Einleitung

In einer kürzlich publizierten Arbeit des European Centers of Disease Control (CDC) wurde noch einmal eindrucksvoll gezeigt, dass keine Infektionskrankheit weltweit für so viele Krankheits- und Todesfälle verantwortlich ist, wie die Influenza ([1]; Abb. 1). Das wohl berühmteste Beispiel einer Influenzapandemie war die spanische Grippe in den Jahren 1918/19 [2], die mehr Todesfälle nach sich zog als der gesamte 1. Weltkrieg. Beispiele für Influenzapandemien in den letzten fünfzig Jahren finden sich in Tab. 1.

Abb. 1
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Verhältnis von Erkrankungsfällen zu Todesfällen (jeweils pro 100.000 Population) für verschiedene Infektionskrankheiten. AIDS „Acquired immunodeficiency syndrome“, HAV Hepatitis-A-Virus, HBV Hepatitis-B-Virus, HIV „human immunodeficiency virus“, IHID „invasive haemophilus influenzae diseases“, IMD „invasive meningococcal infection“ (invasive Meningokokkeninfektion), IPD „invasive pneumococcal infection“ (invasive Pneumokokkeninfektion), TBE „tick-borne encephalitis“ (Frühsommer-Meningoenzephalitis), STEC Shiga-Toxin-bildende E. coli, vCJD Variante der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit, VTEC Verotoxin-bildende E. coli. (Modifiziert nach [1], mit freundlicher Genehmigung von European Centre for Disease Prevention and Control, ECDC)

Tab. 1 Influenzapandemien seit 1957

Influenza gehört zur Gruppe der Orthomyxoviren. Grundsätzlich sind drei humanpathogene Influenzagruppen bekannt, die als Influenza A, B und C bezeichnet werden, wobei der C‑Gruppe klinisch keine wesentliche Bedeutung zukommt. Ob das in den letzten Jahren in Schweinen entdeckte Influenza-D-Virus auf den Menschen übertragen werden kann, ist nicht abschließend geklärt, grundsätzlich hat es jedoch das Potenzial dazu [3].

Die Einteilung der Influenza A in Subgruppen erfolgt anhand zweier wesentlicher Pathogenitätsmechanismen, der des Hämagglutinins (H) und der Neuraminidase (N). Bisher sind 18-H-Antigene (H1 bis H18) und 11-N-Antigene (N1 bis N11) bekannt, von denen die wenigsten humanpathogen sind. Die beiden in den letzten Jahrzehnten wesentlichen Influenzavarianten waren H1N1 (Erreger der spanischen Grippe und der sog. Schweinegrippe) und H3N2 (der Erreger der Hongkong-Grippe). Aufgrund von Mutationen kommt es permanent zu Veränderungen der Oberfläche der Influenza-A-Viren, was die Impfstoffentwicklung, die auf die Oberflächenproteine ausgerichtet ist, erschwert (s. unten).

Die Übertragung von Influenza erfolgt in der Regel von Wildvögeln, die selbst nicht erkranken, auf domestiziertes Geflügel und dann weiter auf den Menschen. Durch den Vogelzug wird die Infektion zwischen Erdhemisphären und den Kontinenten verbreitet. Allerdings darf man einen anderen potenziellen Überträger, den Menschen selbst, nicht vergessen. Eine kürzlich publizierte Arbeit untersuchte in einer ausgefeilten Modellierung, in die Daten von vielen Tausenden Bewegungen von Fluggästen im Flugzeug eingingen, die Wahrscheinlichkeit sich mit einem Atemwegsvirus zu infizieren, wenn ein Fluggast an einem solchen erkrankt war [4]. Wenn man in einer Reihe oder eine Reihe vor oder hinter dem Erkrankten saß, betrug das Risiko um 90 % (in Abhängigkeit von der Kontagiosität des Virus), bereits fünf Reihen hinter dem Erkrankten sank es auf unter 1 %. Das Risiko, sich bei einem infizierten Crewmitglied anzustecken, war ungleich höher, es betrug zwischen 5 und 10 %, je nachdem wo man im Flugzeug saß. Gang- und Mittelplätze hatten ein höheres Risiko als Fensterplätze. Die größte Gefahr der Ansteckung (>20 %) bestand für andere Crewmitglieder. Auch wenn die hier gewählte Modellierung ein erhebliches Fehlerrisiko birgt, legt sie doch nahe, dass gerade auf Langstreckenflügen eine solche Virusausbreitung möglich, ja sogar wahrscheinlich ist, insbesondere für ein Virus mit hohem Ansteckungspotenzial wie Influenza.

