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Die Grenzen der Repräsentation: Bedeutungsbildung in Terézia Moras Das Ungeheuer

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Abstract

Der Beitrag setzt sich zum Ziel, Repräsentationsprozesse als Bedeutungsbildungsprozesse in Terézia Moras Roman Das Ungeheuer zu untersuchen. Darius Kopp, die Figur, die der Leser im Roman Der einzige Mann auf dem Kontinent kennen gelernt hat, ist im zweiten Teil der geplanten Trilogie auf Reisen. Seine Frau, Flora, ist tot, sie hat Selbstmord begangen, und Darius muss ihre Objektrepräsentanz, wie diese identitätskonstitutiv für ihn geworden ist, umgestalten, da Flora in der äußeren Realität nicht mehr erreichbar ist, sie in ein endgültig inneres Objekt verwandeln. Darius bricht auf, ohne einen genauen Plan, um einen Ort zu finden, wo Floras Asche beigesetzt werden könnte. Der Beitrag geht der Frage nach, ob ihm die schützende Bewahrung des (ehemals) Äußeren im Inneren, also die Repräsentation der toten Flora gelingt. In der Untersuchung wird davon ausgegangen, dass Repräsentation—wie von Jovchelovitch beschrieben (Sandra Jovchelovitch, ,,In Defence of Representations,“ J Theory Soc Behav 2 (1996): 121–135.)—eine Vermittlung zwischen An- und Abwesendem darstellt, eine Beziehung artikuliert, und als eine relational ausgestaltete Bedeutung gefasst werden kann.

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Notes

  1. Terézia Mora, Das Ungeheuer (München: Luchterhand, 2013).

  2. Unter Repräsentation verstehe ich (in Anlehnung an mentalistische Bedeutungstheorien), wie im Folgenden deutlich werden soll, ein mentales Konzept, Bedeutung, die relational ausgestaltet wird. Grundlegend für meine Ausführungen wird dementsprechend die Annahme sein, dass Repräsentation, die—wie von Jovchelovitch beschrieben (Sandra Jovchelovitch, „In Defence of Representations,“ Journal for the Theory of Social Behaviour 2 (1996): 121–135.)—eine Vermittlung zwischen An- und Abwesendem darstellt, eine Beziehung artikuliert. Die Grenzproblematik in Moras früheren Werken habe ich in der Abhandlung Be-Deutung und Identität. Zur Konstruktion der Identität in Werken von Agota Kristof und Terézia Mora (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012) aufzudecken versucht, dort wird das auch hier angewandte bedeutungstheoretische System ausführlich dargestellt.

  3. Vgl. „Ich war in letzter Zeit zu viel in Innenräumen.“ (29).

  4. In der Problematik der Thanatologie orientiere ich mich an Verena Kast, Trauern: Phasen und Chancen des psychischen Prozesses (Stuttgart: Kreuz-Verlag, 1988) und Polcz Alaine, Gyászban lenni (Budapest: Pont, 2000).

  5. Die Nummerierung der Kapitel orientiert zwar den Leser, aber auch wenn er diesem Prinzip folgt, wechselt er nicht zwischen (in sich) abgeschlossenen Textpartien.

  6. Die Episode, wie viele andere auch, wurde bereits in dem Vorgängerroman, Der einzige Mann auf dem Kontinent (München: Luchterhand, 2009) erzählt.

  7. Vgl. dazu auch „[Ich] habe das Gefühl, jeder, dem es einfiele, könnte einfach in mich hineingreifen und mir Herz und Lunge herausreißen.“ (113); oder:

    „Hab geträumt, stehe Bushaltestelle, kommt einer, fasst mir an die Möse.

    Hab geträumt, stehe an der Wand und jeder darf kommen und mich anfassen, wo er will.

    Hab geträumt, stehe an der Wand und jeder darf kommen und mir gegen’s Schienbein treten.“ (363).

  8. Flora zitiert Thomas Bernhard: „Wir brauchen uns nicht zu schämen, aber wir sind auch nichts und verdienen nichts als das Chaos.“ (639).

  9. Flora zitiert auch Németh László:

    „László Németh: Ekel

    Es gibt welche, die sind nur zur Hälfte Mensch.

