Einleitung und Ziel der Arbeit

Die präoperative Konditionierung vor viszeralonkologischen Operationen nimmt eine immer wichtigere Rolle mit Blick auf die postoperative Ergebnisqualität ein. Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der Spezialsituationen der Präkonditionierung/Prähabilitation in der Viszeralchirurgie bei Hochrisiko- und geriatrischen Patienten, unter neoadjuvanter Therapie und bei onkologischen Patienten mit simultaner Fatigue. Diese Gegebenheiten bedürfen eines besonders intensiven Assessments mit konsekutiver Risikoadjustierung, um die Phase der Präkonditionierung sowie der chirurgischen Resultate zu optimieren.

Methodik

Es erfolgte eine selektive Literaturübersicht, basierend auf einer Recherche in den elektronischen Datenbanken MEDLINE, PubMed, Cochrane Library und ISRCTN (International Standard Randomization Controlled Trial Number).

Spezialsituationen der Präkonditionierung und Prähabilitation in der Viszeralchirurgie

1. Der Hochrisikopatient: Assessment und Risikoscoring

Die Identifikation von Patienten mit einem stark erhöhten perioperativen Risiko ist essenzieller Bestandteil der anästhesiologischen Evaluation vor einem chirurgischen Eingriff. Liegt ein entsprechend erhöhtes Risiko vor, sollte dies dem Patienten auch klar kommuniziert und zudem ein individuell abgestimmtes Narkoseverfahren bzw. perioperatives Vorgehen festgelegt werden [9]. Die Gemeinsame Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin, der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Innere Medizin fokussieren hierbei auf die Erstellung eines kardiovaskulären sowie eines pulmonalen Risikoprofils [7].

Kardiovaskuläres Risikoprofil

Die Abschätzung der Wahrscheinlichkeit, dass ein Patient perioperativ ein kardiovaskuläres Ereignis erleiden und ggf. auch daran versterben wird, umfasst sowohl die Begutachtung patientenspezifischer Faktoren als auch die Beurteilung des kardialen Risikos durch den operativen Eingriff an sich. Letzteres wird klassifiziert als niedrig (30-Tage-Risiko für Myokardinfarkt oder Tod durch ein kardiovaskuläres Ereignis weniger als 1 %), mittel (30-Tage-Risiko 1–5 %) oder hoch (30-Tage-Risiko >5 %), wobei der überwiegende Teil der größeren onkologisch viszeralchirurgischen Eingriffe, wie beispielsweise Leberteilresektionen, Ösophagektomien oder Duodenopankreatektomien allesamt mit einem hohen perioperativen Risiko einhergehen [17]. Bei der Beurteilung der patientenspezifischen Risikofaktoren hat sich die Evaluation der individuellen Belastbarkeit mittels Anamnese als generelle Screeningmethode bewährt [7, 17]. Die Angabe des zugrunde liegenden Energieverbrauchs der entsprechenden vom Patienten berichteten Aktivitäten erfolgt als sog. metabolisches Äquivalent (MET [7, 17]): Ein MET entspricht hierbei dem Ruheumsatz (1kcal×kg−1×h−1). Als Schwellenwert für eine ausreichende Belastbarkeit für eine Anästhesie und einen chirurgischen Eingriff wird in den aktuellen Leitlinien ein Schwellenwert von 4 MET angegeben, was etwa dem Energieverbrauch beim Treppensteigen über 2 Stockwerke entspricht [17]. Ferner wird empfohlen, die Patienten mithilfe des Revised Cardiac Risk Index (RCRI) nach Lee zu beurteilen [17]. Dieser umfasst insgesamt 5 Risikofaktoren für das Auftreten schwerer perioperativer kardialer Komplikationen: Vorhandensein einer ischämischen Herzkrankheit (koronare Herzkrankheit oder früherer Myokardinfarkt), Herzinsuffizienz, ischämischer zerebrovaskulärer Insult oder transiente ischämische Attacke, eingeschränkte Nierenfunktion und ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus [18]. Alternativen wie der National Surgical Quality Improvement Program (NSQIP) Myocardial Infarction and Cardiac Arrest (MICA)-Risikoindex oder der American College of Surgeons (ACS) NSQIP erlauben zwar teilweise eine im Vergleich zum RCRI verbesserte Einschätzung des Risikos, sind aber ungleich aufwendiger und zudem noch nicht vollständig validiert [9].

