Ich glaube, dass kein Zeitalter bisher mehr Fälle von Dickleibigkeit hervorgebracht hat, als das Unsere.

Dieses Zitat ist nicht aktuell und stammt nicht etwa aus unserem Jahrzehnt, sondern von Thomas Short aus dem ersten wissenschaftlichen Buch über Adipositas von 1727. Schon zu dieser Zeit gab es Menschen, die eine deutliche Zunahme des Übergewichts beobachteten, wenn auch die Mangelernährung das vorherrschende Problem war [5]. Noch vor 40 Jahren gab es doppelt so viele mangelernährte Menschen wie Übergewichtige. Seither erlebten wir eine rasante Zunahme der Adipositas, die in den Industrienationen begann und sich über die ganze Welt ausbreitete. Nun ist ein Zustand erreicht, bei dem es auf unserer Erde mehr übergewichtige als mangelernährte Menschen gibt – ein Novum in der Menschheitsgeschichte [17]. Schon im 18. Jahrhundert erkannte man einen Zusammenhang zwischen viszeraler Fettansammlung und dem plötzlichen Versterben junger Patienten [5]. Wir wissen heute, dass eine Assoziation zwischen Adipositas und zahlreichen Begleiterkrankungen besteht. Wesentlich ist der Zusammenhang mit einem erhöhten kardiovaskulären Risiko, Diabetes mellitus, Krebsentwicklung [23], einer reduzierten Lebenserwartung [10] und einer verringerten Lebensqualität [14]. Auch die Entwicklung einer Schlafapnoe oder einer Arthrose ist deutlich wahrscheinlicher bei einem erhöhten Body-Mass-Index (BMI; [29]).

Komorbiditäten und Komplikationen von Übergewicht und Adipositas

Viele Organe und Organsysteme können durch die Adipositas beeinträchtigt werden. Wenn auch die pathophysiologischen Zusammenhänge zwischen Adipositas und adipositasassoziierten Krankheiten nur teilweise geklärt sind, sind die im Folgenden erwähnten Krankheiten allgemein anerkannte Komorbiditäten. Die einzelnen Komorbiditäten sind unterschiedlich stark mit der Adipositas assoziiert. Die nachfolgende Tab. 1 gibt das relative Risiko für die Entstehung einzelner Krankheiten wieder [6].

Tab. 1 Risikostratifizierung für Begleiterkrankungen

Leider ist es bisher nur selten möglich, Übergewicht und Adipositas kausal zu therapieren. Mittels einer Kombination aus Ernährungs‑, Bewegungs- und Verhaltenstherapie – dem sogenannten multimodalen Konzept – soll langfristig und dauerhaft eine negative Energiebilanz geschaffen werden. Die Ernährungstherapie sollte individuell durchgeführt werden über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten. Es wird ein Energiedefizit von 500 kcal angestrebt. Ob dies durch Senkung der Fette oder der Kohlenhydrate erreicht werden sollte, ist letztlich wohl von untergeordneter Bedeutung. Die Bewegungstherapie beinhaltet eine Steigerung des Energieverbrauchs um 1200–1800 kcal pro Woche, und die Verhaltenstherapie ist ein wichtiges Werkzeug, um in Einzel- oder Gruppentherapien einem ungesunden Lebensstil entgegenzuwirken.

Therapie von Übergewicht und Adipositas

Basisprogramm

Grundlage jedes Gewichtsmanagements sollte eine Kombination aus Ernährungs‑, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sein. Der Begriff Gewichtsmanagement umfasst sowohl die Phase der Gewichtsreduktion als auch die langfristige Stabilisierung des Gewichtsverlustes.

Medikamentöse Therapie

Eine Pharmakotherapie kann bei Patienten mit einem BMI ≥ 28 kg/m2 und zusätzlichen Risikofaktoren und/oder Komorbiditäten bzw. mit einem BMI ≥ 30 kg/m2 bei folgenden Voraussetzungen eingesetzt werden:

  • Gewichtsabnahme von <5 % des Ausgangsgewichts innerhalb von sechs Monaten unter Basistherapie

  • Gewichtszunahme von >5 % des Ausgangsgewichts innerhalb von sechs Monaten nach einer Phase der Gewichtsreduktion

Die medikamentöse Therapie sollte nur dann fortgesetzt werden, wenn innerhalb der ersten vier Wochen eine Gewichtsabnahme von mindestens 2 kg nachweisbar ist.

Operative Möglichkeiten zur Behandlung der Adipositas

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass eine konservative Adipositastherapie mit den zum heutigen Zeitpunkt vorhandenen Möglichkeiten langfristig nicht erfolgreich ist [6]. Somit ist es nicht verwunderlich, dass alternative Behandlungsansätze gesucht wurden.