Während einer Flugreise ist das Infektionsrisiko erhöht

Zudem sollte man andere Besonderheiten beim Aufenthalt in einem Flugzeug nicht vernachlässigen: die deutliche erniedrigte Sauerstoffsättigung und die geringe Luftfeuchtigkeit. Der Druckausgleich im Flugzeug ist auf eine Höhe von über 2000 m eingestellt. Dies führt zu einer Reduktion der Sauerstoffsättigung um etwa 15 % [5]. Dies kann gerade für respiratorisch oder kardiovaskulär vorerkrankte Menschen zu einer Verschlechterung der vorhandenen Erkrankung beitragen. Die niedrige Luftfeuchtigkeit (ca. 6 %) führt zu einer Austrocknung der Atemwegsepithelien und erhöht damit das Infektionsrisiko nicht nur während des Flugs, sondern auch die Tage danach.

Influenza B wird nach den Orten der Erstbeschreibung (Yamagata und Victoria) in zwei Subgruppen eingeteilt. Influenza-B-dominierte Influenzajahre treten alle 10–15 Jahre auf, ansonsten dominiert Influenza A. Meist treten dann beide Influenza-B-Subtypen mehr oder minder gleichverteilt auf. Jahre mit einer Dominanz nur eines Influenza-B-Virustyps sind selten [6].

Die Influenzasaison 2018 und 2019

Das Jahr 2018 zeichnete sich durch eine der höchsten Zahlen an Influenzaerkrankten aller Zeiten aus, die sogar die jährlichen Erkrankungszahlen der H1N1-Pandemie von 2009/2010/2011 übertrafen. Im Gegensatz zu Letzterer wurde das jedoch in der Öffentlichkeit wenig registriert. Das Jahr 2019 war dann im Hinblick auf die Erkrankungszahlen wieder ein „normales Influenzajahr“.

Abb. 2 zeigt den Infektionsverlauf zwischen der 4. und der 14. Woche 2018, wie er sich aus den wöchentlich im Internet einzusehenden Karten der durch das Robert-Koch Institut (RKI) durchgeführten nationalen Überwachung darstellt [7]. Von Anfang Februar bis Anfang März wurden pro Woche mehr als 60.000 Neuerkrankungen gemeldet, da jedoch nur ein Bruchteil der Erkrankten überhaupt auf Influenza untersucht wurde, dürfte die Dunkelziffer wesentlich höher liegen. In der Regel gehen wir von fünf unbestätigten Fällen einer Influenzaerkrankung im Vergleich zu einem bestätigten Fall aus; mehr als 300.000 Neuerkrankungen pro Woche sind daher in den Spitzenzeiten im Februar und März 2018 realistisch. Insgesamt sind 2018 schätzungsweise mehr als 2 Mio. Menschen erkrankt. Aber auch 2019 (in einem „normalen“ Jahr) dürften noch mehr alles eine halbe Million Menschen in Deutschland von der Influenza betroffen sein.

Abb. 2
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Entwicklung der Influenzaerkrankungsraten in Deutschland in der 6. (a), der 8. (b) und der 14. Woche 2018 (c) und der 8. Woche 2019 (d). Blau Niedrige Krankheitsaktivität. Rot Hohe Krankheitsaktivität. (Modifiziert nach [7], mit freundlicher Genehmigung Robert-Koch Institut, Berlin)

Ging man noch vor 10 Jahren davon aus, dass die Influenzasaison von Sylvester bis Ostern reicht, fällt in den letzten Jahren eine Verschiebung um zwei Wochen in den Januar hinein auf, dafür gibt es noch bis in den Mai hinein Neuerkrankungsfälle. Die Gründe hierfür sind nicht abschließend geklärt, jedoch könnte der Klimawandel mit einer Veränderung des Zugverhaltens von Wildvögeln eine Rolle spielen. Möglicherweise führt der Klimawandel zu einer schnellen Veränderung des Vogelzugrouten. Vögel sind jedoch entscheidend für die Ausbreitung von Influenza. In einem aufwendigen Projekt werden zurzeit Wildvögel markiert und mit Hilfe der internationalen Raumstation die Zugrouten neu vermessen.

Das besondere an der Influenzasaison 2018 war die Tatsache, dass es eine durch Influenza B bestimmte Saison war. Die letzte „Influenza-B-Saison“ war 2005/2006, damals waren etwas über 60 % der Fälle durch Influenza B ausgelöst [6]. Einen Auszug aus dem RKI-Wochenbericht am Ende der 14. Woche zeigt Tab. 2 [8]. Zu diesem Zeitpunkt waren mehr als 70 % aller nachgewiesenen Influenzafälle durch Influenza B ausgelöst worden. Zudem kam es zu einer weiteren besonderen Situation, weil nahezu alle Influenza-B-Fälle durch einen Stamm (B/Yamagata 3 Phuket/3073/2013-like) ausgelöst wurden.

