figure a

Prof. Dr. Olaf Ortmann (© Manfred Wigger)

Wissenschaft ohne kritische Diskussion ist keine Wissenschaft. Zu den Grundprinzipien wissenschaftlichen Arbeitens gehört deshalb, dass Forschungsergebnisse der Fachwelt in wissenschaftlichen Journalen oder auf Kongressen zugänglich gemacht werden. Ein wesentliches Werkzeug der Qualitätskontrolle dieses Systems ist der Peer Review, der vor der Publikation eine inhaltliche Prüfung durch Gutachter vom Fach vorsieht: Führt die Arbeit zu neuen Erkenntnissen, ist die gewählte Methodik geeignet, die Forschungsfrage zu beantworten, sind die Daten konsistent, fehlt ein wesentlicher Aspekt? Dieses System hat sich bewährt – dennoch wird es in den letzten Jahren zunehmend von schwarzen Schafen, sogenannten Raubverlegern, unterlaufen. Pseudo-Journale, getarnt als seriöse Fachmagazine, veröffentlichen gegen Zahlung einer Bearbeitungsgebühr nahezu alles – ohne Prüfung der wissenschaftlichen Qualität. Und auf den Fachkongressen dieser dubiosen Verlage kann fast jeder auch ohne fachliches Wissen vortragen, wenn er nur seinen Kongressbeitrag bezahlt – so dokumentiert in mehreren kürzlich erschienenen Beiträgen von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung.

Mehr 5000 deutsche Forschende haben laut Angaben der Journalisten seit 2014 Artikel in Scheinverlagen publiziert. Zum Geschäftsmodell der Raubverleger gehört das Werben mit Namen von Journalen oder Kongressen, die sich von seriösen in der Fachwelt gut etablierten Angeboten kaum unterscheiden. In ihren Editorial Boards werden oft renommierte Forschende aufgeführt, auch wenn diese einer Teilnahme gar nicht zugestimmt haben. Dabei sind nicht alle Beiträge in diesen Journalen qualitativ schlecht. Und Open-Access-Journale, bei denen die Autoren selbst oder ihre Institutionen für den freien Zugang zur Publikation bezahlen, haben mittlerweile auch in seriösen Verlagen einen festen Platz. Das alles macht es nicht immer leicht, die schwarzen Schafe zu erkennen. Zudem ist der Publikationsdruck in den letzten Jahren enorm angestiegen.

Ein großer Teil der Beiträge wurde vermutlich in Unkenntnis der Praktiken dieser Verlage eingereicht. Man mag einwenden, nur ein verschwindend kleiner Teil der Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in Deutschland, etwa 1 Prozent, sei ihnen bislang aufgesessen. Besorgniserregend ist jedoch die offensichtlich rasch ansteigende Zahl der Veröffentlichungen in Pseudojournalen und der damit verbundene Image-Schaden. Wissenschaft, die sich nicht klar gegen die Praktiken von Raubverlagen stellt, riskiert den Vertrauensverlust in der Öffentlichkeit. Ganz abgesehen davon, dass Raubverlage die Open-Access-Idee schädigen, die angetreten ist, um die Ergebnisse öffentlich finanzierter Forschung frei zugänglich zu machen.

Als medizinische Fachgesellschaft können wir diese Entwicklung keineswegs gutheißen. Wissenschaftsorganisationen wie die Helmholtz-Gesellschaft und die Allianz der Wissenschaften haben inzwischen Checklisten veröffentlicht, deren Lektüre ich nur empfehlen kann. Nachwuchswissenschaftler sollten vor der Auswahl eines Fachmagazins für ihre Arbeit mit erfahrenen Kollegen sprechen. Und auch für erfahrene Experten gilt, dass sie bei der Wahl ihrer Publikationsmedien Sorgfalt walten lassen.

Das bringt mich zu einem anderen Trend in der Publikationslandschaft: der zunehmenden Marktmacht einzelner großer Wissenschaftsverlage. Allein der Marktführer Elsevier publiziert mehr als 2000 Journale mit außergewöhnlich hohen Gewinnmargen. Nicht wenige Universitäten in Übersee und Europa haben sich aufgrund hoher Abonnementkosten und unflexibler Lizenzmodelle von diversen Journalen trennen müssen; die Verhandlungen der Hochschulrektorenkonferenz mit Elsevier über eine Nationallizenz für die Hochschul- und Forschungsbibliotheken sind vorerst leider gescheitert. Man kann den Unmut der Hochschulen gut verstehen, wenn man bedenkt, dass ihre Autoren die Nutzungsrechte an ihren aus öffentlichen Mitteln geförderten Publikationen an Verlage abtreten, und dann die Rechte für die Lektüre wieder zurückgekauft müssen – mit hohen Summen aus öffentlichen Mitteln.

Hohe Lizenzkosten für Closed-Access-Zeitschriften, die aus öffentlichen Mitteln finanziert werden müssen, waren im Übrigen wesentliche Gründe für das Aufkommen des Open-Access-Gedankens. Wir brauchen transparente Kostenmodelle für Closed-Access-Publikationen und die Weiterentwicklung von seriösen Open-Access-Modellen, damit Forschungsergebnisse für die wissenschaftliche Community gut zugänglich sind.

figure b

Ihr Olaf Ortmann

Präsident der Deutschen Krebsgesellschaft