Sepsis ist die schwerste Verlaufsform einer akuten Infektion. Sie kann zum Multiorganversagen führen und endet dann in 30–50 % der Fälle tödlich [2]. Sepsis ist eine Folge der systemischen Abwehr des Körpers auf eine meist bakterielle Infektion. Ursache ist die Fehlregulation der körpereigenen Immunabwehr auf die Krankheitserreger. Diese kann auch durch Pilze, Protozoen (Malaria!) oder Viren bedingt sein [5, 9].

Sepsis ist in Deutschland die dritthäufigste Todesursache

Das Krankheitssyndrom Sepsis zählt in Deutschland zur dritthäufigsten Todesursache [3]. Während die Sterblichkeit und Morbidität von anderen Erkrankungen mit zeitkritischem Handlungsbedarf (z. B. akuter Myokardinfarkt, akuter Schlaganfall, schweres Trauma etc.) in den letzten Jahren durch die Implementierung von koordinierten Vorgehensweisen signifikant gesenkt werden konnten, bleibt die Sterblichkeit von Sepsis und septischem Schock unverändert hoch. Eigene explorative Interviews mit Angehörigen von Patienten, Politikern, Studenten, Ärzten und Pflegenden haben gezeigt, dass die Krankenhaussterblichkeit von schweren Infektionen noch immer erheblich unterschätzt wird, während man sie z. B. beim akuten Myokardinfarkt überschätzt. Daher ist sowohl unter der Bevölkerung als auch bei den professionellen Helfern das Bewusstsein über die Therapieerfolge von Sepsis bei rascher Einleitung der richtigen diagnostischen und therapeutischen Schritte weiter zu stärken. Die Surviving Sepsis Campaign (in Deutschland durch das SepNet vertreten) hat es sich zum Ziel gemacht, diese Fehleinschätzung nachhaltig zu verändern und erzielt beachtenswerte Erfolge. Sepsis ist eine Hochrisikosituation, die rasch erkannt werden muss und zielgerichtete Behandlungsalgorithmen erfordert.

Obwohl eine der wichtigsten klinischen Arbeiten zum Erkennen und Behandeln von Sepsis in einem Notfallzentrum durchgeführt wurde [7], beschäftigten sich über Jahre vor allem Intensivmediziner mit therapeutischen Optionen bei Sepsis. Vermutlich muss hier ein Umdenken stattfinden: Die ersten Minuten entscheiden! Ähnlich wie bei anderen Erkrankungen mit zeitkritischem Handlungsbedarf ist auch bei der Sepsis wichtig, bereits beim Erstkontakt („first medical contact“) mit einem professionellen Helfer rasch und zielgerichtet die entscheidenden diagnostischen und therapeutischen Schritte einzuleiten. Wenn die Therapie erst beim Eintreffen des betroffenen Patienten auf einer Intensivstation begonnen wird, ist es häufig zu spät. Aus diesem Grund haben wir uns bei der Zusammenstellung dieses Themenhefts zum Krankheitssyndrom Sepsis zum Ziel gesetzt, alle Bereiche der Rettungskette zu adressieren.

Im ersten Beitrag von Brunkhorst über die aktuelle Definition von Sepsis werden die kontroversen Diskussionen zu Sepsis 3.0 aufgenommen [1, 4] und die Sinnhaftigkeit der Evolution der Sepsis-Definition erklärt. Gleichzeitig wird der historische Kontext dargestellt und die Notwendigkeit, Sepsis 3.0. in der klinischen Praxis einzusetzen, betont. Auch auf die Kritikpunkte dieser neuen Definition geht der Autor ein, diskutiert das für und wider und erleichtert damit den Zugang zur korrekten Diagnosestellung. Dieser Beitrag wird vielen in der Rettungs- und Notfallmedizin Tätigen helfen, die Herausforderungen von Sepsis besser zu verstehen und in klinischen Handeln umsetzen zu können.

Cajöri et al. widmen sich der Früherkennung von Sepsis und entwickeln für den rettungsdienstlichen Erstversorger mögliche Handlungsansätze. Der Schwerpunkt des Beitrags liegt in der Umsetzung der Empfehlungen der Surviving Sepsis Campaign in die klinische Praxis des Rettungsdienstes unter Nutzung bekannter Handlungsalgorithmen. Und selbstverständlich wird auch kurz zur Sprache gebracht, wie man sich eine weitere Verbesserung von Diagnostik und Therapie von akut lebensbedrohlichen Zuständen in der Zukunft vorstellen könnte. Wir glauben, dass durch die Autoren wesentliche Punkte diskutiert werden, die für die Praxis sehr hilfreich und unterstützend sind.

