Kriege sind immer kompliziert, doch manche werden fahriger als andere, wie derzeit in Syrien und Jemen. Mit jeder intervenierenden Kriegspartei rückt ein Ausweg weiter in die Ferne, weil nun auch zwischenstaatliche Interessen den Verlauf beeinflussen. Schulhofer-Wohls Buch befasst sich mit ebendiesem Kriegsphänomen, bei dem die Verflechtung der Interaktionen zwischen Kriegsparteien zu Zwickmühlen, so genannten quagmires, führt (S. 3). Die Leitfrage ist unkompliziert, aber treffend: Warum kommt es in manchen Kriegen zum quagmire, während es bei anderen nicht eintritt? (S. 2). In diesem Werk stehen nicht die Entscheidungsgrundlagen oder der Zeithorizont der Akteure im Vordergrund, sondern die Interaktion zwischen ihnen (S. 11). Quagmires werden damit von Akteuren geschaffen, und stellen keinen gegebenen Zustand dar (S. 11). Hauptanliegen des Autors ist es einen alternativen Erklärungsansatz für quagmires zu liefern, dessen Fokus auf Mechanismen und strategischen Entscheidungen von Hauptakteuren und deren ausländischen Unterstützer*innen liegt (S. 11).

Das Buch ist in sieben Kapitel und drei Anhänge gegliedert. Die Einleitung stellt die Definition von quagmire und die Argumentationlinie vor. Anhang A ergänzt das Research Design (S. 219-221). Kapitel 2 „A Theory of Quagmire“ (S. 27) beinhaltet ein literature review und stellt das spieltheoretische Modell eines quagmires mit und ohne internationalen Unterstützern vor, welches im Appendix B (S. 222-247) fortgeführt wird. Kapitel 3 „The Lebanese Civil War, 1975-1990“ (S. 54) enthält die historische Fallstudie Libanons, die 1920 beginnt und auf ethnoreligiöse Spaltungen sowie das politische System eingeht. Kapitel 4 „Mechanisms of Quagmire in Lebanon“ (S. 92) skizziert den Kriegsverlauf aus Akteursperspektive unter Verwendung von qualitativen Interviews mit 60 Befragten (S. 94). Mit Kapitel 5 „Civil Wars Worldwide, 1944-2006“ (S. 134) geht der Autor zur statistischen Untersuchung von quagmires über und führt Variablen zu Geographie, Ölvorkommen sowie Proximität zu einer Großmacht ein (S. 142). Die Analyse von Daten mit robustness checks ist in Anhang C (S. 248-276) ausgelagert. Im Anschluss an die Large-N-Analyse wechselt Schulhofer-Wohl in Kapitel 6 „Comparative Evidence from Chad and Yemen“ (S. 176) zum qualitativen Vergleich zwischen Libanon, Jemen und Tschad, um zu untersuchen, warum der Krieg 1994 im Jemen nicht zu einem quagmire führte, obwohl in den drei Fällen ähnliche Bedingungen dafür gegeben waren (S. 206-207). Der abschließende „Field Guide to Quagmire“ (S. 209-216) in Kapitel 7 enthält Handlungsempfehlungen für Politiker*innen und Wissenschaftler*innen und ein kurzes Fazit.

Das Buch überzeugt zunächst durch Prämisse und sehr systematisches Vorgehen. Das literature review (S. 28-35) demonstriert nachvollziehbar, wie bislang in der Literatur mit dem Begriff umgegangen wurde und wo Forschungslücken liegen. Da dem Nahen Osten von Laien oft eine kulturelle Inhärenz von quagmires unterstellt wird, bietet sich der Libanon als historische Fallstudie an, um zu demonstrieren, wie quagmires schon durch koloniale Vermächtnisse und policy-making lange vor Kriegen geschaffen werden (S. 58-61). Der Autor schildert den Kriegsverlauf im Libanon mit viel Detailliebe, verliert sich aber in der Nacherzählung und bringt diesen entscheidenden Sachverhalt nie explizit auf den Punkt. Das ist ein schwerwiegendes Problem, da er im Vergleich mit Tschad auf einen Bürgerkrieg eingeht, der kurz nach kolonialer Unabhängigkeit ausbrach (S. 182, 189). Gerade in Afrika und dem Nahen Osten stehen Kriege häufig auch im Kontext von Entkolonialisierung.