Die Adipositas- bzw. metabolische Chirurgie ist derzeit evidenzbasiert die im Kurz- und Langzeitverlauf effektivste Therapie zur Behandlung der Adipositas Grad 2 und 3, bzw. eines Typ-2-Diabetes (T2DM) bei adipösen Diabetikern [1, 16, 19, 24, 25]. Die bariatrische Chirurgie erzielt ihre Effekte über mehrere Wirkungsachsen: die Verkleinerung des Magenvolumens (Restriktion) und/oder die Verkürzung der Strecke der Magen-Darm-Passage (Malabsoprtion). Im Wesentlichen werden durch die operative Intervention Stoffwechseleigenschaften modifiziert, was sich positiv auf die Nahrungsaufnahme und den Energiestoffwechsel auswirkt.

Nach verschiedenen Versuchen, mittels Dünndarmresektionen (Hendrikson [5]) oder jejunoilealer Bypässe (Payne, DeWind [5]) das Gewicht zu reduzieren, welche von zahlreichen Nebenwirkungen begleitet waren, führten Mason und Ito 1966 den ersten Magenbypass durch [5]. Mit dieser Operation begann die eigentliche Entwicklung der chirurgischen Übergewichtsbehandlung bis hin zu den heutigen Fallzahlen.

Indikationen

Eine chirurgische Therapie ist indiziert, wenn ein vorangegangenes multimodales Therapiekonzept das Therapieziel nicht erreicht hat. Die Indikation zur Behandlung von Übergewicht und Adipositas wird abhängig vom BMI und der Körperfettverteilung unter Berücksichtigung von Komorbiditäten, Risikofaktoren und Patientenpräferenzen gestellt (Tab. 2).

Tab. 2 Indikationen für metabolische Chirurgie [6]

Die deutschen Krankenkassen übernehmen bisher die Kosten für chirurgische Maßnahmen nur in extremen Fällen und nach Einzelfallprüfung. Dieser Praxis liegt ein Gerichtsurteil des Bundessozialgerichtes aus dem Jahr 2003 zugrunde. Dieses entschied nach damaligem wissenschaftlichem Kenntnisstand, dass die adipositaschirurgischen bzw. metabolischen Eingriffe nur als „Ultima Ratio“ infrage kommen. Aufgrund des zunehmenden Verständnisses zur Wirkungsweise der Operationen und deren mittlerweile in prospektiv randomisierten Studien nachgewiesenen Wirksamkeit ändern sich aktuell die Rechtsprechung und die Genehmigungspraxis [25].

Vorbereitung

Zur Vorbereitung auf einen adipositaschirurgischen Eingriff sollten eine Gastroskopie sowie eine schlafmedizinische und endokrinologische Abklärung erfolgen (Tab. 3).

Tab. 3 Vorbereitung

Operationstechniken

Endoluminale Verfahren

Verfahren wie der Magenballon oder der duodenojejunale Bypass können ebenfalls eingesetzt werden, verlieren aber in den letzten Jahren an Bedeutung. Besonders der Magenballon kann im Sinne eines mehrstufigen Konzepts im Einzelfall präoperativ zu einem Gewichtsverlust und damit zur Verbesserung der Narkosefähigkeit führen, obgleich ein allgemeiner Nutzen einer präoperativen Gewichtsreduktion nicht nachgewiesen werden konnte [8]. Von neueren Methoden bleiben aktuell noch Langzeitergebnisse abzuwarten, oder sie sind Studien vorbehalten.

Laparoskopischer Roux-Y-Magenbypass (RYGB)

Etwas mehr als die Hälfte unserer Patienten erhalten einen RYGB.

Wir setzen unter visueller Kontrolle ohne vorherigen Aufbau eines Pneumoperitoneums zunächst einen 12er Kameratrokar ein. Dann werden zwei 12er-Trokare und zwei 5er-Trokare unter Sicht eingebracht. Wir beginnen mit der Abmessung der biliären Schlinge (Dünndarmabschnitt vom Duodenum bis zur späteren Roux-Y-Anastomose in Abb. 1, blauer Pfeil), welche 60 cm nach dem Treitz-Band (Ligamentum suspensorium duodeni) markiert wird.

Die Schenkellängen sind weiter in Diskussion, weil es nach aktuellen Studien Vorteile bei einer längeren biliären Schlinge zu geben scheint. Allerdings stehen prospektiv randomisierte Langzeitdaten noch aus.

