Notaufnahmen sind regelmäßig Orte, in denen sowohl Patienten als auch Mitarbeiter besonderen Situationen ausgesetzt sind. Für Patienten und Angehörige kann dies die Erfahrung von Angst, Schmerzen oder Leid sein, oft auch verbunden mit medizinisch oder sozial begründeten Schwierigkeiten einer adäquaten Kommunikation. Diese Situationen können Unzufriedenheit und Aggression auf Patientenseite hervorrufen. Ärztliche und pflegerische Mitarbeiter in Notaufnahmen sind hohen Anforderungen an die Ablauforganisation ausgesetzt, die durch wechselnde Arbeitslast, eine parallele Bewältigung mehrerer Aufgaben sowie ein breites Spektrum der medizinischen Versorgung von lebensbedrohlichen Situationen bis zu nicht dringlich erscheinenden Gründen einer Vorstellung geprägt sind. Hieraus ergeben sich regelmäßig Spannungsfelder zwischen Patienten bzw. Angehörigen und Mitarbeitern von Notaufnahmen, die auch zu verbaler und physischer Gewalt eskalieren können.

Gewalt gegenüber Mitarbeitern ist in Notaufnahmen besonders häufig

Gewalt gegenüber Mitarbeitern ist in Notaufnahmen daher besonders häufig und wird anhand internationaler Daten auf mindestens einen Vorfall pro Woche und Notaufnahme geschätzt [4]. In den Notaufnahmen der Charité waren innerhalb von 6 Monaten fast alle Mitarbeiter mindestens einmal verbaler Gewalt und ein Drittel der Mitarbeiter körperlicher Gewalt ausgesetzt, wobei Mitarbeiter der Pflege deutlich häufiger betroffen sind als Ärzte [3]. Die meisten Mitarbeiter in den Notaufnahmen, aber auch im Notarztdienst fühlen sich nicht ausreichend auf solche Situationen vorbereitet [3, 5].

Strategien zur Vermeidung solcher Gewaltsituationen beinhalten bauliche und strukturelle Maßnahmen sowie Deeskalationstrainings. Die Evidenz dieser Maßnahmen zur Verhinderung und Bewältigung von Übergriffen ist jedoch nicht eindeutig. In einer Mitgliederbefragung der Deutschen Gesellschaft Interdisziplinäre Notfall- und Akutmedizin (DGINA) waren bauliche und strukturelle Maßnahmen wie ein „panic room“ oder Systeme zur Alarmierung eines Sicherheitsdiensts bzw. der Polizei in nur wenigen Kliniken vorhanden, Deeskalationstrainings wurden in einem Drittel der teilnehmenden Kliniken angeboten [1].

Die Charité hat ein umfassendes Konzept zur Reduzierung von Gewalt gegenüber Mitarbeitern initiiert, das organisatorische und technische Maßnahmen im Bereich der Sicherheitsinfrastruktur sowie eine Ausbildung von Mitarbeitern zu Deeskalationstrainern umfasst. Die Trainer schulen dann als Multiplikatoren alle Mitarbeiter der Akutbereiche in Techniken der Deeskalation. In der aktuellen Ausgabe von Notfall + Rettungsmedizin stellen Frick et al. die Ergebnisse einer Mitarbeiterbefragung nach Durchführung von Deeskalationstrainings dar [2]. In der Selbsteinschätzung der Mitarbeiter zeigt sich eine deutliche Steigerung der Deeskalationsfähigkeiten gegenüber einer Befragung vor dem Training. Erlernte Techniken, insbesondere zur Erkennung von Frühsignalen, zum Umgang mit herausforderndem Verhalten und zur verbalen Deeskalation, wurden im Arbeitsalltag auch angewendet.

Verbale und physische Gewalt gegenüber Mitarbeitern ist vermutlich in allen Notaufnahmen Deutschlands ein relevantes Problem. Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass der Umgang mit Gewalt durch die Etablierung umfassender Deeskalationskonzepte deutlich verbessert werden kann. Es ist daher an der Zeit, solche Konzepte in allen Notaufnahmen zum Schutz der Mitarbeiter zu etablieren.

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C. Wrede