Gesundheitsökonomische Aspekte spielen in der Gesundheitsversorgung eine zentrale Rolle. Dabei geht es nicht um Kostenreduktion, sondern um die Frage, wie limitierte Ressourcen – und alle Ressourcen, Geld, Zeit, Materialien usw., sind limitiert – wirtschaftlich (effizient) eingesetzt werden können.

„Ökonomie befasst sich mit dem menschlichen Verhalten als Beziehung zwischen Zielen und knappen Mitteln, die unterschiedlich verwendet werden können“ (Robbins 1932).

Es geht also um die Allokation limitierter Ressourcen, das Verhältnis zwischen nutzenstiftenden Zielen und limitierten Ressourcen (Nutzen und Kosten), die Verteilung von Leistungen und Kosten – und um das Verhalten der involvierten Akteure unter den Bedingungen der Ressourcenknappheit.

Kosten-Nutzen-Analysen dienen der gesundheitsökonomischen Evaluation von Interventionen

Recht vertraut sind uns Krankheitskostenstudien und Kosten-Nutzen-Analysen. Ziel Ersterer ist es, den Ressourcenverbrauch sowie die Kostenstruktur für eine bestimmte Erkrankung zu identifizieren, die Gesamtkosten zu quantifizieren und sie aus unterschiedlichen Perspektiven so differenziert wie möglich darzustellen [1]. Sie dienen dazu, die sozioökonomische Krankheitslast einer Erkrankung in monetären Einheiten auszudrücken und Entscheidungsträger dabei zu unterstützen, Prioritäten für die konkrete Ausgestaltung der Gesundheitsversorgung oder für Forschungsaktivitäten zu setzen [2, 3]. Der Beitrag von Dirk Müller und Stephanie Stock gibt einen Überblick über aktuelle Krankheitskostenstudien im Bereich des Diabetes in Deutschland und den angrenzenden europäischen Ländern.

Kosten-Nutzen-Analysen dienen der gesundheitsökonomischen Evaluation von Interventionen. Hauptcharakteristikum ist die vergleichende Bewertung von alternativen Handlungsstrategien hinsichtlich ihrer relevanten Gesundheitseffekte und ihrer Kosten. Die Referenz der zu prüfenden Intervention stellt dabei entweder die Standardversorgung, keine Intervention oder eine andere Intervention dar [4, 5]. Ein Vergleich könnte Medikament A vs. Medikament B, aber auch ein neues Versorgungsmodell vs. Standardversorgung sein. Das Ergebnis ist der im Rahmen der Intervention zusätzlich aufzuwendende Betrag im Vergleich zu ihrer Referenz (der Kontrolle) pro durch die Intervention zusätzlich erreichter Nutzeneinheit, also z. B. X € pro gewonnenem Lebensjahr. Es hilft bei der Diskussion der Frage, ob diese Ressourcen nicht besser oder effizienter an einer anderen Stelle verwendet werden könnten, wo möglicherweise ein höherer Nutzen erreicht werden kann. Während der gesundheitsökonomischen Evaluation im englischsprachigen Raum eine zentrale Bedeutung zukommt, spielen Informationen zur Effizienz im Entscheidungsprozess in Deutschland keine oder nur eine nachgeordnete Rolle und kommen somit, wenn überhaupt, erst in letzter Instanz zum Einsatz [6]. Trotzdem liefern sie relevante Informationen. Michael Laxy und Katharina Kähm diskutieren in ihrem Beitrag studien- und modellbasierte gesundheitsökonomische Evaluationen im Bereich des Diabetes mellitus.