Tab. 2 Subdifferenzierung der einzelnen Influenzastämme, Wochenbericht des RKI nach der 14. Woche 2018 (Modifiziert nach [8])

Im Jahr 2019 dominierte dann wieder Influenza A; die meisten Krankheitsfälle wurden durch einen spezifischen H1N1-Subtyp [9] ausgelöst.

Die Sterblichkeitsrate von Influenza ist erheblich. Wie Abb. 3 zeigt, wurden 2018 am Ende der Influenzaperiode 1615 direkt mit Influenza assoziierte Todesfälle registriert. Die Zahl der hospitalisierten und insbesondere der intensivmedizinisch betreuten Patienten war höher als in den Vorjahren. Die Kosten für das Gesundheitssystem gingen wahrscheinlich in die Milliarden, sodass die Einsparungen durch die Empfehlung für den trivalenten anstelle des quadrivalenten Impfstoffs bei Weitem durch diese höheren Kosten übertroffen wurden.

Abb. 3
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Direkt mit einer Influenzaerkrankung assoziierte Todesfälle 2018 (Datenquelle [8])

Tab. 2 zeigt jedoch ein zusätzliches Problem auf, dass sich mit der Zusammensetzung des Influenzaimpfstoffs beschäftigt. Bis vor wenigen Jahren war es technologisch nicht möglich, mehr als drei abgetötete Influenzaantigene im Impfstoff zu konzentrieren. Deshalb wurden die beiden Influenza-A-Hauptvarianten (H1N1 und H3N2) und eine der beiden B‑Varianten in einem trivalenten Influenzaimpfstoff berücksichtigt.

Schon im Oktober 2017 zeigten Daten aus tropischen Ländern eine Influenza-B-Yamagata-Epidemie voraus

Die Modellierungen der World Health Organisation (WHO), die auch die Grundlage für die Empfehlungen des RKI geben, waren jedoch in der Vergangenheit häufig falsch und versagten 2018 komplett. Statt der in der WHO-Impfempfehlung enthaltenen Victoria-Variante kam es zu einer Yamagata-Epidemie, sodass der auch in Deutschland empfohlene (und von den Krankenkassen erstattete) trivalente Influenzaimpfstoff in weiten Teilen unwirksam war. Das ist umso bedauerlicher, als seit 2014 ein quadrivalenter Impfstoff zur Verfügung steht, in dem beide Influenza-B-Varianten enthalten sind. Weil dieser jedoch teurer ist als der bereits beschriebene trivalente Impfstoff, wurde er bisher in den Impfempfehlungen nicht berücksichtigt und auf die Modellierung für den trivalenten Impfstoff vertraut. Da die letzten Jahre alle Influenza-A-dominiert waren, stellte das kein Problem dar, im Influenza-B-dominierten Jahr 2018 dann allerdings schon. In den letzten Jahren gab es mit der WHO-Modellierung häufiger Probleme. Auch in den beiden vorigen Jahren (2016 H1N1- und 2017 H3N2-dominiert) entsprach die Subdifferenzierung der Influenza-A-Stämme nicht dem dann dominanten Typ.

Eine von einer Reihe von infektiologischen Fachgesellschaften im Internisten publizierte Stellungnahme kritisiert allerdings nicht die primär falsche Impfstoffempfehlung [10], sondern eher das weitere Vorgehen der Regulationsbehörden. Denn bereits Ende Oktober 2017 war anhand der Daten aus den tropischen Ländern klar, dass es zu einer Influenza-B-Yamagata-Epidemie kommen würde. Das RKI empfahl daher, den quadrivalenten Impfstoff zu verabreichen. Dieser war jedoch nicht erhältlich, denn die Hersteller hatten nach der Entscheidung des gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) für den trivalenten Impfstoff keinen quadrivalenten produziert. Wäre man Ende Oktober sofort in die Produktion eingestiegen, hätte man um Weihnachten genug Impfstoff gehabt, um zumindest die Risikogruppen nachzuimpfen. Das hätte, bei etwa 4 Wochen Zeitdauer bis zum Erreichen des vollen Impfschutzes noch gereicht, um einen Effekt zu erzielen. Die Empfehlung des RKI vom November 2017 nutzt allerdings insofern wenig, als eine Entscheidung des GBA nötig gewesen wäre, um die Krankenkasse zu einer Erstattung des quadrivalenten Impfstoffs zu verpflichten. Ohne GBA-Beschluss laufen die niedergelassenen Ärzte Gefahr, für die höheren Kosten des quadivalenten Impfstoffs in Regress genommen zu werden. Dieses Risiko nehmen nur die Wenigsten auf sich. Für andere Impfstoffe, wie den konjugierten Pneumokokkenimpfstoff (der GBA empfiehlt den billigeren Polysaccharidimpfstoff), wurden solche Regresse von den Kassen bereits angedroht. Erst auf der GBA-Sitzung im März wurde dann eine Empfehlung für den quadrivalenten Impfstoff ausgesprochen, da war es für die Epidemie 2018 zu spät.

