Ausgangslage

Die Beiersdorf Strategie

Seit dem Jahr 2005 hat der Beiersdorf Konzern sein operatives Geschäft konsequent an der Strategie „Passion for Success“ ausgerichtet. Diese gibt dem Unternehmen klare Ziele vor: Die kontinuierliche Steigerung der Marktanteile in allen Bereichen durch qualitatives Wachstum sowie den Ausbau der Ertragslage. Diese Ziele verfolgt das Unternehmen durch eine konsequente Umsetzung von Maßnahmenpaketen, die unter vier strategischen Eckpfeilern subsumiert sind:

  • ▪ Herausragende Marken

  • ▪ Herausragende Supply Chain

  • ▪ Regionale Fokussierung

  • ▪ Herausragende Führungskompetenz in effizienten Strukturen

Die Maßnahmen selbst, hausintern auch Arbeitspakete genannt, können dabei von ganz unterschiedlicher Art sein. Die Arbeitspakete können gemäß ihres inhaltlichen Fokus generell in die Kategorien Wachstum, Profitabilität und Enabler eingeteilt werden. Zu den Wachstumsmaßnahmen gehören Initiativen wie die Einführungen von Produktlinien in neuen geografischen Märkten, Produktinnovationen, Expansionsprogramme für einzelne Marken oder auch Akquisitionen. Daneben finden sich Profitabilitäts- bzw. Effizienzmaßnahmen z. B. zur Optimierung der Supply Chain oder des Administrationsbereiches aber auch Strukturmaßnahmen (Enabler), die die Fähigkeitspotenziale der Organisation vergrößern.

Die Strategie wird regelmäßig überprüft und weiterentwickelt. Ein fester kalendarisch bestimmter Zyklus der Strategieüberarbeitung existiert dabei aber nicht. Die Anpassung erfolgt eher anlassbezogen: Entweder weil bei der internen Überprüfung ein Änderungsbedarf oder eine neue strategische Option erkannt wurde, oder weil externe Ereignisse eine Änderung anstoßen. Hierzu können grundsätzliche Veränderungen im Verbraucherverhalten, substanzielle Wettbewerbsveränderungen aber auch weitreichende Änderungen im regulatorischen Bereich gehören. Dabei werden in der Regel neue strategische Initiativen erarbeitet oder bestehende angepasst. Die besondere Herausforderung besteht darin, eine inhaltlich konsistente Kombination von Initiativen bzw. Arbeitspaketen festzulegen, die die gewünschte Strategie unterstützt und gleichzeitig den gesetzten finanziellen Rahmenbedingungen und Zielsetzungen entspricht.

Einordnung finanzieller Aspekte in den Strategieentwicklungsprozess

Die finanziellen Implikationen werden für jedes einzelne Arbeitspaket isoliert geplant. Auswirkungen auf den Umsatz, die laufenden Kosten, gegebenenfalls notwendige Sachinvestitionen, Projektaufwendungen etc. können für die einzelne Maßnahme mehr oder weniger gut prognostiziert werden. Häufig liegen auch alternative Kosten- und Erlösverläufe vor, die mögliche Szenarien vom „Best Case“ über den „Base Case“ bis zum „Worst Case“ abbilden. Damit ist unter gegebenen Annahmen eine jeweilige finanzielle Beurteilung einer strategischen Maßnahme isoliert relativ gut möglich. Viel schwieriger ist es jedoch, die finanziellen Auswirkungen mehrerer möglicher Maßnahmen gemeinsam auf die Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns insgesamt darzustellen und zu optimieren. Einerseits gibt es vielfältige Interdependenzen zwischen den Maßnahmen, z. B. wenn der zeitgleiche Einstieg in neue Marktsegmente mit dafür benötigten Marketingbudgets die Profitabilität zu stark belastet. Dann mögen die einzelnen Maßnahmen isoliert vorteilhaft sein, in Summe sind sie aber nicht realisierbar. Eine zeitliche Entkopplung oder der Verzicht auf eine dieser Maßnahmen könnte das Problem gegebenenfalls lösen. Genau solche Interdependenzen sollen transparent gemacht werden. Andererseits haben externe Faktoren wie die langfristigen Wachstumsraten der Märkte, das grundsätzliche Wettbewerberverhalten, die langfristige Rohstoffpreisentwicklung oder auch die nachhaltige Verschiebung von Wechselkursparitäten erhebliche Auswirkungen auf die strategische Planung. Ändern sich diese Rahmenbedingungen, so ändert sich selbstredend nicht nur die finanzielle Situation des Konzerns, sondern auch die optimale Kombination von strategischen Maßnahmen. Auch für diese Fälle gilt es, verschiedene Konstellationen und Szenarien schnell und nachvollziehbar zu simulieren und so die finanziellen Effekte transparent zu machen.