Fuchs et al. gehen in der Rettungskette einen Schritt weiter und stellen wichtige Themengebiete zusammen, die für den Notfallmediziner in einem Notfallzentrum wichtig sind. Die Autoren wiederholen einige für das Verständnis der Sepsis wichtige Punkte und gehen dann sehr detailliert auf zentrale Aspekte von Diagnostik und Therapie ein. Schmoch et al. setzen dies in ihrem Beitrag mit starkem Fokus auf die hämodynamische Stabilisierung von Patienten mit Sepsis fort. Reflektierend und kritisch wird das Thema Volumenmanagement und Wahl der richtigen Volumensubstitution ausführlich diskutiert. Selbstverständlich ist auch der Umgang mit Erythrozytensubstitution und Katecholamingabe dargestellt, und auch wichtige Aspekte des nichtinvasiven und invasiven Monitorings werden erwähnt. Uns selbst hat angesprochen, dass neben der kritischen Auseinandersetzung mit der aktuellen Literatur auch klinisch praktische Hilfestellungen (z. B. Abb. 2 dieses Beitrags) nachvollziehbar dargestellt werden.

Sind Kinder nur „kleine Erwachsene“ oder müssen bei Kindern mit Sepsis andere Aspekte berücksichtigt werden? Büttcher et al. vom Kinderspital Luzern führen uns anhand von Fallvignetten in die Welt der Pädiatrie. Dieser didaktische Ansatz wird vielen von uns „Erwachsenenmedizinern“ helfen, in die uns unbekannte Welt eintauchen zu können: Zwar sind ähnliche Grundprinzipien wie beim Erwachsenen auch bei Kindern zutreffend (schnelles Erkennen, rasches Handeln), trotzdem ist die klinische Einschätzung von Kindern und die Auslöser von Sepsis doch anders als wir es in der Erwachsenenmedizin kennen. Aber auch unterschiedliche Alterskategorien von Kindern und das Vorliegen oder Fehlen von chronischen Vorerkrankungen sind mit anderen Auslösern und anderen Besonderheiten der Versorgung assoziiert (Tab. 2 des Beitrags). Einige Botschaften dieses Artikels hat uns sehr zum Nachdenken gebracht: Neugeborene weisen bei Meningitis keinen Meningismus auf (Fallvignette 1), und eine arterielle Hypotonie ist bei Kindern ein Spätzeichen der Kreislaufinsuffizienz. Dies kann zu einem verspäteten Erkennen eines schwer erkrankten Kindes mit Sepsis führen. Der Beitrag wird vielen, die nur selten mit der Notfallversorgung von Kindern zu tun haben, das notwendige Rüstzeug geben, noch professioneller in der Versorgung von Kindern agieren zu können.

Der erfahrene Geriater Heppner nähert sich der Sepsis von der anderen Seite des Lebens: Er beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der Verschiebung der Altersstruktur der von uns betreuten Patienten und mit den Spezifika, mit denen wir bei der Sepsis-Versorgung des älteren Patienten konfrontiert sind. Erstaunlich sind die Parallelen zum vorangegangenen Artikel von Büttcher et al.: Auch beim älteren Patienten sind die Symptome von Sepsis oligosymptomatisch. Heppner fokussiert sich auf die atypische Symptomatik von Sepsis beim Älteren. Er thematisiert Aspekte wie Temperaturregulation beim älteren Patienten als diagnostisches Mittel und schärft unsere Aufmerksamkeit auf das Delir. Der Autor beendet seinen Beitrag mit dem Apell, die Ausbildungssituation zum Erkennen und Behandeln von Sepsis weiter zu schärfen und schließt damit den Kreis zum ersten Beitrag dieses Themenschwerpunkts von Brunkhorst, der ebenfalls einen großen Wert auf die zeitnahe Diagnostik und das rasche Handeln gelegt hat.

„Those who cannot remember the past are condemned to repeat it“, so beginnt ein aktuelles Editorial zu einem Update der Surviving Sepsis Campaign aus 2018 [8]. Diese Autoren setzen sich sehr differenziert (und kritisch) mit dem aktuellen Update der Sepsis-Leitlinien auseinander [6]: Spiegel et al. betonen nochmals die Wichtigkeit der raschen Diagnostik und des raschen Therapiebeginns. Sie kritisieren aber die formale Empfehlung des Updates, die notwendige Diagnostik und Therapie innerhalb einer Stunde durchzuführen. Ähnlich früheren Empfehlungen bei der ambulant erworbenen Pneumonie, könnte dies im Nachgang zu unerwünschten Effekten führen, da auch Patienten, bei denen keine Sepsis vorliegt, durch die aggressive Therapie geschädigt werden können. Um dies zu vermeiden, ist ein überlegtes und differenziertes Vorgehen notwendig.

Wir glauben, dass es den Autoren dieses Themenhefts durch die Vertiefung des Themas und die differenzierte Betrachtung des Krankheitssyndroms Sepsis außerordentlich gut gelungen ist, zukünftig differenziert handeln zu können. Nicht zuletzt die lehrreichen Fallvignetten dürften unsere Leser unterstützen, die theoretischen Vorgaben von Leitlinien in die klinische Praxis mit der von Spiegel et al. [8] geforderten Raison in die klinische Praxis umsetzen zu können.

Wir wünschen interessante Lese- und Diskussionsstunden im Kollegenkreis!

Ihr

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Michael Christ

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Frank M. Brunkhorst