    Mein Körper war wie der Körper anderer Frauen.

    Meine Seele war es, die sich nicht mit der Welt vereinigen konnte. Solche Menschen darf man nicht dazu zwingen, dass sie in das eintauchen, das ihnen so zuwider ist…. nur, damit sie normal erscheinen, in der gemeinsamen Beize der Menschheit untertauchen.“ (672).

  10. Floras Identifikation mit den mütterlichen und großmütterlichen Vorgaben steigert ihre Ausgeliefertheit: In Liebe und Akzeptanz enttäuscht wirft sie sich Männern hin, in der Promiskuität ihre Sehnsucht nach Liebe artikulierend bzw. stets neu formulierend, und dadurch, dass sie kein Geld annimmt („Mich umsonst hinzugeben bewahrt gerade meine Würde. […] Wer würde schon für mich zahlen wollen?“ (158–159)), ihr Gefühl von Wertlosigkeit akzentuierend. Später identifiziert sie diesen Lebensabschnitt als eine Etappe ihrer Selbstvernichtung, als „sich vertilgen auf Raten“ (615).

  11. Floras Scharfsinn macht die Unzulänglichkeit der in Psychoratgebern inflationär verbreiteten Gefühlskultur offenkundig, jedoch bleibt es anzumerken, dass sie auch im Lesen der psychologischen Fachliteratur die oben beschriebenen misstrauischen Beziehungen wiederholt.

  12. Vgl. Sandra Jovchelovitch, „In Defence of Representations,“ Journal for the Theory of Social Behaviour 2 (1996): 121–135.

  13. Belege liefern die „unkontrolliert“ gestalteten Eintragungen, die Träume, „Ich habe geträumt, Mutter wickelt mir die Nabelschnur um den Hals und wirbelt mich in der Luft herum.“ (203), „Ich stehe in der Mitte eines Kreises, meine Schulkameradinnen aus dem Gymnasium stehen um mich herum und bewerfen mich mit Eisenkugeln, wie man sie beim Kugelstoßen benutzt. Sie versuchen, meinen Kopf zu treffen. Mutter feuert sie an.“ (204); die assoziativen Fragmente, die Worte der Mutter und der Großmutter montieren, „sie sagte, sie hält mich nicht aus, du frisst mein leben auf, was willst du von mir, wirklich, was, mich auffressen, mit haut und haaren“ (262), „Man hätte dich im Brunnen ertränken sollen, dreckiges Balg.“ (271).

  14. Das Auf-Ungarisch-Schreiben kann auch als Autoaggression verstanden werden: Dariusʼ Textteil berichtet darüber, dass Flora, als sie in Budapest sind, gesteht, dass es ihr weh tut, auf Ungarisch zu sprechen, durch das Schreiben wird also dieser Schmerz aufrechterhalten. Man darf jedoch nicht vergessen, dass Mutter- und Großmutterkonflikte wohl erst in der Muttersprache ausgetragen werden können.

  15. Die Mutter-Kind-Kommunikation sollte nach Donald W. Winnicott, einem Vertreter der Objektbeziehungstheorie, einen intermediären Raum zwischen dem Individuum und seiner Umwelt zustande bringen, der einen Erfahrungsraum darstellt, in dem Kreativität, Symbolisierung und somit ein Dialog zwischen innerer und äußerer Realität möglich sind (Donald W. Winnicott, Vom Spiel zur Kreativität (Stuttgart: Klett, 1973). Für meine Untersuchungen ist dieser Raum als ein bedeutungsstiftender relevant, zur theoretischen Ausführung siehe: Eszter Propszt, Be-Deutung und Identität. Zur Konstruktion der Identität in Werken von Agota Kristof und Terézia Mora (Würzburg: Königshausen & Neumann 2012) 9–25.