Mit dem am 01.01.2011 in Kraft getretenen Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelmarktes in der gesetzlichen Krankenversicherung (AMNOG) kam es zu einem Paradigmenwechsel im Umgang mit Arzneimittelinnovationen in Deutschland. Die Verhandlung von Erstattungsbeiträgen zwischen dem GKV-SV (Gesetzliche Krankenversicherung, Spitzenverband) und den pharmazeutischen Unternehmen erfolgt für neue Arzneimittel auf Grundlage einer explizit durch den G‑BA (Gemeinsamer Bundesausschuss) beim IQWiG (Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen) in Auftrag gegebenen Nutzenbewertung. In deren Rahmen quantifiziert der G‑BA den Zusatznutzen des neuen Arzneimittels gegenüber einem auf Basis vordefinierter Kriterien festgesetzten Komparator (zweckmäßige Vergleichstherapie), wobei neben dem Ausmaß des Zusatznutzens auch die Ergebnissicherheit (Anhaltspunkt, Hinweis, Beleg) zum Tragen kommt. Ziel des AMNOG war die Eindämmung der Kostensteigerung durch neue Arzneimittel und die qualitative Verbesserung der ambulanten Arzneimittelversorgung [7]. Charalabos-Markos Dintsios und Nadja Chernyak beschreiben in ihrem Beitrag das Verfahren der frühen Nutzenbewertung und stellen eine Analyse der Ergebnisse der Nutzenbewertung von Antidiabetika vor. Sie identifizieren Spezifika, die potenzielle Abweichungen im Vergleich zu Nutzenbewertungen in anderen Anwendungsgebieten ausmachen, und untersuchen Implikationen der Nutzenbewertung von Antidiabetika auf deren Erstattungsbeträge.

Mit den letzten beiden Beiträgen widmen wir uns weniger bekannten Bereichen der Gesundheitsökonomie, der Messung von Patientenpräferenzen und Ansätzen der Verhaltensökonomie („behavioural economics“). Die Berücksichtigung von Patientenpräferenzen sollte uns eigentlich vertraut sein, ist sie doch die dritte Säule der evidenzbasierten Medizin, und sie wird in den Leitlinien der Bundesärztekammer explizit gefordert [13]. Es gibt mittlerweile gute Hinweise darauf, dass Präferenzen mit der Adhärenz an Therapieempfehlungen oder der Änderung von Lebensweisen wie körperliche Aktivität sowie mit klinischen Outcomes und der Lebensqualität assoziiert sind [10,11,12]. Zu Patientenpräferenzen gehören Lebensstilpräferenzen, Behandlungspräferenzen oder Endpunktpräferenzen, aber auch Risiko- und Zeitpräferenzen der Patienten sind relevant, da sie doch bei fast allen Entscheidungen, die unter Unsicherheit getroffen werden, eine Rolle spielen. Verhaltensökonomie ist ein interdisziplinäres Fach, das sich damit beschäftigt, dass Menschen nicht rational entsprechend den klassischen ökonomischen Theorien agieren. Auf der Psychologie fußend [8], fokussiert die Verhaltensökonomie darauf, systematische und vorhersehbare Bedingungen zu identifizieren, die Entscheidungen und menschliches Verhalten (und hier eher Abweichungen vom standardökonomischen Verhalten) beeinflussen und bestimmen [9]. Christin Juhnke und Axel Mühlbacher fokussieren in ihrem Beitrag zum einen auf Behandlungspräferenzen. Zum anderen beschreiben sie Endpunktpräferenzen, also Präferenzen von Patienten hinsichtlich der Ergebnisse von Behandlungen, und sie diskutieren, wie diese Entscheidungsträgern bei der Nutzenbewertung zur Verfügung gestellt werden könnten. Markus Vomhof gibt einen Überblick über verschiedene Arten von Patientenpräferenzen. Zudem geht er darauf ein, wie Verhalten möglicherweise durch monetäre oder nichtmonetäre Anreize beeinflusst werden kann und wie verhaltensökonomische Ansätze helfen können, Lebensstiländerungen zu unterstützen. Solche Kenntnisse können für Versorgungsmodelle von Patienten genutzt werden, um Adhärenz an Empfehlungen, den Umgang mit der Erkrankung und damit letztlich gesundheitliche Outcomes und die Lebensqualität von Patienten zu verbessern.

Die Berücksichtigung von Patientenpräferenzen ist für die Adhärenz und Lebensqualität wichtig

Damit spannt das Heft einen Bogen von klassischen gesundheitsökonomischen Ansätzen bis zu neueren Gebieten der Verhaltensökonomie und zeigt die Relevanz gesundheitsökonomischer Forschung für Entscheidungsträger, aber auch den praktisch tätigen Professionellen in der gesundheitlichen Versorgung im individuellen Patientenkontakt.

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Univ.-Prof. Dr. Dr. Andrea Icks MBA