Geschätzte Leserinnen und Leser,

am 07.07.2018 wurde die S3-Leitlinie zum Screening, Diagnostik Therapie und Nachsorge des Bauchaortenaneurysmas online auf der AWMF-Homepage (Arbeitsgemeinschaft Medizinisch Wissenschaftlicher Fachgesellschaften) veröffentlicht [1]. 10 Jahre nach Fertigstellung der S2-Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gefäßchirurgie und Gefäßmedizin (DGG) zum abdominellen Aortenaneurysma und nach Erscheinen der ersten S3-Leitlinie der DGG überhaupt (extrakranielle Karotisstenose unter der Leitung von Prof. Eckstein, [2]) ist dies nun die zweite S3-Leitlinie der DGG, die damit die Überarbeitung der vor 10 Jahren veröffentlichten S2-Vorversion darstellt. Dieses 262 Seiten umfassende Werk, das 73 Empfehlungen und 20 Feststellungen beinhaltet, ist nun für 5 Jahre, also bis zum 06.07.2023, gültig.

Die Erstellung einer S3-Leitlinie ist für alle Beteiligten aufwändig. Sie erfordert die Bereitstellung finanzieller und personeller Ressourcen seitens der beteiligten Fachgesellschaften. Ein straffes und stringentes Management in der Erstellung und der finalen Abfassung des Leitlinientextes ist dann entscheidend, um die Aktualität der Leitlinie zu gewährleisten: Die Uhr tickt von dem Zeitpunkt an, zu dem die Literaturrecherche terminiert ist. An dieser Stelle möchte ich daher die Gelegenheit nicht ungenutzt lassen, und allen beteiligten Fachgesellschaften, zuvorderst der DGG für die Priorisierung dieses für alle Beteiligten, insbesondere für unsere Patienten, so wichtigen wissenschaftlichen Projekts zu danken. Der nicht unerhebliche Ressourcenaufwand erfordert seitens aller Beteiligten die Priorisierung von Aufgaben. Es steht einer wissenschaftlichen Fachgesellschaft sehr gut zu Gesicht, ein derartiges Projekt an so prominenter Stelle zu positionieren – nicht ohne Grund ist diese Leitlinie die zweite S3-Leitlinie, die unter Federführung der DGG entsteht.

Die Erstellung einer S3-Leitlinie ist im Regelwerk der AWMF das aufwändigste Format einer Leitlinie überhaupt und deutlich über internationalen Standards anzusiedeln. Allein die Vorgabe der AWMF, in diesem Format alle potenziell beteiligten Fachgesellschaften inklusive Patientenvertreter zu beteiligen, ist im internationalen Vergleich in dieser Stringenz nicht vorhanden. Dies ist ein echtes Qualitätsmerkmal!

Nun ist es soweit, eine fast 4‑jährige intensive Tätigkeit der Steuergruppe hat das Resultat ihrer Arbeit vorgelegt. Allen Mitgliedern des Steeringkommittees, zuvorderst Herrn Prof. Grundmann, der mit seinem unermüdlichen Fleiß und bedingungslosen Einsatz beispiellos ist, möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Die interdisziplinären Diskussionen auf dem Weg zur Erstellung dieses Dokuments waren ausgesprochen konsensual, zielorientiert und fanden immer in einem sachlichen und freundschaftlichen Ton statt. Ich bin sehr froh, dass berufspolitisch motivierte Diskussionen zugunsten der Sachorientiertheit immer in den Hintergrund getreten sind. So ist uns die Erstellung eines neutralen, auf dem Boden wissenschaftlicher Evidenz gehaltenen Dokuments gelungen. Dies ist wichtig, denn in den seltensten Fällen ist das Resultat einer Behandlung nur von einer Fachdisziplin abhängig – auch bei der Behandlung des AAA.

Die Lektüre der aktuellen S3-Leitlinie lohnt sich!

Dieses Jahr begann mit der Publikation der Leitlinie zum abdominellen Aortenaneurysma der SVS [3]. Sie stellt ein umfangreiches und inhaltlich gründlich recherchiertes Werk dar, das in vielen Situationen eine gute Entscheidungshilfe geben kann. Aktuell wird in England an der Publikation eigener Leitlinien gearbeitet: das UK National Institute for Health and Care Excellence (NICE) ist für seine hervorragende wissenschaftliche evidenzbasierte Arbeit bekannt und deshalb weltweit renommiert. Vielerorts orientiert man sich deshalb an deren Empfehlungen. Aber diese verfolgen primär ökonomische Fragestellungen, die nicht immer dem Primat des „primum nil nocere“ folgen. Es ist daher anzunehmen, dass die hier im November dieses Jahres zu erwartenden Empfehlungen nicht immer denen der aktuellen Leitlinien entsprechen werden [4]. Bereits jetzt ist klar, dass eine Reihe der dort verschriftlichen Empfehlungen in direktem Gegensatz zu den aktuell abgedruckten Empfehlungen „unserer“ Leitlinie und auch der SVS Guidelines stehen.

Zehn Monate nach Erscheinen der amerikanischen Leitlinien liegen nun unsere deutschen Leitlinien vor, und sehr bald ist mit der Veröffentlichung der entsprechenden Leitlinien der ESVS zu rechnen. Aus beiden Leitlinien ist zu ersehen, wie viel neue Evidenz sich bereits in dieser kurzen Zeit ergeben hat. Nur beispielhaft möchte ich die Empfehlungen zum Bauchdeckenverschluss nach offener Operation über eine mediane Laparotomie oder die Ausführungen zur Therapie des Aorteninfekts hervorheben.

Die Lektüre der aktuellen S3-Leitlinie lohnt sich! Sie finden in diesem Heft die Kurzfassung des Leitlinientextes abgedruckt [5] – in Kürze wird diese Fassung auch englischsprachig online für die internationale Leserschaft verfügbar sein. Zur weiterführenden Lektüre lege ich Ihnen jedoch die ausführliche Fassung sehr ans Herz, die Sie über die AWMF Internetseite abrufen können.

Ich wünsche mir sehr, dass Ihnen allen die Empfehlungen in diesem Dokument in Ihrer täglichen Praxis helfen, um Ihren Patienten eine bestmögliche Therapie nach den aktuellen Erkenntnissen auf evidenzbasierter Grundlage anbieten zu können. In diesem Sinne verbleibe ich

Mit herzlichen Grüßen, Ihr

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Prof. Dr. E. Sebastian Debus