  16. Nicht nur im Lesen und im Übersetzen. Die Aufzeichnungen bezeugen immer wieder, dass (auch) Flora keine korrektiven Erfahrungen zugänglich sind,

    „als zum ersten mal jemand nett zu mir war,

    rannte ich weinend hinaus

    lieber soll ein JEDER grob sein“ (116),

    und dass sie die archaischen Muster wiederholt, „Erkenne gefälligst, dass das dieselben Lehren sind, wie immer schon. Ehrlich: hat es sich gelohnt wegzugehen, wenn du dich weiter so verhältst, als wärst du immer noch dort?“ (184) bzw. dass sie positiven Erfahrungen nicht traut, „Ich traue mich über nichts zu schreiben, das gut ist.“ (326), und Gutes mit Ungutem aufwiegt, indem sie z.B. nach der Aufzeichnung ihrer Begegnung mit Darius den Angriff in der Straßenbahnhaltestelle niederschreibt. Zudem sieht Flora überall, wo sie hinschaut, starke Bindungen, aber keine harmonischen Passungen, nur pathologische. Ihr ist Recht zu geben, wenn sie feststellt, „Um die mentale Hygiene der Bevölkerung ist es definitiv schlechter bestellt als um die ihrer Zähne.“ (368), und es ist zu betonen, dass sie auch gesellschaftlich relevante, akute, jedoch ungelöste Probleme auflistet (Alkoholismus, Neurosen, Aggression in der Familie usw.), wenn sie das Gefühl ihrer Abnormität zu relativieren probiert, trotzdem fällt die Einseitigkeit ihrer Sicht auf.

  17. Vgl. dazu

    „ich hoffte, jemand würde mich packen, vergewaltigen, töten

    oder ich töte ihn

    töten einander an einem abendlichen waldrand

    wälzen uns auf dem feldweg, die grillen brüllen und wir schlagen uns

    gegenseitig mit steinen auf den kopf, mit steinharten erdbrocken, bis

    wir beide krepiert sind

    zum schluss krieche ich noch ein wenig von ihm weg, nicht, dass der,

    der uns findet, noch denkt, wir gehören zusammen“ (264–265)

    und „[Datei: megöl]“ (365–366), die aus dem unendlichen Syntagma „ich bring dich um“ besteht.

  18. „Ich tue so, als hätte ich Verständnis, als suchte ich, als fände ich eine Erklärung, aber in Wahrheit lodert nur Hass in mir. Dass ich sein Gesicht auseinandernehme zu einem blutigen Brei. Natürlich niemals. Körperlich wäre ich gar nicht in der Lage dazu. Aber ich sehe, wie sein Gesicht wäre. Und ich weiß, dass ich dafür verantwortlich bin. Wenn ich auch nicht selbst Hand angelegt habe, ich war es, die jemandem eingeflüstert hat, es zu tun. Meinen Folterknechten. Die nicht solche feinen Diktatoren sind wie ich, sondern primitiv genug, andere systematisch oder affektiv zu foltern. Nicht im alltäglichen Rahmen, so, wie die meisten. Was in der Familie bleibt. Wir leben zusammen, irgendwie ist es uns nicht gelungen herauszufinden, wie man etwas daran ändern könnte, einer ist vielleicht krank oder anders schwach, und soviel haben wir immerhin verinnerlicht, dass man ihn nicht töten darf, jedenfalls nicht auf einmal. Statt dessen fangen wir an, ihn zu quälen. Wir fangen sachte an, damit er sich daran gewöhnen kann. Lassen ihn allein. Sperren ihn ein. Binden ihn irgendwo fest. Ab und zu, später häufiger bekommt er nichts zu essen. Dann schmieren wir die falsche Salbe auf seine von zu selten gewechselten Windeln wunde Haut. Auf die wund gelegenen Stellen, die Akne. Alles zerfressen. Er brüllt, wir stopfen ihm den Mund. Reißt sich die Haare aus, sein Problem. Aber wenn er auch noch an die Tapete geht, vermöbeln wir ihn nach Strich und Faden. Die zu Hause gequält werden, leben länger als die im Gefängnis.

    Dort hat jemand extra diese Aufgabe: Folterknecht. Suchen Folterknecht. Betriebsrente garantiert.

