ist bei einer AGA mit Hyperandrogenämie eine antiandrogene Therapie sinnvoll und indiziert. Vor Therapiebeginn ist jedoch die Hyperandrogenämie durch eine erneute serologische Diagnostik zu bestätigen. Zur Auswahl stehen verschiedene Antiandrogene und Substanzen, die den Testosteron-Stoffwechsel beeinflussen und die in ihrer Wertigkeit unterschiedlich beurteilt werden.

Cyproteronacetat und Chlormadinonacetat

Je nach Stärke der ovariellen Hyperandrogenämie bieten sich zunächst Cyproteronacetat oder Chlormadinonacetat in geringer Dosierung an, während erfahrungsgemäß andere Gestagene mit antiandrogener Wirkung wie Dienogest oder Drospirenon zu schwach sind. Als Einstiegsdosis verwendet der Autor meist 2,5 mg Cyproteronacetat oder 1 mg Chlormadinonacetat, wobei nach acht- bis zwölfwöchiger Therapie unter Medikation erstmals eine Überprüfung der initial auffälligen Hormonwerte erfolgen sollte, um gegebenenfalls Dosisanpassungen vorzunehmen (▶Abb. 7).

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Prämenopausale Patientin mit Alopecia androgenetica vom Female-Pattern- Typ Stadium 1 und ovarieller Hyperandrogenämie. Befund vor (a) und nach (b) antiandrogener Therapie mit einem ethinylestradiol- und cyproteronacetathaltigen, oralen Kontrazeptivum über zwei Jahre. Stabilisierung der Alopezie mit Erhaltung des Ausgangsbefundes.

© G. Lutz

Dexamethason

Beim Vorliegen einer adrenalen Hyperandrogenämie ist Dexamethason niedrig dosiert das Mittel der ersten Wahl. Erfahrungsgemäß reichen meist 0,25 mg Dexamethason pro Tag aus, um eine zufriedenstellende Reduzierung eines erhöhten DHEAS-Wertes zu gewährleisten. Im Fall einer kombinierten ovariellen und adrenaIen Hyperandrogenämie sind Antiandrogen und Dexamethason entsprechend zu kombinieren. Auch in diesen Fällen sind die initial erhöhten Hormonwerte unter Medikation zunächst viertel-, dann halbjährlich zu kontrollieren.

Spironolacton

An dieser Stelle sei auf das polyzystische Ovarsyndrom (PCOS) mit Polymorphismen bei androgenverwandten Genen hingewiesen, bei dem es aufgrund hoher Androgenspiegel unter anderem zu Hirsutismus und einer Alopezie vom AGA-Typ kommen kann [54, 55].

Das in der Dermatologie bekannte SAHA(„Seborrhö, Akne, Hirsutismus, Alopezie“)-Syndrom zeigt ein ähnliches bis identisches klinisches Bild [56]. Obwohl Spironolacton nicht für den fp-Typ der Frau zugelassen ist, gibt es mehrere nicht randomisierte Studien sowie Fallberichte mit teils gutem Therapieergebnis bei höheren Dosierungen [19]. Neben seiner antiandrogenen, kompetitiven Blockade am Androgenrezeptor vermindert Spironolacton die adrenale Testosteronproduktion, weshalb es ursprünglich beim PCOS und bei Hirsutismus eingesetzt wurde.

Flutamid, Finasterid und Dutasterid

Eine Therapie des fp-Typs der Frau mit dem nicht selektiven Antiandrogen Flutamid brachte dosisabhängig ebenfalls unterschiedliche Ergebnisse, wobei hepatische Nebenwirkungen ein limitierender Faktor waren [57, 58, 59, 60].

