Liebe Leserinnen und Leser,

die Herausforderung der digitalen Transformation von Geschäftsprozessen ist mittlerweile in den meisten Unternehmen angekommen. Ein „Weiter so!“ erscheint für Controller nur bedingt eine Erfolg versprechende Alternative zu sein. Gleichzeitig muss sich ein klares Verständnis des Controllings der Zukunft noch entwickeln. Naheliegend, sich just an dieser Stelle den Digital Pure Players zuzuwenden, also Unternehmen, deren Geschäftsmodell ausschließlich oder sehr weitgehend auf digitalen Prozessen beruht. Was machen sie anders? Was können wir von ihnen lernen?

Die gute Nachricht vorab: Auch wenn die Literatur bei digitalen Start-ups eine ausgeprägte Dominanz informeller Steuerungsmechanismen postuliert, findet man ab einer bestimmten Größe auch bei Digital Pure Players Controller und ihr Handwerkszeug. Häufig früher, als man es eigentlich erwarten würde. Dabei erinnert die Steuerung vieler digitaler Spieler an zentrale Elemente des „Beyond Budgeting“-Konzepts — schlanke und top-down-orientierte Zielsetzung, ein hoher Grad an interner Transparenz, häufig aktualisierte Forecasts et cetera. Auf einer instrumentellen Ebene kann man beobachten, dass nicht-finanziellen Kennzahlen in der Regel eine deutliche höhere Bedeutung als in etablierten analogen Unternehmen zukommt. Dies erklärt sich zum einen mit den technischen Möglichkeiten („Click Rates“), zum anderen mit den Geschäftsmodellen und der damit verbundenen konsequenten Kundenorientierung dieser Unternehmen. Entsprechend kommt dem Lebenszyklus der Kunden und den damit verbundenen Kenngrößen eine höhere Bedeutung zu. Dies führt unmittelbar zu einem weiteren Aspekt: Während die Steuerung von Kundenakquise und -zufriedenheit auch bei den Pure Players durchaus kurzfristig erfolgt, scheint das Profitabilitätsdenken im Regelfall deutlich längerfristig orientiert zu sein — so es denn die Kapitalgeber zulassen. Weiter stellt man fest, dass dem Denken in Cashflows eine sehr bedeutende, der Steuerung mit Größen des Rechnungswesens eine im Vergleich eher geringe Rolle zukommt. Auch dieser Unterschied lässt sich leicht erklären: Die Finanzierungsnotwendigkeiten digitaler Start-ups und Ventures lassen kaum eine Alternative zu.

Ein letzter Unterschied erscheint uns für etablierte analoge Spieler, deren Controlling sich zunehmend mit digitalen Geschäftsmodellen auseinandersetzt, von essenzieller Bedeutung zu sein. Das Controlling-Mindset in den Pure Players ist in der Regel in viel höherem Maße durch eine Kultur des Testens und Lernens geprägt. Die damit verbundenen Risiken werden bewusst und mit viel weniger bürokratischem Genehmigungsaufwand in Kauf genommen, um der schnellen und kontinuierlichen Anpassung an die Märkte gerecht zu werden. Ein solcher Mindset ist dem etablierten Controlling in analogen Unternehmen eher fremd, und genau hier liegt entsprechend eine zentrale Herausforderung: Wie kann eine entsprechende Steuerungslogik auch kulturell verankert werden, während die traditionelle Steuerung für die etablierten Geschäftsmodelle weiter sinnvoll und adäquat ist?

Sie sehen: Das Thema ist vielschichtig. Wir wollen es mit dem vorliegenden Heft zumindest anreißen.

Viel Vergnügen bei der Lektüre wünschen Ihnen

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