Insgesamt hat sich in 2019 das Impfverhalten deutlich gebessert, auch wenn es lange weit entfernt von den gewünschten Impfraten ist. Immer noch lassen sich mehr als 50 % derer, für die die Impfung von der Ständigen Impfkommission (STIKO) empfohlen ist (Tab. 3), nicht impfen. Besonders schlecht wird die Impfung bei schwangeren Frauen angenommen. Schwangere haben jedoch aus immunologischen Gründen (Shift von Th1- zu Th2-Lymphozyten, erstere sind zentral für die Influenzaabwehr) ein erhöhtes Risiko, eine schwere Influenza zu erleiden. Deshalb wird die Influenzaimpfung für Schwangere generell empfohlen, in besonderen Fällen auch im 1. Trimenon der Schwangerschaft. Als Nebeneffekt kommt es durch die plazentagängigen Antikörper auch zu einem Schutz bei Säuglingen. Eine Influenzainfektion in den ersten 6 Lebensmonaten verläuft häufig besonders schwer.

Tab. 3 Aktuelle Impfempfehlungen der STIKO (Modifiziert nach [11])

Sekundärinfektionen und Komorbiditäten als besondere Herausforderung bei Influenza

In allen Statistiken zu Influenza werden Erkrankungen und Todesfälle aufgelistet, die direkt mit einer Influenzaerkrankung im Zusammenhang stehen. Dieser Zusammenhang lässt sich jedoch häufig gar nicht herstellen. Aus der Pneumonieforschung ist ja bekannt, dass ein beträchtlicher Teil der Todesfälle einer akuten Infektion nicht typisch infektionsbezogen ist (septisches Krankheitsbild mit Multiorganversagen), sondern dass Infektionen auf verschiedene Weise vor allem kardiovaskuläre Erkrankungen begünstigen können [12]. Eine in diesem Jahr im New England Journal of Medicine publizierte Untersuchung unterstreicht dies für Influenza [13]. In den ersten 7 Tagen einer Influenzainfektion stieg das Risiko der Infizierten für einen Myokardinfarkt um das 6‑Fache gegenüber Nichtinfizierten an. Erst nach einer Woche normalisierte es sich wieder. Auch durch andere Atemwegsviren, insbesondere durch das respiratorische Synzytial-Virus (RSV), erhöhte sich das Risiko für einen Herzinfarkt deutlich.

Eine kardiovaskuläre medikamentöse Prävention sollte man während der Influenzabehandlung nicht abbrechen

Warum das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen unter Influenza so hoch ist, ist nicht abschließend geklärt. Einerseits führt die starke Inflammation zu einer erhöhten Koagulabilität des Bluts, was bei vorbestehender Arteriosklerose ungünstig ist. Andererseits induziert das Influenzavirus in starkem Maße eine Makrophagenaktivierung; aktivierte monozytäre Zellen spielen aber im Progress und beim Aufbrechen arteriosklerotischer Plaques eine wesentliche Rolle. Es sollte darauf geachtet werden, dass eine vorbestehende kardiovaskuläre medikamentöse Prävention während der Influenzabehandlung nicht abgebrochen wird. Dies gilt insbesondere für Acetylsalicylsäure (ASS) zur Verminderung der Thrombozytenaktivierung. Dem ASS werden gerade im Zusammenhang mit septischen und insbesondere mit schweren Virusinfektionen noch andere, im weitesten Sinne antivirale Eigenschaften zugesprochen. In einer kleinen Phase-II-Studie konnte mit inhaliertem ASS zusätzlich zur Standardtherapie eine Symptomreduktion, vor allem bei schwerer Kranken erzielt werden [14]. Die Studie ist jedoch zu klein und in ihren Ergebnissen zu inhomogen, um hieraus ein wirklich neues Therapieprinzip ableiten zu können.

Influenza B hat im Hinblick auf die kardiale Morbidität und Mortalität besondere Eigenschaften, weil das Influenza-B-Virus Kardiomyozyten direkt infiltrieren und schädigen kann. Schwere akute Kardiomyopathien, auch bei vollkommen gesunden jungen Menschen und bei Kindern, wurden beschrieben [15]. Aus meiner eigenen Erfahrung waren mindestens 25 % der intensivmedizinisch behandlungsbedürftigen Influenza-B-Erkrankungen primär durch die schwere Linksherzinsuffizienz geprägt.