Die routinemäßige Erfassung von kardialen Biomarkern wird weiterhin nicht empfohlen [17].

Bei Patienten mit einem stark erhöhten Risiko kann es sinnvoll sein, sowohl vor als auch 48 und 72 h nach einem Hochrisikoeingriff das Troponin [9, 17] oder auch das N-terminale „pro-brain“ natriuretische Peptid (NT-proBNP) im Serum zu bestimmen, um insbesondere das postoperative Risiko für das Auftreten eines kardialen Ereignisses besser abschätzen zu können [25].

Pulmonales Risikoprofil

Zur Abschätzung des Risikos für das Auftreten von postoperativen pulmonalen Komplikationen bzw. für die Notwendigkeit einer Reintubation haben sich verschiedene Scoringsysteme etabliert [4]. Der von Brückmann et al. 2013 vorgeschlagene Prädiktionsindex beispielsweise beinhaltet folgende Faktoren (mit den entsprechend daraus resultierenden Punkten): American Society of Anesthesiology(ASA)-Klassifikation ≥3, Notfalleingriff (jeweils 3 Punkte), Hochrisikoeingriff, Herzinsuffizienz (jeweils 2 Punkte) und das Vorhandensein einer chronischen Lungenerkrankung. Das Risiko für eine Reintubation steigt demnach mit der entsprechenden Punktzahl an (0 Punkte: 0,12 %, 1 bis 3 Punkte: 0,45 %, 4 bis 6 Punkte 1,64 %, 7 bis 11 Punkte: 5,86 %; [4]).

Zusatzuntersuchungen

Generell gilt, dass die etwaigen präoperativen Untersuchungen zielgerichtet sein und nur dann durchgeführt werden sollten, wenn ein mögliches Ergebnis auch das entsprechende perioperative Vorgehen beeinflussen würde [7]. So werden eine routinemäßige Anforderung von verschiedenen (zum Teil unspezifischen) Laborparametern sowie die Durchführung eines 12-Kanal-EKGs oder eines Thoraxröntgenbildes ohne Hinweis auf eine entsprechende Pathologie in der klinischen Untersuchung, der Anamnese (inklusive Medikamenteneinnahme) oder einer im Rahmen des geplanten Eingriffs zu erwartenden perioperativen Störung der Homöostase nicht empfohlen [7]. Das Alter des Patienten spielt hierbei keine Rolle [7].

Antikoagulation – direkte orale Antikoagulanzien (DOAKs)

Unter dieser Gruppe von Medikamenten werden die neueren oralen Antikoagulanzien subsumiert, welche ihre Wirkung durch direkte Hemmung von Thrombin (Dabigatran) oder des Gerinnungsfaktors Xa (Rivaroxaban, Apixaban, Edoxaban) entfalten [8]. Aufgrund der günstigen pharmakokinetischen Eigenschaften ist unter Beachtung der entsprechenden substanzspezifischen Halbwertszeiten ein „Bridging“ beispielsweise mit niedermolekularem Heparin in der Regel bei elektiven Eingriffen nicht nötig [17]. Die Entscheidung, wie lange das entsprechende Medikament pausiert werden sollte, hängt sowohl vom eingriffspezifischen Blutungsrisiko als auch von der Nierenfunktion des Patienten ab, da diese Gruppe von Medikamenten primär renal eliminiert wird und die Halbwertszeiten bei eingeschränkter renaler Exkretion entsprechend verlängert sind [16]. Bei Notfalleingriffen oder akuten Blutungen unter der Einnahme dieser Substanzen kann das Management aufgrund der fehlenden spezifischen Antidots (Ausnahme: Idarucizumab für Dabigatran [24]) jedoch schwierig sein und erfordert ein individuell auf die Situation abgestimmtes Procedere [17]. Verlässliche Zahlen bezüglich der Rate an (interventionsbedürftigen) Blutungen bei elektiven Eingriffen oder Notfallinterventionen (z.B. nach Trauma) liegen aktuell noch nicht vor. Erste kleinere Studien an Traumapatienten deuten aber auf eine möglicherweise reduzierte Mortalität bei Patienten unter DOAKs im Vergleich zu Vitamin-K-Antagonisten hin [10].