    […]

    Du bist ein Körper, in erster Linie, dein Körper verrät dich, dein Blut, dein Erbrochenes, deine Scheiße. Die Reste über einen Strohhalm aufsaugen. Kannst du noch? Hältst du alles aus? Wenn ich dich mit keinem Finger berühre, aber schau, schau durch die Glaswand zu, wie ich deine vierjährige Tochter anfasse, ein bisschen stellen wir auch den Ton lauter, damit du dieses bitterliche Weinen besser hörst. Kannst du noch? Keine Angst, ich ziehe dich aus dem Eisloch, bevor du erfrierst, warte, bis du ein wenig zu dir gekommen bist, damit du sehen kannst, wie mit dem Gewehrkolben der Kopf deiner Liebsten… […]“ (370–373).

  19. Im Sinne von: Sigmund Freud, „Erinnern, Wiederholen, Durcharbeiten,“ Studienausgabe, ed. Alexander Mitscherlich und Angela Richards und James Strachey, (Frankfurt am Main: Fischer, 1969–1975) Ergänzungsband 205–215.

  20. Die Objekt-Repräsentanzen, auf die hin das Subjekt seine Bedeutungen (Repräsentanzen) entwirft, funktionieren in der Bedeutungskonstruktion quasi als Spiegel.

  21. Nemes Nagy Ágnes: Madár

    Egy madár ül a vállamon,

    ki együtt született velem.

    Már oly nagy, már olyan nehéz,

    hogy minden léptem gyötrelem.

    Súly, súly, súly rajtam, bénaság,

    ellökném, rámakaszkodik,

    mint egy tölgyfa a gyökerét

    vállamba vájja karmait.

    Hallom, fülemnél ott dobog

    irtózatos madár-szive.

    Ha elröpülne egy napon,

    mostmár eldőlnék nélküle.

    In deutscher Übersetzung:

    Der Vogel

    Ein Vogel hockt auf meiner Schulter,

    der kam zugleich mit mir zur Welt.

    Er wurde schon so groß, so schwer,

    daß jeder Schritt mich grausam quält.

    Lastende Last, längst bin ich lahm,

    ich stieß’ ihn fort, er krallt sich ein,

    wie eine Eiche Wurzeln senkt,

    gräbt er die Krallen in mein Fleisch.

    Sein grauenvolles Vogel-Herz,

    ich hör am Ohr es Schlag um Schlag.

    Schon jetzt fiel’ ohne ihn ich um,

    wenn er fortflöge eines Tags.

    Laut Angaben von www.babelmatrix.org übersetzt von Franz Fühmann und Paul Kárpáti, in Ágnes Nemes Nagy: Dennoch schauen. Gedichte. Nachgedichtet von Franz Fühmann (heruntergeladen am 18. 03. 2015).

  22. Vgl. Eszter Propszt, Be-Deutung und Identität. Zur Konstruktion der Identität in Werken von Agota Kristof und Terézia Mora (Würzburg: Königshausen & Neumann, 2012) 97–111.

  23. Flora vermisst nüchtern die Grenzen ihrer Repräsentationsfähigkeit:

    „[Meine tatsächliche Situation] ist geprägt von drei ähnlich aussehenden, jedoch voneinander zu unterscheidenden Phänomenen:

    1. 1.

      der Veranlagung, am Leben zu leiden (typus melancholicus)

    2. 2.

      einer posttraumatischen Belastungsstörung

    3. 3.

      einer auch ohne einen Auslöser auftretenden chemischen Reaktion

    Ich bin auf allen Feldern bereit, einiges zu tun, um den Status quo zu verbessern. Aber ich bin nicht so selbstgerecht, nicht zu wissen, dass meine Möglichkeiten hier wie dort begrenzt sind. Ich kann noch so viele Verfahren zur Korrektur meiner Lebensweise einsetzen: mein Begreifen, mein Fühlen, mein Tätigwerden hat Grenzen: äußere und innere. Dagegen, was in deine Zellen eingeschrieben ist, kannst du nur sehr wenig ausrichten. Selbst wenn jeder Stoff, den wir messen können, in genau dem richtigen Maße (von dem von uns vermuteten richtigen Maße) vorhanden ist, trotz fehlerloser Parameter kann es passieren, dass dir der Boden unter den Füßen entgleitet. Die Wahrheit ist: du kannst dich bemühen, ein gelungenes Leben zu führen, demütig, ausdauernd, umsichtig. Wenn die Krankheit zuschlägt, ist das alles vollkommen für die Katz. Sich vier Monate lang aufpäppeln, um dann innerhalb von 4 Stunden wieder zu einem kompletten Wrack zu werden. Die Dämonen sind rüpelhaft, sie kommen einfach durch die Wände, rempeln dich und ersticken fast schon vor Lachen.“ (438–439).