Ein wesentliches Problem von Influenzainfektionen ist die Tatsache, dass sie zu Sekundärinfektionen prädisponieren, weil die ausgeprägte Epithelschädigung durch das Influenzavirus die Invasion anderer Erreger begünstigt. In einer aufsehenerregenden Arbeit konnten amerikanische Wissenschaftler 2011 asservierte Gewebeproben von während der 1918/19 grassierenden H1N1-Epidemie („spanische Grippe“) verstorbenen Soldaten untersuchen [16]. Sie konnten in allen Proben Influenza nachweisen, fanden jedoch auch in vielen Proben bakterielle Erreger. Tab. 4 zeigt, dass es sich dabei überwiegend um grampositive Erreger handelte; dominierend waren Pneumokokken und verschiedene Staphylokokken-Spezies.

Tab. 4 Anteil bakterieller Erreger bei während der 1918/19 grassierenden Influenza-A-Epidemie (H1N1) verstorbenen Patienten (Modifiziert nach [16])

In einer gerade publizierten Studie aus Liverpool [17] konnte in einem experimentellen Design nachgewiesen werden, dass Pneumokokken nicht, wie bisher angenommen, ausschließlich über Tröpfcheninfektion übertragen werden können, sondern dass auch eine direkte Übertragung über die Hände möglich ist. Damit erhöht sich die Wahrscheinlichkeit einer Kolonisation von Pneumokokken im oberen Atemwegstrakt. Dies stellt dann das Pneumokokkenreservoir für eine sekundäre bakterielle Infektion dar, wenn es durch eine vorangegangene Virusinfektion zu einer substantiellen Epithelschädigung gekommen ist.

Die Frage, welcher Pneumokokkenimpfstoff zu bevorzugen ist, bleibt weiter ein Diskussionspunkt zwischen den Fachgesellschaften und der STIKO. Aus den Ländern, die wie die USA eine Empfehlung für den Konjugatimpfstoff (PCV13) ausgesprochen haben, kommen jetzt erste Daten zur Effektivität [18]. Hierzu wurden 2034 Hospitalisierungen wegen einer ambulant erworbenen Pneumonie analysiert, in 68 Fällen fand sich eine über einen serotypspezifischen Urinantigentest diagnostizierte Pneumokokkenpneumonie mit einem der 13, im Konjugatimpfstoff enthaltenen Serotypen. Eine positive Blutkultur hatten 6 Patienten (8,8 %). Die Fälle wurden mit gematchten Kontrollen verglichen, wobei zwischen Fällen und Kontrollen ein Unterschied im Hinblick auf die Immunkompromittierung (29,4 % vs. 46,4 %; p = 0,02) und beim Übergewicht (41,2 % vs. 58,6 %; p = 0,01) bestand. Die Pneumoniefälle waren vergleichbar oft mit PSV23, jedoch deutlich seltener mit PCV13 geimpft als die Kontrollen (3/68 [4,4 %] vs. 285/1966 [14,5 %]); für PCV13 ergab sich eine nichtadjustierte Vakkzineffektivität (VE) von 72,8 %. Wesentliche Konfounder wurden in der Studie nicht gefunden; die adjustierte VE war daher mit 71,1–73,3 % der nichtadjustierten VE vergleichbar.

Neue Konjugatimpfstoffe, die mehr Serotypen (15 bzw. 20) beinhalten, befinden sich in der klinischen Prüfung. Wenn diese in den nächsten Jahren zugelassen werden, wird es sicher eine neue Diskussion über die Impfempfehlungen in Deutschland geben.

Neben bakteriellen Infektionen treten gehäuft invasive Aspergillusinfektionen auf

In einer retrospektiven Analyse der während der 2009/2010/2011er Pandemie (H1N1, sog. Schweinegrippe) verstorbenen Patienten konnte bestätigt werden, dass eine Superinfektion erheblich zum Anstieg der Sterblichkeit beiträgt. Es wurde jedoch zum ersten Mal gezeigt, dass neben bakteriellen Infektionen bei den im Prinzip nichtimmunsupprimierten Patienten gehäuft invasive Aspergillusinfektionen zu beobachten sind, die erwartungsgemäß mit einer hohen Sterblichkeit einhergehen [19].

