Abstract
The collapse of the Austro-Hungarian Monarchy after World War I produced several forms of litarary treatments of this “finis Austriae” by most of the authors of “Vienna Modernism,” e.g. by Arthur Schnitzler and Leo Perutz. Their texts will be analysed under the aspect of the narrative presentation of the historical trauma of the end of Habsburg Monarchy. Both authors outline a structure of “before” and “after” in their narrated worlds where the seemingly stable and idyllic situations bear also hidden tensions and controversies. The narrative methods of unreliability, intertextuality, the complexity of conflicting points of view etc. reveal the deep scepticism and frustration of the two authors concerning all idealization of the Monarchy, and this manifests also the general lost of confidence in historical transformations.
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Notes
Literatur wird dadurch mit ›Gedächtnis‹ und teilweise mit Gedächtnisforschung verbunden (Erll 2010: 288ff.).
Mit dem „goldenen Zeitalter‟ bezieht sich Magris auf Stefan Zweigs Die Welt von Gestern.
Vgl. u.a. auch solche Erzählungen wie Leutnant Gustl, Spiel im Morgengrauen, Casanovas Heimfahrt.
Für eine detaillierte Analyse der Novelle besonders in Hinsicht auf die narrative Struktur bzw. die erzählerische Unzuverlässigkeit vgl. Orosz 2013.
Die Erzählung wurde 1928 in den 6. Band der „Gesammelten Werke‟ von Schnitzler aufgenommen (vgl. Urbach 1974: 132).
Derré erwähnt auch, » [l]e XVIIe siècle […] apparaît souvent dans des œuvres plus tardives […]. Quelques œuvres narratives, elles aussi, empruntent leur décor au XVIIIe siècle, italien pour ›Casanovas Heimfahrt‹, allemand pour ›Die Frau des Richters‹ « (Derré 1966: 284).
Für eine zusammenfassende Übersicht über die intertextuellen Bezüge in „Die Frau des Richters‟ – auch auf Grund früherer Analysen – vgl. Orosz (in Vorb.).
Leyh hebt auch diesen Umstand hervor: »Schnitzler nimmt durch spielerische Imitation […] den Stil früherer Werke auf, um diese zu aktualisieren und ihn in der Form der Persiflage doch zu verabschieden« (Leyh 2016: 269).
Tweraser hebt auch Schnitzlers kritische Sicht auf die österreichische Nachkriegszeit hervor und polemisiert dabei mit Magris, der meint, »seine [=Schnitzlers] Phantasie blieb in der Zeit vor 1918 zurück« (Magris 2000: 256).
Leo Peutz ist 1882 in Prag geboren und 1957 in Bad Ischl gestorben.
Zur Lebens- und Werkgeschichte von Perutz vgl. die ausführliche Biographie von Müller 2007.
Für eine detaillierte Analyse der Erzählung, insbesondere auch in Hinsicht auf Züge unzuverlässigen Erzählens und der intertextuellen Bezüge vgl. Orosz 2007.
Perutz hat nicht nur zeitgenössisch situierte, sondern auch im engeren Sinne „historische‟ Werke veröffentlicht (so Die dritte Kugel, Der Marques de Bolibar, Turlupin, Der schwedische Reiter), die ebenfalls die Kontingenzerfahrung des Menschen in historischer Verschiebung behandeln.
Das entscheidende Ereignis wird nämlich nur aus Vittorins Sicht erzählt, wodurch es für den Leser nicht eindeutig nachvollziehbar ist.
„Ein Schwur verpflichtete sie und hielt sie fest, ein Eid, den sie in feierlicher Stunde an dem offenen Grabe eines Kameraden abgelegt hatten‟ (WrÄ, 20).
Damit entsteht auch eine nicht markierte intertextuelle Verbindung zu Schnitzler, insbesondere zu Leutnant Gustl (aber auch zu Spiel im Morgengrauen oder Der Sekundant), wo ebenfalls die Widersprüchlichkeit bzw. die Unhaltbarkeit soldatischer Ehrenvorschriften thematisiert wird.
Dazu wechselt das Erzählen in die vergegenwärtigende Präsensform und wird äußerst zeitraffend.
Vittorins Weg führt „aus der Fremde über eine Grenze in die Heimat‟ (Scheffel 2007: 84), um danach wiederholt zu werden. Zur Kreis- bzw. Schleifebewegung meint Chassagne: „Sur le plan structurel, le récit a effectué une boucle à l’image de l’impasse dans laquelle Vittorin s’est enfermé par son ›obstination dérisoire‹‟ (Chassagne 2005: 464).
Vgl. die Aussage von Artemjew über ihn: „Dieser da hat die Augen eines Fanatikers‟ (WrÄ, 150f.).
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Orosz, M. Zerfall und Erinnerung: narrative Gestaltungen historischer Traumata in der österreichischen Literatur. Neohelicon 45, 97–111 (2018). https://doi.org/10.1007/s11059-018-0431-3
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