  24. Vgl. „wenigstens in der stunde meines todes

    das habe ich schon oft gemacht, aber da war ich jünger

    ein kind

    legte mich hin, wartete, vielleicht sterbe ich

    auf dem dachboden, im garten, im zimmer, unter dem bett

    damit sie sieht, was sie angerichtet hat

    das aas, wenn sie mich findet

    aber sie hätte sowieso nichts gesehen

    dachte sie ist die heilige jungfrau

    hat meine mutter kaputt gemacht

    den opa mich jeden

    obwohl der opa auch ein riesen arsch war“ (115).

  25. Es loht sich wohl, das Problem auch erzählsemiotisch zu skizzieren. Die Selbstschöpfung Floras über die Aufzeichnungen ist zum Scheitern verurteilt. Ihre Bedeutungspraxis, die sie als Erzählgegenstand konstruiert, schöpft aus (meist destruktiven) Bedeutungen Anderer (der Großmutter, der Mutter usw.), trägt aber nicht die Beziehung zu Darius. (Es ist dabei anzumerken, dass nicht nur die Kritik, sondern auch die Autorin selbst akzentuiert, dass Darius Flora nicht sieht—z.B. im Interview „A költők segítették a depresszió megértésében“, http://mno.hu/grund/terezia-mora-1250391, heruntergeladen am 15. 01. 2015—, die Frage aber, ob Flora Darius sieht, wird nicht gestellt.) Darius, wie er Flora (wieder)erschaffen möchte, ist Erzählgegenstand einer Instanz, die die Voraussetzungen des Durchgangs zwischen Innen und Außen (u.a.) durch Vermittlung diverser, unterschiedlich wertender und semantisierender Perspektiven schafft—Dariusʼ Bedeutungspraxis ist durch diese Beziehung (also durch die Beziehung zwischen der obersten Erzählinstanz seines Textteiles und ihm) bestimmt. Darius, der der toten Flora durch das Lesen ihrer Aufzeichnungen nicht nahe kommen kann, wird durch diese Instanz sich selbst und dem Leser näher gebracht als in dem Vorgängerroman. Während die dominierende Erzählinstanz in Der einige Mann auf dem Kontinent als manipulativ ausgewiesen werden konnte (siehe dazu Eszter Propszt, „Krisendarstellung in Terézia Moras ,Der einzige Mann auf dem Kontinentʻ“ in: hrsg. Szabolcs János-Szatmári und Ágota Nagy, Krisen als Wendepunkte (Wien: Praesens Verlag, 2015) 173-182.), scheint sie hier ihrem Erzählgegenstand, Darius, gewogen zu sein: Durch die Konfrontation verschiedener Perspektiven werden keine Konflikte geschürt, Ambivalenz wird freigelegt und damit wird die Trauerarbeit gefördert.

  26. Vgl. dazu auch: „Doch wir sind auf immer nicht getrennt, Gott, der die Seinen alle kennt, wird wieder uns vereinen.“ (49).

  27. „Du lernst eine Frau kennen, sie erscheint dir fein, zurückhaltend, meinetwegen sensibel. […] Darius Kopp fühlte sich wie aus einer anderen Welt beschenkt.“ (92).

  28. Ich habe bereits darauf hingewiesen, dass die letzte Etappe in Floras Leben auf verschiedene Weise interpretiert werden kann. Dass sie sich an einem Baum erhängt, kann auch als ein letzter Identifikationsversuch ausgelegt werden, als Identifikation mit den Bäumen, die sie so liebt und bewundert—„Zwischen jungen, sonnenhellen Bäumen stehen. Sie neigen sich im Wind. Ihr seid schön, ihr seid schön.“ (305); „Für einen Moment war es gelungen: ich ging auf der Straße, die übliche Hölle, sah mich verzweifelt um, was könnte helfen, und erblickte den knorrigen, kahlen Baum im Kirchgarten, und wie ich in seine Krone hineinsah, in diese vollkommene, wunderschöne Schwärze, spürte ich, wie das Glück in meinem Körper anwuchs, ich spürte, jetzt bin ich glücklich. Ich sah sie mir an, die kahle Baumkrone, der Stamm war zerfetzt, überall beschnitten, ein hässlich malträtierter Stamm, aber die Krone, die Krone im Winterregen war perfekt. Sie machte mich glücklich für etwa 5 Sekunden.“ (625)—, und deren Zustand sie nachempfindet:

    „Sie fallen nicht um.