Eine im letzten Jahr publizierte retrospektive Analyse einer holländisch belgischen Arbeitsgruppe fand in einem 7‑Jahres-Zeitraum bei 83 (19 %) von 432 Patienten, die mit Influenza auf einer Intensivstation aufgenommen wurden, eine invasive Aspergilleninfektion, im Mittel 3 Tage nach Aufnahme auf die Intensivstation [20]. Die Inzidenz war für Influenza A und B gleich. Immunsupprimierte Patienten (38 von 117 Patienten, 32 %) zeigten erwartungsgemäß eine höhere Inzidenz als immkunkompetente Patienten (45 von 315 Patienten, 14 %). Die 90-Tage-Sterblichkeit war 51 % bei Patienten mit invasiver Aspergillose gegenüber 28 % bei Patienten ohne diese Komplikation (p = 0,0001). Influenza war unabhängig mit invasiver Aspergillose assoziiert (adjustierte Odds Ratio 5,19; 95 %-Konfidenzintervall [KI] 2,63–10,26; p < 0,0001). Andere Risikofaktoren waren ein hoher APACHE-II-Score (Acute Physiology and Chronic Health Disease Classification System II), männliches Geschlecht und eine Therapie mit Kortikosteroiden.

Auf dem letztjährigen DIVI-Kongress (Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin) wird eine ebenfalls retrospektive Analyse von intensivpflichtigen Patienten der Influenzasaison 2016 (auch damals überwiegend H1N1-Fälle) vorgestellt werden, die diese Häufung invasiver Aspergillusinfektion bei beatmeten Patienten mit Influenza bestätigt (O. Boenisch, persönliche Mitteilung).

Eine prophylaktische antibiotische oder gar antimykotische Therapie ist trotz dieser Ergebnisse nicht zu empfehlen. Die bakterielle Superinfektion tritt zwischen Tag 5 und 7 auf, die Aspergillusinfektion eher erst nach Tag 7. Wenn es nach einer anfänglichen Verbesserung des klinischen Bilds wieder zu einer Verschlechterung mit deutlichem Anstieg der Infektparameter und Verschlechterung der respiratorischen Situation kommt, muss an die Superinfektion gedacht werden, eine entsprechende Diagnostik eingeleitet und eine erregeradaptierte Therapie gestartet werden.

Eine Aspergillusdiagnostik soll auch bei Patienten ohne definiertes Immundefizit erwogen werden, wenn Prädispositionen wie eine strukturelle Lungenerkrankung, eine rheumatologische Grunderkrankung, eine Leberzirrhose oder, wie oben gezeigt, eine schwere Influenzaerkrankung vorliegen. Basisdiagnostik ist die Computertomographie (CT) des Thorax. Der Nachweis von Galaktomannan-Antigen aus der bronchioalveolären Lavage (BAL) ist dem Nachweis im Blut überlegen und stellt bei der diagnostischen Abklärung eine Ergänzung zur histopathologischen und mikrobiologischen Untersuchung von Lungengewebe dar. Wenn Biopsien nicht durchgeführt werden können, trägt eine positive Aspergilluskultur und/oder ein Galaktomannan-Antigentest aus der BAL zu einer wahrscheinlichen Diagnose bei (Tab. 5).

Tab. 5 Klinischer Algorithmus zur Diagnose der invasiven Aspergillose bei nichtneutropenischen Patienten (Modifiziert nach [21])

Zur Behandlung der invasiven Aspergillusinfektionen stehen mit den beiden Azolderivaten Posaconazol und Isavuconazol zwei neue Therapieoptionen zur Verfügung, die weniger Interaktion mit anderen hepatisch metabolisierten Substanzen zeigen und insgesamt stabilere Serum- und Gewebekonzentrationen aufweisen. Isavuconazol konnte in einer randomisierten kontrollierten Studie [22] die Nichtunterlegenheit gegenüber Vorikonazol bei gleichzeitig deutlicher Reduktion wesentlicher Nebenwirkungen belegen. Auch eine Beobachtungsstudie zur Behandlung von Mukormykosen brachte gegenüber einer historischen Kontrolle, die mit Amhotericin B behandelt wurde, vergleichbare Ergebnisse [23].

Folgerichtig ist Isavuconazol sowohl in den Leitlinien der European Conference of Infections in Leukemia (ECIL, [24]; Tab. 6) als auch in den neuen ESCMID Guidelines (European Society of Clinical Microbiology and Infectious Diseases, [25]) als Therapiealternative zu Vorikonazol in die Erstlinientherapie aufgerückt und sollte gerade bei Patienten, bei denen wirksame Spiegel von Vorikonazol schwer zu erreichen sind, Berücksichtigung finden.

Tab. 6 ECIL-6-Empfehlungen (European Conference on Infections in Leukaemia) für die Therapie der invasiven Aspergillose (Modifiziert nach [24])

Zu Posaconazol liegen leider keine randomisierten kontrollierten Studien zur Behandlung der invasiven Aspergillose vor. Daten zur Wirksamkeit bei dieser Indikation stammen aus Salvage-Studien an Patienten mit anderweitigem Therapieversagen [26]. Da jedoch inzwischen eine intravenöse Zubereitung verfügbar ist, sollte diese Substanz zumindest erwogen werden, wenn die Erstliniensubstanzen nicht verfügbar sind.