  • ▪ Operative Finanzdaten (Umsatz und EBIT Marge) sowie Marktanteilsinformationen stellen die zentralen Steuerungsgrößen der Beiersdorf AG dar. Eine strategische Finanzplanung basiert daher auf der Integration von Finanz- und Marktdaten in einer Struktur, die das Geschäftsmodell des Unternehmens hinreichend genau abbildet.

  • ▪ Die Abbildung eines Geschäftes, das aus über 100 Markengruppen in über 200 Ländern besteht, erfordert zwingend eine moderne BI-Systemunterstützung. Ohne diese wäre eine benutzerfreundliche Durchführung von Szenarioanalysen und Simulationen nicht möglich. Eine sorgfältige Systemauswahl sowie eine professionelle Systembetreuung und -anwendung sind unabdingbar.

  • ▪ Die Strategische Planung und Simulation erfolgt in drei Schritten: Zunächst werden belastbare Annahmen über die künftige Marktentwicklung getroffen. Diese bilden zusammen mit generellen Annahmen zur Kostenstruktur die Basis für eine Planung des bestehenden Geschäftes, den so genannten Reference Case. Schließlich werden strategische Optionen simuliert und diese in Relation zum Reference Case bewertet, um künftige strategische Stoßrichtungen abzuleiten.

  • ▪ Die strategische Planung bei Beiersdorf ist ein interdisziplinärer Prozess, in den neben dem Controlling weitere Fachfunktionen sowie Landesgesellschaften eingebunden sind. Das Controlling kann hier erhebliche Wertbeiträge liefern, vorausgesetzt es ist entsprechend qualifiziert und erhebt den Anspruch, den Prozess mitzugestalten und für finanzielle Transparenz zu sorgen.

Die finanzielle Darstellung und Bewertung strategischer Optionen, das Aufzeigen potenzieller Konflikte zwischen Arbeitspaketen sowie die Integration der Arbeitspakete in einen strategischen Finanzplan ist eine Teilaufgabe der strategischen Planung. Hierbei ist insbesondere sicherzustellen, dass die finanziellen Implikationen der Arbeitspakete zusammen mit dem übrigen laufenden Geschäft zu einem zielkonformen und belastbaren Finanzplan für die kommenden Jahre führen. Dieser Finanzplan soll sich nahtlos in die bestehenden operativen Reportingstrukturen überführen lassen und anschließend zur Ableitung operativer Jahresziele dienen.

Beiersdorf steuert sein Geschäft sowie alle seine Tochtergesellschaften im Wesentlichen über drei strategische Größen:

  • ▪ Marktanteil

  • ▪ Umsatz

  • ▪ EBIT Marge

Der strategische Finanzplan fokussiert mithin weitgehend auf diese Größen. Bilanzielle Aspekte, insbesondere Liquiditäts- und Finanzierungsgrößen bleiben unberücksichtigt, da sie aufgrund der bestehenden Bilanzstruktur auf absehbare Zeit praktisch keine Restriktion darstellen. Das Geschäft ist nicht kapitalintensiv und der Konzern arbeitet traditionell innenfinanziert. Oberste Priorität hat dagegen die operative Performance. Die intelligente Verknüpfung der internen Steuerungsgrößen Umsatz und EBIT mit externen Marktgrößen, insbesondere dem Marktanteil, ist deshalb von entscheidender Bedeutung für realistische Projektionen und Simulationen zur finanziellen Beurteilung möglicher Strategien.