Antikoagulation – duale Thrombozytenaggregationshemmung

Nach Implantation eines koronaren Stents sehen die entsprechenden Leitlinien zur Verhinderung einer häufig fatalen Stentthrombose eine duale Thrombozytenaggregationshemmung mit Acetylsalicylsäure und einem P2Y12-Rezeptorinhibitor (z. B. Clopidogrel, Ticagrelor oder Prasugrel) vor, wobei sich die Dauer dieser Therapie je nach Art des implantierten Stents unterscheidet („bare metal“ vs. „drug-eluting stent“ [13]). Es wird daher empfohlen, wenn möglich alle elektiven Eingriffe auf die Zeit nach Ablauf der Frist für die duale Plättchenhemmung zu verschieben und den entsprechenden Eingriff dann entsprechend auch unter der Gabe von Acetylsalicylsäure durchzuführen [17]. Bei dringlichen Eingriffen, beispielsweise im Rahmen einer onkologischen Erkrankung, muss eine sorgfältige und individuelle Risiko-Nutzen-Abwägung (Blutung vs. Stentthrombose) bezüglich einer möglichen Sistierung der dualen Plättchenaggregationshemmung erfolgen. Ein mögliches Bridging der P2Y12-Rezeptor-Inhibitor-Therapie mit Glykoprotein- IIb/IIIa-Inhibitoren (Eptifibatide oder Tirofiban) kann gemäß Leitlinien bei Patienten mit einem stark erhöhten Risiko für eine Stentthrombose erwogen werden [17].

2. Der betagte und geriatrische Patient

Neben der Evaluation des kardiopulmonalen Risikoprofils rückt bei geriatrischen Patienten zunehmend die Beurteilung der sog. „Gebrechlichkeit“ (engl. „frailty“) in den Vordergrund. Hierunter subsumiert man eine Reihe von altersbedingten Veränderungen, die den Patienten zunehmend vulnerabel gegenüber äußeren Einflüssen – wie beispielsweise einem chirurgischen Eingriff – erscheinen lassen und die zu einer Verschlechterung des postoperativen Ergebnisses im Sinne einer deutlich erhöhten Morbidität und Mortalität führen können [28]. Ein einfaches Instrument zur schnellen Erfassung der Gebrechlichkeit stellt der 2001 etablierte „Fried Frailty Phenotype“ dar, welcher einen ungewollten Gewichtsverlust von mehr als 4,5 kg im letzten Jahr, eine zunehmende (anamnestische) Erschöpfung, eine muskuläre Schwäche am Beispiel des Händedrucks, eine langsame Geschwindigkeit beim Gehen sowie eine geringe körperliche Aktivität umfasst [11]. Bei Vorhandensein von 3 oder mehr dieser Kriterien wird der Patient als gebrechlich eingeschätzt [11], was wiederum einen prognostischen Faktor für eine erhöhte postoperative Mortalität und Morbidität darstellt.