Therapie der Influenza

Die Therapie der schweren Influenzainfektion ist weiterhin schwierig. Primär steht die Therapie des Organversagens, also in erster Linie von respiratorischem und kardialem Versagen im Vordergrund, in besonders schweren Fällen kommen Organersatzverfahren wie die veno-venöse oder die veno-arterielle extrakorporale Membranoxygenierung (ECMO) zum Einsatz, in der Hoffnung, dass sich die Infektion selbst limitiert und eine Restitution eintritt.

Von Vorteil ist ein frühzeitiger Therapiestart innerhalb der ersten 2 Tage nach Symptombeginn

Für die antivirale Therapie stehen Neuraminidasehemmer wie Oseltamivir oder Zanamivir zur Verfügung. In einer Metaanalyse, in die 29.234 Patienten aus 78 Studien, die im Rahmen der H1N1-Pandemie in 2009/2010/2011 (sog. Schweinegrippe) ins Krankenhaus aufgenommen wurden, eingeschlossen wurden [27], ging eine Therapie mit Neuraminidasehemmern im Vergleich zu keiner solchen Therapie mit einer Reduktion der Sterblichkeit um 19 % (adjustierte Odds Ratio [OR] 0,81; 95 %-KI 0,70–0,93; p = 0,0024) einher. Allerdings zeigte sich dieser Vorteil vor allem, wenn die Therapie frühzeitig innerhalb der ersten 2 Tage nach Symptombeginn gestartet wurde. Frühe Therapie war im Vergleich mit späterer Therapie mit einer Risikoreduktion von 52 % (adjustierte OR 0,48; 95 %-KI 0,41–0,56; p < 0,0001) verbunden. Für jeden Tag verspäteter Therapie kam es zu einem Anstieg der Sterblichkeit um 23 % (adjustierte Hazard Ratio [HR] 1,23; 95 %-KI 1,18–1,28; p < 0,0001). Die Reduktion der Sterblichkeit war erwartungsgemäß umso geringer, je weniger schwer die Erkrankung war; bei Kindern war sie ebenfalls nicht signifikant. Ähnliche Zusammenhänge wurden auch für Patienten gezeigt, die schwer erkrankt, aber nicht hospitalisiert waren [28], sodass ein Effekt nosokomialer Infektionen auf die Sterblichkeit eher unwahrscheinlich erscheint.

Letztlich sind die Ergebnisse dieser Analyse nicht verwunderlich. Die Neuraminidase ist der wesentliche Pathogenitätsfaktor für das Eindringen des Virus in die Wirtszelle. Hat das Virus diese erreicht, nutzt die Neuraminidasehemmung nichts mehr. Die Entwicklung neuer influenzawirksamer Medikamente hat in den letzten Jahren jedoch wieder Fahrt aufgenommen. Dabei handelt es sich in der Regel, um Substanzen, die in die intrazelluläre Replikation des Virus eingreifen. Mehrere dieser Medikamente befinden sich zurzeit in Phase II und III der klinischen Prüfung (Übersicht bei [29]). Mit Baloxavir, einem Benzofuranderivat, wurde eine erste neue Substanz in USA und Japan zugelassen; mit einer Zulassung für den europäischen Markt wird in den nächsten zwei Jahren gerechnet. Baloxavir zeigt gegenüber Plazebo, aber auch im Vergleich zu Oseltamivir einen deutlich schnelleren Abfall der Viruslast und eine schnellere klinische Besserung [30].

Neben den direkten Virostatika wird auch an Substanzen gearbeitet, die die Wirtsreaktion auf das Virus modifizieren. Wie bereits oben gesagt, führt das Influenzavirus zu einer starken proinflammatorischen Reaktion auf zellulärer und humoraler Ebene. Nicht das Virus selbst, sondern die überschießende Immunantwort trägt wesentlich zur Gewebsschädigung und zum Organversagen bei. In einer retrospektiven Analyse der 2018 in der Medizinischen Hochschule Hannover behandelten Patienten konnten wir zeigen, dass immunkompromittierte Patienten ein besseres Überleben zeigten als immunkompetente Menschen – wahrscheinlich weil die Immunantwort bei ihnen schwächer ausfiel (nichtpublizierte Daten). Tab. 7 zeigt eine Reihe der zurzeit getesteten Substanzen und den Stand ihrer Entwicklung.