Anforderungen an die strategische Planung

Vor diesem Hintergrund sind die Anforderungen an die strategische Planung beachtlich. Dies liegt vor allem an fünf Charakteristika der konkreten Aufgabenstellung:

Marktbezug

Die wichtigste Referenzgröße für die strategische Planung eines Konsumgüterunternehmens ist die Marktgröße und die Marktentwicklung. Der Markt gliedert sich in Kategorien und Länder. Kategorien sind z. B. die Marktsegmente Gesichtspflege (Face Care), Haarpflege (Hair Care), Körperpflege (Body Care) usw. Die Unterteilung des Weltmarktes in Ländermärkte ermöglicht es, entscheidende Charakteristika, wie das Verbraucherverhalten, die Wettbewerbs- und Handelsstruktur sowie natürlich das Marktpotenzial selbst, landesspezifisch zu differenzieren. Die planerische Sicht auf das Beiersdorf Geschäft folgt deshalb dieser Struktur. Allerdings ist die Marktunterteilung nicht vollständig mit der Organisationsstruktur des Konzerns identisch. Aufgrund ihrer teilweise geringen Umsatzgrößen lassen sich nicht alle Marken sinnvoll in alle von ihnen abgedeckten Kategorien aufteilen. In einzelnen Fällen werden auch Märkte sehr kleiner Länder grenzüberschreitend zusammengefasst. Das Angebot von Marktdaten und die interne Sicht auf das Geschäft können also auseinanderfallen. Dadurch entstehen parallele Datenhierarchien, die ineinander überführt werden müssen.

Verknüpfung mit der Jahresplanung

Die strategische Planung und die Jahresplanung sind auf zweifache Weise miteinander verknüpft. Einerseits dient die Jahresplanung zusammen mit der historischen Geschäftsentwicklung der letzten Jahre als erster Anhaltspunkt für die auf einen längeren Zeitraum gerichtete strategische Planung. Andererseits gibt die strategische Planung den Zielkorridor für die Jahresplanung der nächsten Perioden vor. Um diesen Zusammenhang systemseitig abbilden zu können, ist es notwendig, die strategische Planung und die Jahresplanung strukturgleich aufzubauen. Eine schlichte Kopie der Strukturen der operativen Finanzplanung ist aber aus Komplexitätsgründen nicht realisierbar. Es sind also Aggregate (Konsolidierungsebenen, Planungsperioden, Kennzahlen etc.) zu bestimmen, die für die strategische Planung „noch grob genug“ und für die operative Planung „schon fein genug“ sind.

Abbildung der Geschäftsstruktur

Sowohl die Jahresplanung als auch die strategische Planung orientieren sich an der Struktur des Geschäftes und der Beiersdorf Organisation. Diese sind matrixförmig in unterschiedlichen Hierarchien gegliedert. So sind Produkte z. B. einerseits Markengruppen und Marken zugeordnet, andererseits aber auch Organisationseinheiten und Kategorien (siehe Abbildung 1). Um die strategische Planung in operative Vorgaben übersetzen zu können, leitet Beiersdorf die Ergebnisrechnung des Gesamtkonzerns aus Teilergebnisrechnungen ab. Somit entsteht für jeden denkbaren Schnittpunkt der Hierarchien (z. B. je Kategorie und Land) prinzipiell die Notwendigkeit einer eigenen Ergebnisrechnung je Planungsperiode (siehe Abbildung 2). Bewusst verzichtet wurde auf eine explizite Abbildung der unterschiedlichen Vertriebskanäle wie z. B. dem „Mass Market Channel“ (u. a. Supermärkte), dem Pharmacy Channel (Apotheken) oder dem Distributor Channel (Zwischenhändler). Implizit sind diese allerdings in der Modellstruktur vorhanden, da in aller Regel in einem Land eine Kategorien bzw. Markengruppe hauptsächlich nur über einen Vertriebskanal vertrieben wird. Die verbleibende leichte Unschärfe in der Struktur ist im Lichte der damit vermiedenen weiteren Dimension des Datenmodells akzeptabel und hat praktisch keine Auswirkung auf die Aussagekraft des Planungsergebnisses.