    Woher willst du das wissen?

    Ich kenne sie mittlerweile. Es geht ihnen gut

    (Den Bäumen geht es gut?!?!) Den Bäumen geht es gut? Und dir?

    Mir auch, sagte sie und lächelte“ (401).

  29. I’ve lost the very best of me.

    Soweit brauchte er, bis alle verstummt waren. Nicht die Vögel in der Luft, die Fische im Wasser und die Tiere des Waldes, denen ist unser Leben und Sterben herzlich egal, aber die menschlichen Schatten in der unmittelbaren Nähe, die in den dunklen Arkaden am Rande der Pools saßen, denn Darius Kopp der Jüngere sang nicht wie ein alter Blues-Sänger, sondern wie eine Heidelerche.“ (278).

  30. Dass der Wettkampf am Ort stattfindet, wo Kopp als Kind immer auf Kur war, ist auch von Bedeutung.

  31. Die Textstelle, die über seine Gedanken berichtet, während er sich die Wandmalereien anschaut—„sicher ist, dass keine Flügelgestalt hinter dir stehen wird“ (375)—kann der ungarische Leser mit dem Radnóti-Miklós-Gedicht Sem emlék, sem varázslat [Weder Erinnerung, noch Magie] verbinden.

  32. Vgl. dazu „War der Ort, an dem ich mich am sichersten fühlte, nicht immer schon mein Auto?“ (66).

  33. Szavaidat, az emberi beszédet

    én nem beszélem. […].

    Nem értem én az emberi beszédet,

    és nem beszélem a te nyelvedet.

    Hazátlanabb az én szavam a szónál!

    Deine Sprache, die Sprache der Menschen,

    spreche ich nicht. […]

    Die Sprache des Menschen verstehe ich nicht,

    ich rede deine Sprache nicht.

    Heimatlos sind meine Worte als das Wort.

    Laut Angaben von www.babelmatrix.org übersetzt von Gerhard Fritsch (ohne weitere Angaben). (heruntergeladen am 18. 03. 2015).

  34. Nincs is szavam.

    Iszonyu terhe

    omlik alá a levegőn,

    hangokat ad egy torony teste.

    Ich habe kein einziges Wort.

    Sein furchtbares Gewicht

    Stürzt aus dem Himmel. Es dröhnt

    der Rumpf eines Turms.

  35. Mert elhagyatnak akkor mindenek.

    Sie werden verlassen sein. Alle.

  36. Sehol se vagy. Mily üres a világ.

    Egy kerti szék, egy kinnfeledt nyugágy.

    Éles kövek közt árnyékom csörömpöl.

    Fáradt vagyok. Kimeredek a földből.

    3

    Látja Isten, hogy állok a napon.

    Látja árnyam kövön és keritésen.

    Lélekzet nélkül látja állani

    árnyékomat a levegőtlen présben.

    Akkorra én már mint a kő vagyok;

    halott redő, ezer rovátka rajza,

    egy jó tenyérnyi törmelék

    akkorra már a teremtmények arca.

  37. Csak most az egyszer szólhatnék veled,

    kit úgy szerettem. Év az évre,

    de nem lankadtam mondani,

    mit kisgyerek sír deszkarésbe,

    a már-már elfuló reményt,

    hogy megjövök és megtalállak.

    Torkomban lüktet közeled.

    Riadt vagyok, mint egy vadállat.

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Propszt, E. Die Grenzen der Repräsentation: Bedeutungsbildung in Terézia Moras Das Ungeheuer. Neohelicon 46, 663–681 (2019). https://doi.org/10.1007/s11059-018-0444-y

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