Tab. 7 Wirtsfaktoren und ihre Inhibitoren (Modifiziert nach [29])

Auch im Bereich der Impfstoffe gibt es verschiedene Forschungsinitiativen. Je nach der Art des Erregers und der Immunogenität des Geimpften liegen die Protektionsraten zurzeit zwischen 40 und 70 % [58], wie in einer kürzlich publizierten Analyse gezeigt werden konnte. Dabei spielen zwei wesentliche Probleme eine Rolle, die die Impfstoffentwicklung behindern: die unzureichende Immunantwort bei Kindern und vor allem bei alten Menschen und die bereits beschriebene Variabilität des Virus. Ersteres kann man durch eine Dosiserhöhung des Antigens im Impfstoff oder durch die Weiterentwicklung von Adjuvantien, die die Immunogenität erhöhen, adressieren [59, 60]. Die Variabilität des Influenzavirus bezieht sich in erster Linie auf seine Oberflächenstrukturen; das Virus hat jedoch auch präservierte Anteile. Könnte man diese als Zielstruktur für eine Impfung nutzen, könnte eine langwirksame Impfantwort erreicht werden. Ein solcher Ansatz wurde gerade in Science beschrieben. Der hier genutzte Multidomänen-Antikörper (MD 3606) bewirkte in einem Mausmodell einen Schutz gegen die hier genutzten Influenzavirusstämme [61].

Influenza und der Einsatz von Kortikosteroiden

Eine retrospektive Analyse der während der sog. Schweinegrippe erhobenen Daten legte bereits 2011 nahe [62], dass Kortikosteroide zu einer erhöhten Sterblichkeit bei schwerer Influenza beitragen. Das wurde jetzt in einer in Intensive Care Medicine publizierten größeren Studie bestätigt [63]. Die Intensivsterblichkeit war für Patienten unter Kortikosteroidtherapie (im Median 80 mg Methylprednisolon für 7 Tage) 27,5 % im Vergleich zu 18,8 % in der Gruppe ohne Kortikosteroidgabe (p < 0,001). Einflussfaktoren wurden mit einer Propensity-Score-Analyse ausgeschlossen; danach war der Einsatz von Kortikosteroiden mit einem Anstieg der Sterblichkeit von 38 % (HR 1,32; 95 %-KI 1,08–1,60; p < 0,006) in der Cox-Regressionsanalyse verbunden. Abb. 4 zeigt, dass in der Subgruppenanalyse mit einer Ausnahme eine höhere Mortalität für mit Kortikosteroid behandelte Patienten nachgewiesen werden konnte. Einzige Ausnahme waren Patienten mit Asthma bronchiale.

Abb. 4
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Subgruppenanalyse der Intensivsterblichkeit in Abhängigkeit von der Kortikosteroidtherapie. (Modifiziert nach [63])

Natürlich sind retrospektive Auswertungen immer problematisch, weil die Vergleichbarkeit der Patientengruppen immer fragwürdig bleibt. In dieser Studie hat man mit statistischen Mitteln versucht, die Kollektive so gut wie möglich vergleichbar zu machen, vollständig kann das nie gelingen. Trotzdem ist die Datenlage so eindeutig, dass – wie in der Deutschen Leitlinie zur Behandlung der ambulant erworbenen Pneumonie [58] bereits ausgeführt – eine Kortikosteroidtherapie bei Influenza kontraindiziert ist. Die deutsche Leitlinie erlaubt Kortikosteroide jedoch bei Exazerbationen obstruktiver Atemwegserkrankungen. Für Asthma zeigt sich in dieser Studie tatsächlich kein Unterschied in der Sterblichkeit. Wahrscheinlich wird der Nachteil der Kortikosteroide im Hinblick auf die Viruselimination durch den Vorteil bei der Reduktion der asthmatypischen Inflammation aufgewogen. Für COPD bestätigt sich jedoch der Nachteil der Kortikosteroidbehandlung, allerdings ist die COPD-Definition in dieser Studie eher unscharf. Kortikosteroide sollten nur in gut definierten Ausnahmefällen bei einer Influenzainfektion genutzt werden. Eine Aussage über inhalative Kortokosteroide erlaubt die eben diskutierte Studie nicht, sodass hier keine Einschränkung erwogen werden muss.

Fazit für die Praxis

  • Die Influenza ist sowohl zahlenmäßig als auch im Hinblick auf Morbidität, Mortalität und nicht zuletzt hinsichtlich der Kosten für die Gesundheitssysteme die wichtigste Infektionskrankheit weltweit.

  • Auch wenn sich im Hinblick auf neue, bessere Virostatika Verbesserungen abzeichnen, bleibt die Impfung und damit die Krankheitsprävention die wichtigste Maßnahme gegen Influenza.

  • Die Impfraten sind weltweit und in Deutschland im Besonderen unzureichend. Einer der Gründe dafür sind durch nichts bewiesene Gerüchte über Impfnebenwirkungen.

  • Der Aufklärung über Nutzen und Risiken von Impfmaßnahmen muss in Zukunft deutlich mehr Beachtung geschenkt werden.