Ein weiteres Problem bei geriatrischen Patienten stellt das zunehmende Vorhandensein einer Polypharmazie, d. h. die gleichzeitige Einnahme von mehreren Arzneimittelwirkstoffen, dar [21]. In einer großen retrospektiven Studie an 266.499 Patienten älter als 65 Jahre, die sich einem elektiven, nichtherzchirurgischen Eingriff unterziehen mussten, konnte gezeigt werden, dass die 90-Tage-Letalität bei Patienten mit Polypharmazie signifikant höher lag als bei Patienten, bei denen keine Polypharmazie vorlag (3,0 % vs. 1,6 %, Hazard Ratio 1,21; 95 %-Konfidenzintervall 1,14–1,27; [20]). Der Erfassung der oben genannten Risikofaktoren kommt daher in der präoperativen Evaluation der geriatrischen Patientinnen und Patienten eine entscheidende Rolle zu. Daher erscheint es essenziell, Patienten in der entsprechenden Altersklasse vor einem elektiven Eingriff frühzeitig zu evaluieren, um ggf. noch die Möglichkeit einer Prähabilitation im Sinne einer multimodalen, fachgebietsübergreifenden Intervention ausschöpfen zu können [5]. Mögliche Interventionen beinhalten eine präoperative Konditionierung mittels Physiotherapie und körperlichen Trainings [31], optimierter Ernährung [31] sowie eine Anpassung der Hausmedikation [28]. Hierfür wird von verschiedenen Autoren die Einführung eines strukturierten Patientenpfades favorisiert [5].

3. Neoadjuvante Therapie

Die neoadjuvante Radiochemotherapie (RCT) ist der empfohlene Standard in der Therapie des lokal fortgeschrittenen Ösophaguskarzinoms [19]. Bosch et al. untersuchten die Auswirkung der neoadjuvanten RCT auf die postoperative Komplikationsrate [3]. Das Risiko einer postoperativen Pneumonie war im untersuchten Kollektiv mit RCT signifikant höher als in demjenigen ohne RCT (27,1 vs. 51,0 %; p = 0,001). Das erhöhte Risiko hatte aber keinen Einfluss auf die Mortalität oder die postoperative Krankenhausaufenthaltsdauer [3]. Eine kürzlich publizierte Analyse der gesundheitsbezogenen Lebensqualität von Teilnehmern der niederländischen CROSS (Oesophageal cancer followed by Surgery Study) zeigte einen vorübergehenden Abfall von physischer Leistungsfähigkeit, Ernährungsfunktionen, Gesamtlebensqualität, Fatigue und emotionalen Funktionen während und unmittelbar nach neoadjuvanter Radiochemotherapie. Dies blieb allerdings ohne negative Auswirkungen auf die postoperative gesundheitsbezogene Lebensqualität und Funktionen im Vergleich zu alleiniger Chirurgie [22]. Ein Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit unter neoadjuvanter RCT konnte auch bei Patienten mit Rektumkarzinom gezeigt werden [30]. Insbesondere innerhalb einer 6‑Wochen-Periode unter neoadjuvanter RCT konnte die Interventionsgruppe ihre VO2max-Werte signifikant verbessern (p < 0,0001), während bei der Kontrollgruppe keine Veränderung eintrat (p = 0,204). Eine mit der Gesamtphase der neoadjuvanten RCT assoziierte Verschlechterung der körperlichen Leistungsfähigkeit konnte somit kompensiert werden [30]. Berücksichtigt man den Stellenwert der körperlichen Fitness als Prädiktor, sollte die funktionale Kapazität präoperativ maximal gesteigert werden, um dem bevorstehenden Stressor (Operation) mit einem höheren Ausgangsniveau zu entgegnen und das Risiko von postoperativen Komplikationen zu minimieren [12].

Präkonditionierung während neoadjuvanter Therapie: Sinnvoll oder gefährlich?