Während sich unter Flutamid der Ludwig-Score um 21 % besserte, waren unter Finasterid und Cyproteronacetat keine statistisch signifikanten Veränderungen feststellbar [59]. Bei nachgewiesener Hyperandrogenämie und in der Menopause wurde nicht nur Finasterid systemisch [61, 62, 63, 64, 65] und topisch [66], sondern auch Dutasterid sytemisch [67] und topisch per Mesotherapie [68] mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt, obwohl bislang Finasterid nur für die Therapie der AGA des Mannes und Dutasterid für die benigne Prostatahyperplasie zugelassen ist [69].

Aufgrund der Wirkweise wäre eine ovarielle Hyperandrogenämie und eine ausgeschlossene Empfängnisbereitschaft ein mögliches Auswahlkriterium für einen „off-label use“ des Finasterids bei der Frau. Die Nebenwirkungen sind nach einem 2016 erschienenen Review-Artikel gering [70]. Aufgrund der bekannten Nebenwirkungen sind jedoch bei der Therapie mit Spironolacton, Flutamid, Finasterid und Dutasterid begleitende empfängnisverhütende Maßnahmen unabdinglich. Inwieweit eine topische Therapie mit finasteridbeladenen Nanopartikeln erfolgreich sein wird, bleibt abzuwarten [71].

Fakten zum Nachdenken

Sofern der Einsatz von Spironolacton, Flutamid, Finasterid oder Dutasterid bei der AGA der Frau erwogen wird, sollte man sich der schwierigen Rechtslage bei einem „off-label use“ bewusst sein. Nachdenklich sollten die Studienergebnisse von Vexiau [72] stimmen, der systemisch Cyproteronacetat mit der topischen Anwendung einer 2 %-Minoxidl-Lösung bei der AGA der Frau verglich und feststellte, dass die topische Therapie mit Minoxidil bessere Therapieergebnisse lieferte als systemisch Cyproteronacetat. Sofern keine Hyperandrogenämie vorliegt, war auch die topische Minoxidiltherapie anderen antiandrogenen Therapien überlegen [73]. Deshalb ergibt eine ergänzende topische Therapie der AGA mit Minoxidil Sinn.

In einer hypothetisch begründeten, antiandrogenen Therapie der AGA ohne manifeste Hyperandrogenämie sieht der Autor keinen Nutzen, zumal ihn eigene und zahlreiche von anderer Seite durchgeführte Therapien, auch über einen längeren Zeitraum verabreicht, in drei Jahrzehnten nicht überzeugen konnten. Diese Erkenntnisse unterstützen die Annahme, dass die Sensitivität des Androgenrezeptors am Haarfollikel durch eine generelle, systemische antiandrogene Therapie nicht beeinflussbar ist. Dementsprechend ist es sinnlos, eine systemische antiandrogene Therapie durchzuführen, sofern nicht eine serologisch gesicherte ovarielle Hyperandrogenämie vorliegt.

Therapieziel definieren

Für die Patientin ist weniger interessant, ob nach der Therapie in einem einen Quadratzentimeter großen Studienareal eine mäßige Zunahme der Haaranzahl und -durchmesser gemessen wurde. Vielmehr zählt für sie eine sichtbare Zunahme der Haardichte, die ein kosmetisch befriedigendes Ergebnis liefert, idealerweise visualisiert durch eine Fotodokumentation vor und nach der Behandlung. Wichtig ist auch, die Patientin darauf vorzubereiten, dass AGA langfristig meist nur verzögert und nicht vollständig rückgängig gemacht werden kann [74]. Die Komplexität der AGA zeigt sich generell auch in der unterschiedlichen Expression und Genregulation des Östrogenrezeptors durch 17α-Estradiol in fronto-temporalen Haarfollikeln bei Frauen und Männern [75], wobei die Bedeutung des Östrogens für die Haut und als Modulator des Haarwachstums unbestritten ist [76, 77]. Des Weiteren ist mit Östrogenen auch eine Stimulation des Haarwachstums bei einem ausgedehnten mpT des Mannes möglich [78]. Die Entwicklung einer Gynäkomastie und anderer Nebenwirkungen scheint jedoch von der Art des verwendeten Östrogens abhängig zu sein [79, 80].