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Abb. 1 | Produkt- und Markenstruktur

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Abb. 2 | Dimensionen des strategischen Finanzmodells

Beherrschung der Komplexität und des Datenvolumens

Dennoch ergibt sich aus der Komplexität der Reportingstrukturen und dem großen Umfang von Marktinformationen zwangsläufig ein immenses Datenvolumen, das die strategische Planung verarbeiten muss. Mehr als 100 Markengruppen werden in etwa 200 Tochtergesellschaften weltweit vermarktet. In manchen Ländern wird darüber hinaus noch nach Umsatz in dem jeweiligen Land und Exportgeschäft unterschieden. Ohne eine konsequente Beschränkung auf die Abbildung nur ganz weniger Steuerungsgrößen und externer Marktdaten sowie die Reduktion der expliziten Modelldimensionen auf Kategorie, Land und Periode wäre das Datenvolumen trotz modernster und leistungsfähigster IT-Unterstützung nicht mehr beherrschbar geworden. Um aber die Akzeptanz der späteren Simulationsergebnisse sicherzustellen, ist einerseits eine sehr weitgehende Qualitätskontrolle der Inputdaten notwendig und andererseits muss das Modellverhalten, zumindest bei eingehender Beschäftigung mit der Materie, nachvollziehbar sein. Beides setzt voraus, dass der Umfang des Datenvolumens und die Komplexität des Modells begrenzt bleiben. Ansonsten ist die Gefahr, schon bei der ersten Managementpräsentation von Modellergebnissen zu scheitern, weil „die Zahlen eh falsch sind“ oder „das ja kein Mensch mehr verstehen kann“, einfach zu groß.

Flexibilität

Der Planungsansatz hat nicht nur einer statischen und einmaligen Planung zu dienen, sondern muss vielmehr in der Lage sein, Veränderungen der Umwelt oder eine Adaptation der Strategie pragmatisch und schnell abzubilden. So sollten beispielsweise geplante Käufe oder Verkäufe von Marken und Unternehmen genauso schnell in die Finanzplanung integriert werden können, wie veränderte Marktdaten oder Wechselkurse.

Modellumsetzung

Business Intelligence Lösung

Diese Anforderungen haben einen signifikanten Einfluss auf die Systemunterstützung der strategischen Planung bei Beiersdorf. Eigenentwicklungen auf der Basis herkömmlicher Office-Pakete scheiden von vorneherein aus. Diese Lösungen wären nicht in der Lage, das Datenvolumen adäquat zu verarbeiten und die notwendige Datenkonsistenz über mehrere parallele Hierarchien sicherzustellen. Außerdem fehlt es ihnen an leistungsfähigen Planungs- und Simulationsfunktionalitäten. Ohne eine umfassende Systemunterstützung durch eine moderne Business Intelligence (BI) Lösung ist eine Umsetzung dieser Anforderungen bei gleichzeitiger Sicherstellung einer hohen Benutzerfreundlichkeit nicht möglich. Zumal von vorneherein feststand, dass das System von der Controlling Fachabteilung bedient wird, und nicht von IT-Spezialisten.

Deshalb hat Beiersdorf ein strukturiertes Software-Auswahlverfahren unter BI Planungs- bzw. Simulationstools durchgeführt. Aus einem Universum von 60-80 am Markt verfügbaren Systemen wurden vier Instrumente vorausgewählt, die einer sehr umfassenden Prüfung und Bewertung unterzogen wurden. Wesentliche Auswahlkriterien waren die Simulationsfähigkeiten, die Benutzerfreundlichkeit, die Passung mit der bestehenden IT-Architektur sowie der Preis. Realisiert wurde das Projekt schließlich mit einer auf Basis von Board M.I.T. implementierten Lösung (siehe Abbildung 3).

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Abb. 3 | Systemeigenschaften der implementierten BI Lösung

Datenmodell

Das dem Planungstool zugrundeliegende Datenmodell ermöglicht eine konsistente Datenhaltung über mehrere Ebenen entlang der Dimensionen Land, Kategorie und Periode. Eingaben auf oberer Ebene (z. B. Region Europa) beeinflussen die relevanten Datenpunkte auf darunter liegenden Ebenen (z. B. Tochtergesellschaft in Italien). Ebenso beeinflussen Eingaben auf unterer Ebene die Daten auf höheren Ebenen.

Darüber hinaus werden Marktinformationen mit Unternehmensinformationen verknüpft. Somit können Wirkungszusammenhänge zwischen Markt und Unternehmen analysiert und die Entwicklung der Marktanteile abgeschätzt werden.

