Zusammenfassung
Hintergrund
Mit der Einführung des Notfallsanitätergesetzes (NotSanG) wurde erstmals die Möglichkeit geschaffen, heilkundliche Maßnahmen am Patienten durch Notfallsanitäter (NotSan) ohne Anwesenheit eines Arztes regelhaft durchzuführen. Die Festlegung und Überprüfung der Maßnahmen erfolgt über den ärztlichen Leiter Rettungsdienst (ÄLRD). Ziel der Arbeit ist es, Freigabebedingungen und Anwendungshäufigkeiten zu beschreiben. Die Ergebnisse sollen Grundlage zur Diskussion für Anpassungsprozesse darstellen. Aus der Arbeitssituation entstehende Konflikte mit Schnittstellenpartnern, sollen berücksichtig werden.
Methode
NotSan und Rettungsassistenten (RettAss) des Deutschen Roten Kreuzes in Niedersachsen erhielten einen Online-basierten Fragebogen. Das Ziel war in der Erfassung der Anwendungshäufigkeit erweiterter Maßnahmen, organisatorischer Rahmenbedingung und mögliche Konflikte an Schnittstellen. Die Teilnehmer konnten auf einer 10-Punkte-Skala die subjektive Versorgungsqualität und die eigene Rechtssicherheit bewerten.
Ergebnisse
NotSan wenden Maßnahmen häufiger als RettAss an, die in den NUN-Algorithmen (NUN Niedersächsische Umsetzung Notfallsanitäter) aufgeführt sind. Ein Drittel der Mitarbeiter hat regelmäßig Konflikte mit Klinikpersonal, NotSan haben häufiger Konflikte mit Notärzten. Stehen Handlungsanweisungen zur Verfügung, wird die Versorgungsqualität als besser und die subjektive Rechtssicherheit höher bewertet.
Schlussfolgerungen
Das Training ist der Anwendungshäufigkeit von Maßnahmen anzupassen. Strukturell gibt es große Unterschiede bei den Freigabebedingungen. Die Sinnhaftigkeit ist kritisch zu hinterfragen. Es besteht ein Konfliktpotenzial zwischen den Guideline-orientierten Notfallsanitätern und Notärzten. Trainingskonzepte sollten eine gemeinsame Behandlungsidee fördern. SOPs (Standard Operating Procedures) sind zur Verbesserung von Rechtssicherheit und Versorgungsqualität unbedingt einzuführen.
Abstract
Background
In Germany the new profession “Notfallsanitaeter” (NotSan) was recently implemented. Thus, it is now possible to conduct advanced procedures without the mandatory presence of a physician at the scene. Each emergency medical system (EMS) medical director is responsible to select approved procedures and to survey their performance quality. This study describes approval modalities and the frequency of use of these procedures. Our findings should be the basis to optimize processes and quality. Furthermore, interprofessional conflicts (e.g., with emergency room [ER] personnel) should be taken to account.
Materials and methods
We distributed an online questionnaire to personnel of the German Red Cross in Lower Saxony to specify the frequency of use of advanced procedures, the organizational conditions, and possible interprofessional conflicts. All participants were asked to evaluate the subjective quality of care and the subjective legal security on a 10-point scale.
Results
NotSan operate advanced procedures which are mentioned in the “NUN algorithms” (NUN Niedersächsische Umsetzung Notfallsanitäter) more often. One third of the surveyed personnel has conflicts with hospital staff on a regular basis. NotSan have more conflicts with prehospital emergency physicians. Participants with standard operation procedures (SOP) in their system rate the process quality and the subjective legal security higher.
Conclusions
Training has to be adapted to the frequency of use of advanced emergency procedures. There is a discrepancy between different EMS according their approval of procedures. There also is a potential for conflicts between guideline-oriented NotSan and physicians. Training concepts must facilitate interprofessionally shared concepts of care. Implementation of SOP is mandatory to optimize quality of care and legal certainty.
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Flentje, M., Block, M., Sieg, L. et al. Erweiterte Maßnahmen und interprofessionelle Konflikte nach Einführung des Berufsbildes Notfallsanitäter. Notfall Rettungsmed 21, 374–382 (2018). https://doi.org/10.1007/s10049-018-0419-6
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