Unabhängig vom Geschlecht und der Menopause ist zu akzeptieren, dass der Haarfollikel — wie jedes Organ im Körper — einer natürlichen Altersdegeneration unterworfen ist, was zu einer generellen Abnahme des Haares mit zunehmendem Alter führt. Haardurchmesser und Haardichte nehmen dabei gleichermaßen ab [77, 81].

Wichtige Kriterien bei der Auswahl hormoneller Kontrazeptiva

Da viele Frauen zunächst in der gynäkologischen Praxis wegen ihres Haarausfalls vorstellig werden [82], sind die folgenden Ausführungen nach Meinung des Autors besonders wichtig.

Was die hormonelle Kontrazeption in Form von Tabletten oder Dragees betrifft, sollte unbedingt darauf geachtet werden, das diese frei von Norethisteronacetat sind, da dieses Gestagen nach eigener Erfahrung aufgrund seiner restandrogenen Wirkung das Haarwachstum stört und die AGA verstärken, vielleicht sogar initiieren kann. Ähnliche negative Erfahrungen in Bezug auf eine Haarwachstumsstörung machte der Autor mehrfach bei Patientinnen, die von anderer Seite über längere Zeit zur Empfängnisverhütung reines Gestagen erhielten, sei es in Form von Stäbchen, Tabletten oder der Dreimonatsspritze. Was die Gestagenspiralen betrifft, ist der Autor noch zu keiner abschließenden Validierung gekommen.

Auch berichten immer wieder Patientinnen in der Haarsprechstunde, dass ihr Problem mit Haarausfall und lichter werdendem Haar „seit Pilleneinahme“ bestehe oder im Verlauf der Einnahme aufgetreten sei. Welche hormonellen Umstände hier eine Rolle spielen, ist bislang nicht geklärt. Zutreffend ist jedoch, dass bei zahlreichen Beipackzetteln von oralen Kontrazeptiva in der Rubrik „Nebenwirkungen“ auch Haarausfall oder Alopezie vermerkt ist. Diese Nebenwirkung findet sich bei vielen Präparaten die Ethinylestradiol enthalten. Inwieweit orale Kontrazeptiva mit einem natürlichen Hormon wie Estradiolvalerat vorteilhafter sind, ist noch in der Validierung durch den Autor, ungeachtet der Tatsache, dass auch beim Estradiolvalerat eine Störung des Haarwachstums als Nebenwirkung erwähnt wird [83].

Trotz der vielen Vorteile, die eine hormonelle Empfängnisverhütung hat, sollten deshalb jungen Mädchen und Frauen, insbesondere wenn sie Nullipara sind, nur schwache Antibabypillen verordnet bekommen. Stärkere orale Kontrazeptiva oder eine reine Gestagenpillen sollten nur verordnet werden, wenn dies aus anderen Gründen nicht unumgänglich ist. Auch im Zusammenhang mit einer HET ist auf eine möglichst geringe und gegebenenfalls nur zyklische Gestagenmedikation zu achten, zumal sie in Abhängigkeit von der substituierten Estradiolvaleratdosis, möglichen Zwischenblutungen und der ultraschallbasierten Messung der Höhe der Uterusschleimhaut zu jeder Zeit angepasst werden kann. Auch hier gilt die Devise: So viel Gestagen wie nötig und so wenig wie möglich.