Gerade weil das Buch thematisch in den Internationalen Beziehungen (IB) zu verorten ist (S. 4), wo die Anwendung quantitativer Methoden nicht immer einfach ist, sollte die methodologische Vielfalt hervorgehoben werden. Schulhofer-Wohl verwendet im Laufe der Analyse game theory, formal modeling, verschiedene Regressionen, Interviews, eine historische Fallstudie, Small-N-Vergleiche und beschreibt seine Herangehensweise als Mechanismus-orientiertes Multimethod-Design (S. 220). Diese breite Methodenauswahl erfordert jedoch ein gut durchdachtes Research Design. Es ist daher fragwürdig, dass dem Research Design lediglich im Anhang ein paar Absätze gewidmet werden (S. 219-220), aber kaum kritische Reflexion über Notwendigkeit und methodologische Kompatibilität stattfindet.

Das Kompatibilitätsproblem macht sich gehäuft bemerkbar; das Game-Theory-Modell aus Kapitel 2 wird in Anhang B zwar mathematisch gelöst (S. 222-247), findet im Buch in dieser Form jedoch keine weitere Anwendung. Durch die Fallstudie wird aber deutlich, dass das Modell Interaktionen ab Kriegsbeginn darstellt, während im Libanon ausländische Akteure wie Palästina, Israel und Syrien schon vor Kriegsausbruch involviert sind (S. 78-81). Entscheidungen von Akteuren sind zudem voneinander abhängig, wodurch ein sequential game treffender gewesen wäre als das vom Autor gewählte simultaneous game (S. 37), in dem Akteure Entscheidungen gleichzeitig treffen. Auch das zeigt die Fallstudie unfreiwillig auf. Dies hätte durch mehr Rückkopplung zwischen den Methoden vermieden werden können. Schulhofer-Wohl betont mehrfach, dass Kriegslänge nicht synonym mit quagmire sei (S. 6-7), dennoch ist Kriegslänge in der statistischen Analyse die abhängige Variable (z. B. S. 265), während internationale Beziehungen über geografische Proximität zu einer Supermacht gemessen werden (S. 142). Dieser Versatz zwischen Theorie und statistischem Modell wird ebenfalls nicht hinreichend reflektiert. Zu guter Letzt fehlt dem Buch eine Schlussfolgerung, die darauf ausgerichtet ist, alle vom Autor aufgenommenen Fäden zusammen zu führen. Durch die methodischen Wechsel und Kapitelstruktur ergeben sich viele Einsichten in verschiedene Ebenen und Perspektiven, die besser verknüpft werden müssten, um ein schnittigeres Gesamtbild zu liefern.

Insgesamt bietet Schulhofer-Wohls Quagmire in Civil War einen starken Beginn und nimmt sich einer sehr komplexen Thematik an, ohne schwer lesbar zu sein. Es bleibt daher zugänglich für Fachfremde und Studenten*innen, ohne simplizistisch zu werden. Die Vielfalt der Methodologie ist gerade für ein IB-fokussiertes Buch lobenswert. Gleichzeitig untergräbt diese Vielfalt das volle Potenzial dieses Werkes und führt leider dazu, dass die Interaktionsverläufe von Akteuren am Ende doch zu kurz kommen. Nichtsdestotrotz ist Quagmire in Civil War ein ambitionierter und zeitgemäßer Beitrag, um verwirrende Kriegsverläufe systematisch zu entwirren.