Zahlreiche Studien belegen klinisch relevante Effekte bewegungstherapeutischer Interventionen über alle Phasen der onkologischen Behandlung. Neben positiven Einflüssen auf therapieassoziierte Nebenwirkungen kann Sport auch bei Krebspatienten Auswirkungen von Bewegungsmangel entgegenwirken und die gesundheitsspezifische Lebensqualität verbessern. In kleineren Studien zu Bewegungsprogrammen vor onkologischer Therapie wurden verringerte Komplikationsraten, schnellere Regenerationsphasen und eine reduzierte Krankenhausverweildauer beobachtet [29]. Studien belegen auch eine Verbesserung der Chemotherapieadhärenz [6]. Aktuelle Daten liefern darüber hinaus Hinweise, dass durch regelmäßige körperliche Bewegung die krebsspezifische Letalität bei Brust- und Dickdarmkrebs gesenkt werden kann [26]. Die Mechanismen für diesen Zusammenhang sind jedoch noch ungeklärt. Diskutiert werden unter anderem Auswirkungen auf das Immunsystem mit einer Steigerung der Aktivität zytotoxischer NK- und T‑Lymphozyten sowie eine Reduktion von Inflammation, womit tumorinduzierte Immunevasion reduziert werden kann [15].

Offene Fragen bestehen zur Intensität der Bewegungstherapie und zu optimalen Trainingsprogrammen. Grundsätzlich könnte es auch ein „zu viel“ an Bewegung geben mit immunsuppressiven Effekten [27]. Auch das Risiko einer Verschleppung von Tumorzellen infolge sportlicher Betätigung wurde bereits vor Jahrzehnten diskutiert und in verschiedenen Ansätzen wissenschaftlich untersucht. Seriöse Hinweise, dass Sport eine klinisch relevante Risikoerhöhung für Metastasierung darstellt, fanden sich dabei bislang allerdings nicht [14].

4. Der onkologische Patient mit Fatigue in der Präkonditionierung

Es ist inzwischen gut belegt, dass die Mehrzahl der Patienten während der Krebsbehandlung an krebsspezifischer Fatigue („cancer related fatigue“ [CRF]) leidet und dass dies einen signifikanten Einfluss nicht nur auf die körperliche und psychosoziale Funktionsfähigkeit, sondern auch auf die Lebensqualität der Patienten hat [1]. Die vorliegende Evidenzlage für die Wirksamkeit von Sport- und Bewegungstherapien sowie psychologischen Interventionen zur Reduktion von Fatigue ist breit, die Effektstärken liegen allerdings im kleinen bis mittleren Bereich [2]. Ein wichtiger Baustein bei der Durchführung der Therapien zur Unterstützung von Verhaltens- und Lebensstiländerungen ist die Motivation und Compliance von Patienten und deren Angehörigen. Wissenstransfer, d. h. Information allein, ist in der Regel nicht ausreichend, um dauerhafte Verhaltensänderungen zu erzielen. Um zu verhindern, dass mitunter die Fatigue zu einer erheblichen Hemmschwelle wird, sind die Identifikation und das gezielte Adressieren von individuellen Barrieren und förderlichen Faktoren wichtig (Abb. 1).

Abb. 1
figure 1

Flow-Chart zur Förderung der Verhaltensänderung hin zur Bereitschaft einer gesundheitsförderlichen Lebensstilveränderung

Abschlussdiskussion

Der Vorteil der Prähabilitation bei Hochrisikopatienten liegt insbesondere darin, in einer klinisch relevanten sowie praktikablen Möglichkeit die funktionellen Reserven des Patienten bereits präoperativ auf eine Ebene oberhalb der basalen Kapazitäten zu heben und somit die Häufigkeit postoperativer Komplikationen zu senken. Dabei steht nicht nur die Reduktion pulmonaler Komplikationen (Pneumonie, Reintubationsrate, Beatmungszeit) im Vordergrund, sondern auch, durch optimierte präoperative Konzepte das Risiko für eine Bakteriämie/Sepsis, Wundheilungsstörungen und Anastomoseninsuffizienzen zu reduzieren bis zu minimieren.