Differenzialdiagnostische Überlegungen

Nicht in allen Fällen ist das klinische Bild der AGA so eindeutig, dass keine Verwechselung mit anderen Alopezieerkrankungen möglich ist. Hierfür kommt zunächst die frontal fibrosierende Alopezie (FFA) infrage, die erstmals 1994 von Kossard [84] als frontal fibrosierende, postmenopausale Alopezie beschrieben wurde, da er sie zunächst nur bei Frauen in der Menopause beobachtete. Bei dieser vernarbenden Alopezie kommt es klassischerweise zu einem kontinuierlichen Zurücktreten des Haaransatzes nach hinten, der von Schläfe zu Schläfe reicht und teilweise von kleinen, klinisch sichtbaren Verhornungsstörungen am Haarfollikelausgang (▶Abb. 8) begleitet wird. Diese sind teilweise mit bloßem Auge oder unter dem Auflichtmikroskop gut erkennbar. In Assoziation kann gleichzeitig ein Verlust der Augenbrauen von lateral nach medial fortschreitend auftreten, bis im Endzustand ein kompletter Ausfall der Augenbrauen besteht. Teilweise ist auch das Wimpernwachstum betroffen.

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Frontal fibrosierende Alopezie mit deutlich zurückgetretener Haargrenze von der Stirnmitte bis zur Schläfenregion, bei gleichzeitig fehlenden Augenbrauen (a, b). Auflichtmikroskopisch können wie beim LPP periinfundibuläre Verhornungsstörungen vorliegen (c). Sie können auch fehlen, insbesondere wenn es zu einer direkten Apoptose der Haarfollikel kommt (d).

© G. Lutz

Gewisse Ähnlichkeiten mit der FFA in der Histologie hat der Lichen planopilaris (LPP), weshalb er auch als eine Variante der FFA angesehen wurde [85]. Allerdings manifestiert sich der LPP typischerweise in der Kopfmitte und schreitet von der Kopfmitte zentrifugal nach lateral fort (▶Abb. 9). Dadurch ähnelt er mit fortschreitender Ausprägung stark der AGA [86, 87]. Im Gegensatz zur FFA finden sich beim LPP nahezu regelmäßig die erwähnten und mit bloßem Auge gut erkennbaren peri- und infundibulären Verhornungsstörungen beim Austritt des Haares aus der Kopfhaut. Sie vermitteln beim Darüberstreichen mit den Fingern ein „Reibeisenphänomen“, wobei auch zwischen den Haaren häufig zusätzlich leicht ekzematöse Hautveränderungen bestehen.

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Umschriebene Alopezie in der Kopfmitte bei einem Lichen ruber planopilaris. Klinisch und insbesondere in der Auflichtmikroskopie gut erkennbare perinfundibuläre Hyperkeratosen (a, b, c) sowie teilweise auch interinfundibuläre Hyperkeratosen (d) sind ein wichtiges differenzialdiagnostisches Kriterium zur Alopecia androgenetica.

© G. Lutz

Zu Verwechselungen führt teilweise auch die Alopecia diffusa (AD), die in sehr unterschiedlichen Ausprägungen auftreten kann. Während die AGA immer im Kopfmittenbereich beginnt, liegen die Anfänge der AD häufig im parietalen und okzipitalen Kopfbereich oder das gesamte Haupthaar lichtet sich zunehmend gleichmäßig (▶Abb. 10). Die möglichen Ursachen der AD sind sehr verschieden und können einzeln oder kombiniert vorliegen. Zu beachten sind Schilddrüsenerkrankungen, infektiöse Erkrankungen und Medikamentennebenwirkungen, ein Eisen-, Zink-, Selen- oder Biotinmangel sowie, neuen Erkenntnissen zufolge, wahrscheinlich auch ein Vitamin-D-Mangel [18, 88, 89, 90, 91].

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figure 11

Alopecia diffusa 2. Grades. Typisch ist die relativ gleichzeitig und gleichmäßig fortschreitende, diffuse Haarlichtung im Bereich des gesamten Haupthaares.