Planungs- und Simulationsfunktionalität

Das Planungstool bietet umfangreiche Funktionalitäten. Umsätze können u. a. über Marktanteilsentwicklungen, Umsatzwachstumsraten oder die Eingabe absoluter Umsatzwerte geplant werden. Die Kostenplanung kann ebenfalls in Form von Wachstumsraten und Absolutwerten erfolgen. Zusätzlich können Kosten aber auch als Anteil vom Umsatz geplant oder fortgeschrieben werden.

Die finanziellen Effekte der strategischen Maßnahmen bzw. Arbeitspakete werden zunächst jeweils individuell und isoliert geplant und anschließend mit dem Gesamtgeschäft konsolidiert. Die Arbeitspakete können damit gleichsam „per Knopfdruck“ ein- und ausgeschaltet bzw. auf der Zeitachse verschoben werden, um potenzielle Konflikte zwischen ihnen bzw. mit dem Gesamtgeschäft aufzuzeigen. Zur Abschätzung von Währungseffekten auf die Ertragslage ermöglicht das Tool die Simulation verschiedener Wechselkursszenarien. Außerdem können aus Umsatz- und Preisentwicklungen Mengenindices je Land und Kategorie abgeleitet werden. Diese Funktionalität gibt insbesondere der Supply Chain Organisation wertvolle Anhaltspunkte für die Kapazitäts- und Mengenplanung.

Organisatorische Verankerung der Planungsaufgabe

Die Konzeption und Entwicklung des Planungstools sowie die erstmalige Pilotierung der strategischen Finanzplanung in der derzeitigen Form erfolgten im Rahmen eines interdisziplinären Projektes bestehend aus Mitarbeitern der Strategieabteilung, des Marketing, der IT und dem Corporate Controlling. Im Anschluss ging die Verantwortung für die strategische Finanzplanung in die Corporate Controlling Linienorganisation über. Somit befinden sich die strategische Finanzplanung und die Jahresplanung in einer Hand und können eng miteinander verzahnt werden. Damit soll die strategische Planung explizit nicht auf die reine Finanzperspektive reduziert werden. Vielmehr soll das Controlling einerseits die Perspektiven der Strategieabteilung, des zentralen Marketings und des lokalen Ländermanagements in einem quantitativ finanziellen Modell zusammenführen und anderseits sicherstellen, dass dieses Modell auf qualitativ belastbaren Daten basiert und fachlich korrekte Abbildungen liefert.

Simulationsansatz

Beiersdorf verfolgt bei seiner strategischen Planung einen funktionsübergreifenden Ansatz. Es sind Führungskräfte aus den Bereichen Corporate Strategy, Marketing (zentral und lokal) sowie Finance & Controlling eingebunden. Die Planung erfolgt in vier Schritten:

Marktplanung

Da die Entwicklung der Märkte eine ganz entscheidende Referenzgröße für die künftige Entwicklung eines Konsumgüterherstellers bildet, ist dies der Startpunkt für die Planung. Basierend auf Prognosen und Vergangenheitsdaten von Marktforschungsinstituten wie Euromonitor, Nielsen, IMS u. a. wird eine Projektion des Marktwachstums je Land und Kategorie abgeleitet. Die dabei entstehende Prognosesicherheit ist naturgemäß begrenzt. Deshalb wird auch nicht der Anspruch erhoben, die „objektiv richtige“ Entwicklung darzustellen, sondern die, unter vernünftiger Berücksichtigung der relevanten externen Markteinschätzungen, plausibel erscheinende Entwicklung.

Aufbau eines Reference Case

Auf Basis der voraussichtlichen Marktentwicklung, der antizipierten Wettbewerberaktivitäten und der eigenen Innovationspipeline plant das Marketing mit Unterstützung durch das Controlling die Umsätze je Marke in den wichtigsten Märkten. Diese Planung aus Marketingperspektive wird nun von den für die Tochtergesellschaften verantwortlichen Controllern validiert. Konsistenzprüfungen, Plausibilitätskontrollen mit ähnlichen Maßnahmen in der Vergangenheit oder in anderen Märkten und vor allem die Diskussion aus zentraler und lokaler Perspektive helfen hier, die Belastbarkeit der Planung zu erhöhen. Fälle, in denen die Annahmen von Länderverantwortlichen und Markenverantwortlichen signifikant abweichen, werden detaillierter analysiert und von einem funktionsübergreifend besetzten Team diskutiert und entschieden.