Es wird ein 6–7 cm langer und schmaler Magen-Pouch mit einer Füllmenge von 20 ml gebildet. Die Anlage der Hinterwand der Gastrojejunostomie erfolgt auch mittels eines Linearstaplers. Die Dichtigkeit der Anastomose und der Klammernähte überprüfen wir durch eine Blaufüllung des Magens.

Die alimentäre Schlinge (Dünndarmabschnitt vom Magenbypass bis zur Roux-Y-Anastomose in Abb. 1, roter Pfeil) wird mit 150 cm veranschlagt. Die jejunojejunale Anastomosenanlage erfolgt durch Staplertechnik.

Abb. 1
figure 1

Roux-Y Magenbypass (RYGB)

Laparoskopischer Schlauchmagen – Gastric Sleeve (GS)

Wie beim Magenbypass werden zwei 12er-Trokare und zwei 5er-Trokare unter Sicht eingebracht. Nach entsprechender Präparation wird unter Kalibrierung mittels einer 40-CH-Magensonde großkurvaturseitig in Staplertechnik ein größerer Anteil des Magens reseziert. Zurück bleibt ein ca. 40 ml messender Pouch. Die Bergung des Präparats erfolgt durch einen der Trokarzugänge.

3D-Technologie

Mit dem Einsatz der 3D-Technologie konnten wir in den letzten Jahren die Operationszeiten deutlich verkürzen. Gerade das laparoskopische Nähen ist deutlich vereinfacht und führt zu weniger Ermüdung beim Operateur. Verfahren mit einem großen Nahtanteil profitieren somit besonders von dem 3D-System.

Wie die aktuelle Datenlage zeigt, ergibt sich eine deutliche Überlegenheit der operativen bariatrischen Verfahren im Vergleich zur konservativen Behandlung des Übergewichts. Daher wird die Anzahl dieser Operationen auch in Deutschland zunehmen. Neue Techniken wie die 3D-Technologien, welche diese Operationen vereinfachen und durch die kürzeren Operationszeiten einen positiven Kosten-Nutzen-Effekt sowie ein niedrigeres Operationsrisiko der Patienten bewirken, werden ebenfalls zu einer Fallzahlsteigerung beitragen.

Nachsorge

Postoperativ ist, vergleichbar mit der Transplantationschirurgie, eine fortdauernde Nachsorge erforderlich, ebenso die Einnahme von Mikronährstoffen und Vitaminen zur Prophylaxe eines Mangels [28]. Daher sollte die Nachsorge strukturiert und nach vorgeschriebenen Qualitätsstandards möglichst für jeden einzelnen Patienten sichergestellt werden [15, 22].

Komplikationsspektrum

Adipositaschirurgische Operationen sind elektive Eingriffe bei einem Patientenkollektiv, welches aufgrund der Nebenerkrankungen ein perioperativ erhöhtes Risikoprofil aufweist. Im Wesentlichen bestehen einerseits perioperative gewichtsassoziierte Risiken wie Intubations- und Ventilationskomplikationen, ein erhöhtes Risiko einer Lungenembolie sowie Erschwernisse bei Dosisfindung verschiedener Narkotika. Andererseits gibt es chirurgische und postoperative Risiken wie Blutungen (vor allem im Bereich der Klammernähte), Anastomoseninsuffizienzen und Langzeitkomplikationen wie innere Hernien und Mangelerscheinungen.

Aufgrund der elektiven Indikationsstellung besteht ein besonders hoher Qualitätsanspruch, eine Komplikationsrate unter 4 % sollte angestrebt werden. In unserer Klinik können, wie auch in der Literatur beschrieben, nahezu alle Operationen laparoskopisch durchgeführt werden (Konversionsrate zur Laparotomie unter 2 %).

In einer 2015 veröffentlichen Arbeit konnten die exzellenten operativen Ergebnisse bariatrischer Chirurgie mit entsprechend niedrigen Komplikationsraten in Kontext mit allgemein „akzeptierteren“ operativen Maßnahmen gesetzt werden (Tab. 4). In einer Metaanalyse und einer multizentrisch-randomisierten Studie wurde gezeigt, dass durch den perioperativen Einsatz einer Positivdrucktherapie respiratorische Komplikationen und beim postoperativen Auftreten einer respiratorischen Hypoxämie Reintubationen und Todesfälle reduziert wurden [7, 13]. Die Befürchtung, dass durch den Überdruck der intragastrale Druck ansteigen und ein erhöhtes Risiko für eine abdominale Anastomoseninsuffizienz mit sich bringen könnte, wurde in einer weiteren systematischen Übersicht an 5801 Patienten nicht bestätigt [30].