© G. Lutz

Haartransplantation und Zweithaar

In weit fortgeschrittenen Fällen der AGA ist — auch bei sachgerechter Indikation und Durchführung — weder mit einer topischen noch mit einer systemischen Therapie ein kosmetisch befriedigendes Ergebnis zu erzielen. In diesen Fällen ist abzuklären, inwieweit durch eine Eigenhaartransplantation noch ein befriedigendes Therapieresultat möglich ist [92, 93, 94]. Entscheidend ist, wie ausgedehnt die Alopezie und wie dicht das verbliebene Haar in der Spenderregion (meist am Hinterkopf) ist [93, 95]. Sofern hier noch eine ausreichende Haardichte besteht, kann eine Transplantation mittels der Streifen- oder der FUE-Methode durchgeführt werden. Die endgültige Entscheidung zur Indikation und Auswahl der Methode trifft der Transplanteur, unter Berücksichtigung der benötigten Anzahl der Transplantate.

Ist auch durch eine Haartransplantation kein kosmetisch befriedigendes Ergebnis möglich, verbleibt nur noch das Zweithaar. Neben Haarteilen sind teilweise komplette Perücken erforderlich, wobei auch gute Kunsthaarperücken heutzutage vom Material und der Verarbeitung her so hochwertig sind, dass Außenstehende sie nicht von Echthaarperücken unterscheiden können.

Es gibt verschiedene Befestigungssysteme, die sich je nach vorhandener, natürlicher Resthaarmenge anbieten und die sogar alle Sportarten erlauben. Als Beispiel sei hier das „hair weaving“ erwähnt, wo ein Haarteil eingenäht oder eingeklebt wird, das sechs Wochen auf dem Kopf verbleiben kann, bevor es durch den Zweithaarspezialisten gewechselt, gereinigt und nach schneiden des eigenen Haares erneut befestigt wird.

Aber auch hier ist die AGA entsprechend den obigen Ausführungen permanent zu therapieren, damit für die Befestigung des Zweithaares auch künftig ausreichend eigenes Haar zur Verfügung steht.

Fazit

Wenn auch die AGA auf den ersten Blick als eine leicht zu diagnostizierende Form der Alopezie angesehen wird, besitzt sie dennoch viele Facetten, die in diagnostischer und insbesondere in therapeutischer Hinsicht zu beachten sind. Dies betrifft neben den erwähnten differenzialdiagnostischen Überlegungen die Auswahl und den Zeitpunkt der Laboruntersuchungen und vor allem die Therapieauswahl unter der Berücksichtigung etwaiger hormoneller Auffälligkeiten.

Des Weiteren ist bei der Auswahl hormoneller Kontrazeptiva sowie erforderlicher Hormonersatztherapien besondere Sorgfalt angezeigt, um nicht durch Auswahl und Dosierung des Präparates den Haarausfall zu fördern und die Ausprägung der Alopezie zu beschleunigen.

Im Gegensatz zur AGA mit Hyperandrogenämie bringt eine systemische, antiandrogene Therapie bei einer AGA mit unauffälligen Androgenen erfahrungsgemäß keine Vorteile. Auch gibt es hier keine gesicherten Nachweise, die einen Nutzen belegen. Indizierte hormonelle Therapien sind jedoch in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und je nach den Blutwerten anzupassen, gegebenenfalls auch wieder abzusetzen, um zu sehen, inwieweit eine Fortführung erforderlich ist. Denn eine Hyperandrogenämie kann, muss aber kein Dauerzustand sein. Generell ist zu beachten, dass meist eine langfristige Therapie erforderlich ist, um das klinische Bild der Alopezie zu verbessern und zu stabilisieren.

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PD Dr. med. Gerhard Lutz

CME-Fragebogen

Ein Haarausfall mit vielen Facetten. Alopecia androgenetica der Frau

Welche Aussage ist nicht kennzeichnend für die Alopecia androgenetica der Frau?

Die Alopecia androgenetica der Frau kann als female pattern (fp)- oder male pattern (mp)-Typ auftreten.

Beim fp-Typ ist die Stirnhaargrenze in der Regel erhalten.