Ausgehend von der abgestimmten Umsatzplanung werden die Kostenpositionen bis zum EBIT geplant. Dies erfolgt auf der Grundannahme, dass die Kosten zwar um Preissteigerungseffekte angepasst, aber in der grundsätzlichen Struktur konstant fortgeschrieben werden. Anschließend wird die Kostenstruktur nur in einzelnen, begründeten Ausnahmen z. B. beim Über- oder Unterschreiten von signifikanten Sprungstellen der Fixkostenentwicklung pro Land oder Marke verfeinert.

Simulation strategischer Optionen und Integration von Arbeitspaketen

Der so entstandene Reference Case bietet den Ausgangspunkt für die Definition strategischer Optionen. Alternative Szenarien mit unterschiedlichen Schwerpunkten bezüglich Kategorien oder Regionen werden mit konkreten finanziellen Annahmen hinterlegt und können somit bewertet und einander gegenübergestellt werden. Ebenso werden die Finanzpläne der einzelnen Arbeitspakte untereinander verglichen und mit der Umsatz- und Kostenplanung des Reference Case kombiniert. Auf diese Weise lassen sich finanzielle Konflikte zwischen strategischen Initiativen identifizieren und Lösungswege aufzeigen. Eine Entscheidung zwischen alternativen strategischen Optionen kann so faktenbasiert erfolgen. Ergänzt um weitere qualitative und quantitative Informationen erhält der Vorstand hierdurch eine sehr gute Datentransparenz und gleichzeitig entsprechende Gestaltungsempfehlungen des Controllings aus finanzieller Sicht. Er wird dadurch in die Lage versetzt, eine gesamtunternehmerische und finanziell vorteilhafte Strategie entwickeln bzw. entscheiden zu können.

Übersetzung in die operative Steuerung

Der verabschiedete strategische Finanzplan wird anschließend von den Controlling-Funktionen in Vorgaben zur operativen Steuerung des Unternehmens übersetzt. Auch hier spielen sowohl die Markenperspektive als auch die Länderperspektive eine bedeutende Rolle. Für jede dieser beiden Perspektiven hat Beiersdorf eine Portfolio Management Logik entwickelt. Diese ordnet die Tochtergesellschaften und Marken jeweils unterschiedlichen Clustern zu. Die Zuordnung erfolgt anhand der Marktgegebenheiten, der Performance der jeweiligen Tochtergesellschaft bzw. Marke in der Vergangenheit und der Potenzialeinschätzung durch das Top Management. Entsprechend ihrer Zuordnung bekommen die Länder und Marken konkrete Wachstums- und Profitabilitätsziele vorgegeben.

An diesen Zielen werden Tochtergesellschaften und Marken gemessen. Durch die fallweise Optimierung der Clusterung von Marken und Tochtergesellschaften sowie der dahinterliegenden Zielvorgaben in Abhängigkeit der aktuellen Markt- und Geschäftsentwicklung gelingt es, den Gesamtkonzern konsequent auf die Erreichung der strategischen Ziele auszurichten.

Fazit

Durch die Einführung einer systemgestützten strategischen Finanzplanung können die finanziellen Implikationen von strategischen Initiativen untereinander und auf das Gesamtgeschäft schnell und nachvollziehbar transparent gemacht werden. Aufgrund des großen Datenvolumens und der hohen Komplexität ist eine benutzerfreundliche Umsetzung allerdings nur unter Einsatz moderner BI-Systeme möglich. Finanzielle Konflikte und Optionen strategischer Programme können unter verschiedenen Szenarien externer Rahmenbedingungen, insbesondere der Marktentwicklung, simuliert und faktenbasiert diskutiert werden. Damit sollen nicht reine Finanzaspekte die Strategiefindung dominieren. Durch eine integrierte und vor allem managementorientierte Abbildung der Markt- und Finanzperspektive in einem quantitativen Modell, lässt sich vielmehr der Prozess der Strategiedefinition erheblich versachlichen. Controller können auch in diesem Bereich der Unternehmessteuerung große Wertbeiträge leisten und sollten deshalb den Anspruch erheben, den Strategieprozess mitzugestalten und für finanzielle Transparenz zu sorgen.