Rund 1 % der Frauen erfährt ein Sistieren der endokrinen und reproduktiven Ovarfunktion vor dem 40. Lebensjahr. Während iatrogen bedingte Fälle heute oft schon präemptiv durch fertilitätserhaltende Maßnahmen und eine frühzeitig Aufnahme der Hormonsubstitution gemanagt werden, ist die idiopathische prämature Ovarialinsuffizienz (POI) häufig von einer Verschleppung der Diagnosestellung und Therapieeinleitung gekennzeichnet.

Die vorliegende Ausgabe der Zeitschrift Gynäkologische Endokrinologie führt Erkenntnisse der Reproduktionsbiologie und -genetik mit Aspekten des klinischen Managements der POI zusammen. Auch wenn die Mechanismen der Keimzellentstehung und des Keimzellverbrauchs in zunehmendem Maße verstanden werden, bleibt die Ätiologie der Mehrzahl der Fälle der POI enigmatisch. Langzeitstudien zu Parametern der ovariellen Reserve und dem Einfluss von Lebensführung und Komorbiditäten sind deshalb dringend geboten.

In der klinischen Routine ist entscheidend, Risikopatientinnen frühzeitig zu identifizieren

In der klinischen Routine ist entscheidend, frühzeitig Risikopatientinnen zu identifizieren und zu beraten und das Bewusstsein für die Implikationen der nachlassenden Ovarfunktion für Fortpflanzung, Sexualität und Gesundheit zu schärfen. Nur so können Patientinnen in Risikokonstellationen früh fertilitätsprotektive Maßnahmen angeboten werden.

Manifeste Fälle benötigen nicht nur ein interdisziplinäres Management an der Schnittstelle von Reproduktionsmedizin, gynäkologischer Endokrinologie, Osteologie, Endokrinologie und ggf. Psychotherapie, sondern auch eine tragfähige Arzt-Patientinnen-Beziehung mit einem zentralen Ansprechpartner. Dies wird im Regelfall die betreuende Frauenärztin oder der betreuende Frauenarzt sein. Regelmäßige Konsultationen und Beratungen können die Therapieadhärenz steigern, im Besonderen dann, wenn individuellen Vorlieben und Bedürfnissen der Patientinnen hinlänglich Rechnung getragen wird.

Der Kinderwunsch von Frauen mit POI wird heutzutage in zunehmendem Maße über die Eizellspende realisiert neben der oft noch gegebenen geringen Wahrscheinlichkeit für eine spontane Empfängnis. Diese Therapiemodalität ist Frauen in Deutschland aufgrund der Regelungen des deutschen Embryonenschutzgesetzes leider versagt. Wir haben angesichts der Komplexität der medizinischen, sozialen und rechtlichen Implikationen auf eine verkürzte Darstellung der Eizellspende in dieser Ausgabe der Zeitschrift Gynäkologische Endokrinologie verzichtet. Es soll aber auch an dieser Stelle einmal mehr angemahnt werden: Die Eizellspende ist eine wissenschaftlich-medizinisch etablierte Behandlung, die Unterbindung der Eizellspende durch das Strafgesetz nicht mehr zu rechtfertigen.

figure a

Georg Griesinger

figure b

Thomas Strowitzki