Beim mp-Typ ist das Ausprägungsmuster auf die Stadien I–IV nach Hamilton begrenzt.

Nach Ludwig werden nicht die Ausdehnung nach parietal und okzipital berücksichtigt.

Die Ludwig- und Hamilton-Klassifikation erfasst nicht die Dynamik des Haarausfalls.

Welcher der folgenden Faktoren ist ursächlich nicht pathogenetisch für die Alopecia androgenetica der Frau?

Eine manifeste ovarielle Hyperandrogenämie.

Eine erhöhte Sensitivität der Haarfollikel gegenüber Androgenen.

Eine manifeste adrenale Hyperandrogenämie.

Ein Panhypopituitarismus.

Eine kombinierte ovarielle und adrenale Hyperandrogenämie.

Was ist bei der hormonell-serologischen Diagnostik der Alopecia androgenetica nicht wichtig?

Bestimmung der Androgene bei einem androgenetischen Haarausfallsmuster.

Überprüfung des FSH- und Estradiol-Wertes.

Bestimmung des Kortisols.

Überprüfung der relevanten Hormonparameter vorzugsweise in der Zyklusmitte.

Bestätigung der Hyperandrogenämie durch eine zweite Untersuchung vor Therapie.

Welcher serologische Parameter ist bei der Alopecia androgenetica der Frau im Rahmen der differenzialdiagnostischen Überlegungen zu vernachlässigen?

Ferritin

Zink im Serum

Progesteron

Vitamin D

Biotin

Welches der folgenden Gestagene besitzt keine antiandrogene Wirkung?

Drospirenon

Norethisteronacetat

Chlormadinonacetat

Dienogest

Cyproteronacetat

Welcher Wirkstoff ist nicht als ein „off-label use“-Medikament bei der Therapie der Alopecia androgenetica in Deutschland anzusehen?

Chlormadinonacetat

Spironolacton

Finasterid

Dutasterid

Flutamid

Welches Therapeutikum kann bei einer Alopecia androgenetica der Frau ohne manifeste Hyperandrogenämie nicht eingesetzt werden?

Minoxidil 2 % lokal

Alfatradiol lokal

Minoxidil 5 % lokal

17α-Estradiol lokal

Finasterid 1 mg systemisch

Welches der folgenden Merkmale ist nicht typisch bei einer frontal fibrosierenden Alopezie?

kontinuierliches Zurücktreten des frontalen Haaransatzes nach okzipital

teilweise klinisch sichtbare Verhornungsstörungen am Follikelausgang

zunehmender Verlust der Augenbrauen von lateral nach medial

kadaverisierte Haare im akuten Stadium

teilweise unterschiedlich stark ausgeprägter Wimpernverlust

Was trifft für den Lichen planopilaris nicht zu?

Die frontal fibrosierende Alopezie und der Lichen planopilaris zeigen in der normalen Histologie gewisse Ähnlichkeiten.

Der Lichen planopilaris manifestiert sich meistens in der Kopfmitte.

Typisch sind nur periinfundibuläre Verhornungsstörungen.

Aufgrund der zentrifugalen Ausbreitung ähnelt er manchmal der Alopecia androgenetica.

Die peri- und infundibulären Verhornungsstörungen vermitteln beim Darüberstreichen mit den Fingern ein „Reibeisenphänomen“.

Welche Aussage ist nicht typisch für die Alopecia diffusa?

Bei der Alopecia diffusa handelt es sich in den meisten Fällen um eine symptomatische Form des Haarausfalls mit gleichmäßiger Haarlichtung.

Die Alopecia diffusa zählt zu den nicht entzündlichen Formen des Haarausfalls.

Das Krankheitsbild erfordert ebenfalls eine eingehende Diagnostik.

Die diffuse Haartransplantation ist in ausgedehnten Fällen eine gute Therapieoption.

Alopecia androgenetica und Alopecia diffusa können auch gleichzeitig bestehen.