Liebe Leserinnen und Leser,

das Gesundheitswesen ist ohne Zweifel ein sehr wichtiger Bereich moderner Volkswirtschaften. Dies gilt besonders für die hoch entwickelten Industrienationen. Sie kämpfen alle mit zwei Faktoren, die Gesundheit zunehmend unbezahlbar machen: mit der demografischen Entwicklung einerseits — weniger vornehm formuliert mit der Überalterung der Gesellschaft — und mit der geradezu explosionsartigen Entwicklung der medizinischen Möglichkeiten andererseits. Letztere erfordert zunehmend hohe Investitionen, die refinanziert werden müssen. Medizinische, ethische und ökonomische Aspekte sind unlösbar miteinander verknüpft. Erschwerend kommen zwei Aspekte hinzu: Zum einen liegt kein funktionierender Markt vor, denn Kranke sind keine souveränen Kunden. Zum anderen sind sehr unterschiedliche Akteure und Interessengruppen im Gesundheitswesen in ein enges Netzwerk eingebunden. Einfache Lösungen müssen scheitern. Jeder versucht, seine Interessen, geschützt durch die Komplexität des Gesamtsystems, durchzusetzen. In der Konsequenz haben wir ein Gesundheitssystem, das zu den teuersten der Welt zählt. Wer weiterhin jedem Bürger die Möglichkeiten moderner Medizin bieten will, muss helfen, alle Effizienzreserven im System zu heben.

Und genau an dieser Stelle kommt Controlling eine zentrale Rolle zu. Wie in Unternehmen auch, muss zunächst Transparenz geschaffen werden. Das Gesundheitssystem muss berechenbarer werden. Hier ist zum Beispiel auf der Seite der Krankenhäuser schon sehr viel passiert. Heute weiß man, was eine bestimmte Behandlung kostet und kosten darf. Damit wurden für die einzelnen Häuser erhebliche Leistungsanreize geschaffen, die ihrerseits einen erheblichen Handlungsdruck ausgelöst haben. Nicht alle Krankenhäuser werden diesem Druck standhalten. Wir werden in Zukunft weniger Krankenhäuser haben, die höher spezialisiert sind und damit sowohl auf der Kosten- als auch auf der Leistungsseite besser dastehen. Höhere Transparenz hilft auch, anstehende strukturelle Entscheidungen zu erleichtern, um die Arbeitsteilung innerhalb des Gesundheitssystems zu verändern. Sie hilft, die Folgen opportunistischer Interessenpolitik einzelner Spieler zu bewerten.

Mehr Controlling ist nicht kostenlos. Ärzte in Krankenhäusern etwa stöhnen unter den administrativen Mehrbelastungen. Zudem besteht gerade in Krankenhäusern ein Fehlsteuerungsrisiko: Kosten sind leichter messbar als nicht-finanzielle Größen, finanzielle Zielgrößen lassen sich leichter nachhalten als manche nicht-finanzielle Nebenbedingung. Schnell gerät so das Gleichgewicht zwischen Kosten und Qualität der Leistungserstellung aus der Balance, schnell sind die dysfunktionalen Nebenwirkungen einseitiger Kostenorientierung und die Arbeitsverdichtung dem Controlling angelastet. In manchen Fällen wohl nicht einmal zu Unrecht. Dennoch führt kein Weg daran vorbei. Hier zu investieren, ist allemal besser, als medizinische Leistungen einschränken zu müssen, weil sie nicht mehr bezahlbar sind.

Viel Spaß bei der Lektüre wünschen Ihnen

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