Tab. 4 Komplikationsraten im Vergleich[2, 3, 11]

Epidemiologische Daten und Ergebnisse

2014 wurden weltweit über 579.000 Patienten operiert, hiervon der überwiegende Anteil in Nordamerika und Asien [4]. In Deutschland erfolgten seit 2005 über 45.000 Eingriffe, die in einem Register erfasst wurden. Am häufigsten wurden der laparoskopische Roux-Y-Magenbypass (RYGB) und die laparoskopische Schlauchmagenanlage (GS) durchgeführt. Die Implantation des Magenbandes (GB) steht an dritter Stelle, allerdings zeigt sich eine deutliche Abnahme an Magenbandimplantationen in den letzten Jahren. Grund hierfür sind der schlechte antidiabetische Effekt und die Langzeitdaten, welche eine erneute Gewichtszunahme nach Explantation des Bands zeigen. Weniger zahlreich werden komplexe malabsorptive Verfahren durchgeführt wie die biliopankreatische Diversionsoperation (BPD; [27]).

Der Erfolg der Bariatrie ist der Tatsache geschuldet, dass erstmalig eine wirksame Therapieoption der Adipositas besteht. Sjöstrom et al. publizierten eine weit beachtete Studie, welche die Akzeptanz der bariatrischen Operationen verbesserte. Die Arbeitsgruppe konnte in der „Swedish Obese Subjects“-Studie (SOS-Studie) 2004 belegen, dass die therapeutischen Langzeitergebnisse der konservativen Therapieansätze häufig unbefriedigend sind. Gleichfalls konnte ein Mortalitäts- und Gewichtsreduktionsvorteil in der Operationsgruppe nachgewiesen werden [26]. Zu einem ähnlichen Ergebnis kam zehn Jahre später auch eine Metaanalyse der Cochrane Library. Diese bestätigte die Überlegenheit der operativen Therapie bezüglich des Gewichtsverlustes und der Begleiterkrankungen [9].

Trotz der Häufigkeit der Verfahren fehlt es bis jetzt an perioperativen Studien zu den Themen Indikationsstellung, Operationsmethoden, Diagnostik und Nachsorge. Eine internationale Expertengruppe hat daher 2017 ein Konsensuspapier zu den oben aufgeführten Themen verfasst [21]. In vielen Bereichen ist es unklar, welche Einflussfaktoren das Ergebnis dieser sehr häufigen Operationen verändern. De Raaf et al. zeigten an 816 Patienten, dass der präoperative Apnoe-Hypopnoe-Index (AHI) keinen Einfluss auf das Ausmaß der Gewichtsreduktion hat [20]. Eine Beseitigung der Obstruktiven Schlafapnoe (OSA) kann in 45 %, eine relevante klinische Verbesserung in etwa 78 % der Patienten erzielt werden [12, 18]. Eine schlafmedizinische Kontrolle nach Gewichtsreduktion ist daher notwendig, auch um die Notwendigkeit einer weiteren Positivdrucktherapie zu überprüfen.

Für sehr schwere Patienten (BMI > 65 kg/m2) kommt häufig nur ein mehrstufiges Konzept in Betracht. Nach initialer Schlauchmagenanlage scheint die biliopankreatische Diversion mit duodenalem Switch (BPDDS) den besten Gewichtsverlust bei gleichzeitig ausgezeichneter Wirkung auf einen möglichen Diabetes zu haben. Die Lebensqualität ist trotz der operativ verursachten Mangelernährung nach der Operation deutlich verbessert. Es bedarf für jede Indikation und jedes Operationsverfahren eine individuelle, auf den Patienten abgestimmte Entscheidung. Aus unserer Sicht sprechen die guten Langzeitdaten bei guter Verträglichkeit des GS bzw. RYGB für diese Verfahren. Eine generelle Empfehlung kann für die anderen Methoden aufgrund des fehlenden Nachweises bezüglich der Gleichwertigkeit nicht ausgesprochen werden.

Fazit für die Praxis

  • Die metabolische Chirurgie ist die effektivste Therapie zur Behandlung der Adipositas Grad 2 und 3 und deren Begleiterkrankungen.

  • Sie weist niedrige Komplikationsraten auf.

  • Bei etwa der Hälfte der Patienten führt die Gewichtsreduktion zu einer Beseitigung der SBAS.

  • Die Prävalenz für Adipositas und deren Begleiterkrankungen übersteigt die Rate an Operationen bei weitem, sodass weiter steigende Operationszahlen zu erwarten sind.

  • Die chirurgische Vorstellung der Patienten erfolgt meist zu spät bei bereits weit fortgeschrittener Adipositas und lange bestehenden Begleiterkrankungen, welche potenziell frühzeitig verbesserbar wären.