Die Bedeutung für die Anwendung in der Praxis ist immens, da die präoperative Konditionierung und pulmonale Optimierung im Sinne eines Bewegungstrainings auf jegliche operativen Bereiche fachspezifisch (beispielsweise viszeralonkologische Eingriffe) als auch fachübergreifend (unfall-, neuro- und herzchirurgische, orthopädische Eingriffe) anwendbar ist. Der Mehrwert der präoperativen Konditionierung liegt in einer schnelleren Rekonvaleszenz und deren gesundheitsökonomischen Aspekten, einer reduzierten Morbidität und Letalität sowie schließlich auch in der Möglichkeit eines verbesserten Langzeitüberlebens.

Prinzipiell kann eine perioperative Vorgehensweise auch mit der klassischen postoperativen supportiven Therapie gekoppelt werden. Ein solches Konzept verfolgen wir beispielsweise im Rahmen unserer prospektiv randomisiert kontrollierten Pilotstudie („internet-based Perioperative Exercise Program“[iPEP]-Studie), die Patienten mit einem Barrett-Karzinom vor und nach einer geplanten Ösophagektomie eine internetbasierte perioperative Sporttherapie im häuslichen, stationären und ambulanten Setting ermöglicht [23].

Derzeit gibt es allerdings nur wenige Studien zu komplexen viszeralonkologischen Operationen, welche präoperative Kurzzeitkonzepte umsetzen und hierdurch auch bei relativ dringlich anstehenden Eingriffen supportives Vorgehen ermöglichen. Hierfür planen wir derzeit eine prospektiv, multizentrisch, kontrolliert randomisierte Studie mit einem Kurzzeitpräkonditionierungskonzept vor komplexen viszeralonkologischen Operationen. Das Ziel dieser Studie ist es, die Auswirkungen einer Präkonditionierung innerhalb von 24 h vor und nach dem operativen Eingriff zu bewerten. Zentren, die sich mit der Logistik dieser Studie befassen, sind herzlich eingeladen, daran teilzunehmen und bei Interesse für das detaillierte Studienprotokoll, das Studienhandbuch (SM) und die Case Report Forms (CRFs) die Korrespondenzadresse zu kontaktieren (PS).

Fazit für die Praxis

  • Berücksichtigt man den Stellenwert der körperlichen Fitness als Prädiktor für das chirurgische Ergebnis, sollte die funktionelle Kapazität vor komplexen viszeralonkologischen Operationen maximal gesteigert werden, um der bevorstehenden Operation mit einem höheren Ausgangsniveau zu entgegnen und das Risiko von postoperativen Komplikationen zu minimieren.

  • Liegt ein erhöhtes Risikoprofil vor dem viszeralchirurgischen Eingriff vor, soll ein interdisziplinär abgestimmtes perioperatives Management mit Prähabilitation festgelegt und verfolgt werden.

  • Hilfreich zur präoperativen Risikoevaluation sind die kardiovaskulären Scores und Indizes, wie der Revised Cardiac Risk Index (RCRI) nach Lee, alternativ der National Surgical Quality Improvement Program (NSQIP) Myocardial Infarction and Cardiac Arrest (MICA)-Risikoindex oder der American College of Surgeons (ACS) NSQIP. Zudem haben die präoperative Lungenfunktion, Angaben des Energieverbrauchs anhand der vom Patienten berichteten Aktivitäten (metabolisches Äquivalent [MET]) und zielgerichtete Zusatzuntersuchungen einen Stellenwert.

  • Ein einfaches Instrument zur Erfassung der Gebrechlichkeit des alten und geriatrischen Patienten stellt der „fried frailty phenotype“ dar.

  • Das Vorhandensein einer Polypharmazie beim geriatrischen Patienten geht mit einer erhöhten postoperativen Letalität einher.

  • Um zu verhindern, dass die Fatigue unter neoadjuvanter Therapie beim viszeralonkologischen Patienten zu einer Hemmschwelle hinsichtlich der Prähabilitation wird, sind die Identifikation und das gezielte Adressieren von individuellen Barrieren und förderlichen Faktoren wichtig.