Mit einem Blutdruck von 196/66 mmHg stellt sich ein 84-jähriger Patient in der Notaufnahme einer kanadischen Klinik vor. Bei der Präsentation gibt er Kopfschmerzen, Lichtempfindlichkeit und Brustschmerzen an. An den Unterschenkeln zeigen sich ausgeprägte Ödeme, beim Abhören knistert die Lunge. Das Röntgen bestätigt ein beginnendes Lungenödem. Insgesamt entspricht das klinische Bild einem hypertensiven Notfall. Ein Infarkt kann ausgeschlossen werden; allerdings ergibt das Labor eine ausgeprägte Hypokaliämie (2,5 mmol/l) und erhöhtes Bicarbonat (31 mmol/l).

Blutdruckentgleisung trotz Therapie

An Grunderkrankungen hat der Mann eine KHK, eine Dyslipidämie und einen Diabetes mellitus vorzuweisen, wogegen er entsprechende Medikamente einnimmt. Bereits vor Jahren wurde ein Bluthochdruck diagnostiziert, der unter der Kombination Irbesartan, Hydrochlorothiazid und ASS eigentlich adäquat eingestellt ist. Die letzte Praxismessung vor einem Monat hatte einen Wert von 125/60 mmHg erbracht.

Seit etwa einer Woche jedoch, so der Mann, sei der Blutdruck unerklärlicherweise entgleist. Die häuslichen Messungen hatten immer wieder Werte zwischen 180 und 210 mmHg systolisch ergeben.

Nach der stationären Aufnahme wird die antihypertensive Therapie umgestellt auf Amlodipin, Metoprolol und Hydralazin. Darunter verschwinden die akuten Symptome innerhalb von einem Tag. Um die fortbestehenden nächtlichen Dyspnoen in den Griff zu bekommen, wird einige Tage lang Furosemid i.v. verabreicht.

Inzwischen versuchen die Ärzte weiter, dem Phänomen der Blutdruckentgleisung auf den Grund zu kommen. Der Verdacht auf ein Cushing-Syndrom lässt sich nicht bestätigen, allerdings finden sich eine unterdrückte Plasma-Renin-Aktivität sowie ein deutlich erniedrigtes Serumaldosteron. Nach Dr. Jean-Pierre Falet von der McGill University in Montreal sind diese Befunde vereinbar mit einem Pseudohyperaldosteronismus.

Auf Nachfrage gab der Patient an, er habe sich einige Wochen zuvor ein in seiner Heimat Ägypten beliebtes Getränk namens „Erk sous“ gebraut und wohl zu viel davon getrunken. Der Hauptinhaltsstoff: die Wurzel der Pflanze Glycyrrhiza glabra, besser bekannt als Lakritze. Die Ursache für den extremen Bluthochdruck war also offenbar eine Lakritzvergiftung.

13 Tage nach Aufnahme in die Klinik wird der Patient mit einem Blutdruck von 140/80 mmHg entlassen. Die verordnete Medikation beinhaltet, zusätzlich zu den Basismedikamenten, Amlodipin, Metoprolol und jetzt auch wieder Irbesartan und Hydrochlorothiazid (Letzteres hatte man zwischenzeitlich abgesetzt, um die Hypokaliämie nicht noch zu verstärken).

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Ein in seiner Heimat beliebtes Getränk verursachte die Beschwerden des Patienten.

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Keine Lakritze für Herzpatienten und Hypertoniker!

Die in der Lakritzwurzel enthaltene Glycyrrhizinsäure hemmt bekanntlich ein Enzym, welches für die Umwandlung von Kortisol in Kortison verantwortlich ist. Das überschüssige Kortisol führt über Mineralokortikoidrezeptoren in der Niere zur verstärkten Ausscheidung von Kalium (aldosteronartige Wirkung). Gleichzeitig wird vermehrt Natrium und Wasser resorbiert. Die Folge ist, wie im vorliegenden Fall, eine Volumenretention mit Bluthochdruck, Hypokaliämie und metabolischer Alkalose.