Die Digitalisierung hat schon heute die Onkologie verändert und wird sie künftig noch umfassender prägen.

Eng mit der Digitalisierung ist die Verwendung von Big Data verbunden. Doch was versteht man unter Big Data? Verheißung oder Risiko? Im ersten Beitrag des Leitthemas stellt Binder vom Institut für Medizinische Biometrie und Statistik der Universität Freiburg die zentralen Begriffe und die möglichen Anwendungen kritisch dar.

Wie wird die konsequente Anwendung der Technologie unsere Zukunft verändern? Am Beispiel der akademischen Lehre geht Kuhn auf Chancen und Herausforderungen von Big Data und Deep Learning für künftige Ärztegenerationen ein. Welche Kompetenzen benötigen Ärzte in der nahen Zukunft? Man spricht auch von Data Literacy als Voraussetzung, um die Anforderungen der Medizin künftig erfüllen zu können. Ist die Verwendung von Big Data eine assoziative Forschung, welche die kausale Forschung ersetzen kann? Können wir klinische Studien durch retrospektive Datenanalysen ersetzen?

Big Data sind kein Ersatz für klinische Studien

Am Beispiel der chirurgischen Onkologie zeigen Maissenhälter und Schlag die Grenzen der Datenanalyse auf: Big Data als Werkzeug der Hypothesenbildung, aber nicht als Ersatz von klinischen Studien.

Die Radiotherapie ist ein High-Tech-Fach, welches schon lange computergesteuerte Systeme nutzt, um die Therapie präziser und sicherer durchzuführen. Es ist naheliegend, die bereits existierenden elektronischen Daten zu nutzen, um selbstlernende Systeme zu etablieren. Bilderkennung und automatische Segmentierung von CT-Bildern für die Therapieplanung sind technische Möglichkeiten, welche teilweise schon im Einsatz sind. Heinemann stellt die EDV-Struktur einer modernen Universitätsklinik für Radioonkologie vor und zeigt Entwicklungen auf, die durch moderne Datenanalyse möglich sind. Die komplexe Umgebung des Operationssaals kann durch Digitalisierung sicherer und effizienter gestaltet werden.

Ostler et al. der Forschungsgruppe MITI der TU München zeigen, wie stark die onkologische Chirurgie durch die zunehmende Digitalisierung verändert wird: Indikationsstellung mit Hilfe von Biomarkern, kodiertes Operationsbesteck, modellbasiertes und roboterassistiertes Operieren. Wie kann die Vielzahl der entstehenden Daten intraoperativ genutzt werden? Kommen nach dem autonomen Fahren die autonome Strahlentherapie und die autonome Chirurgie, die autonome individualisierte Chemo- oder Immuntherapie?

Zweifellos stellt die Digitalisierung für die Onkologie einen disruptiven Schritt dar, der es uns ermöglichen könnte, endlich evidenzbasiert und hochindividuell zu therapieren. Der Weg dorthin wird aber wahrscheinlich langwieriger und aufwändiger als wir es uns heute vorstellen. Die jüngsten Erfahrungen mit „Dr. Watson Oncology“ sind ein Indikator. Gerade deshalb müssen wir uns aktiv einbringen und die Entwicklung mitgestalten.

Was wir in diesem Heft nicht leisten konnten, war eine kritische Technologiefolgenabschätzung. Die Gefahren der Verwendung großer Datensätze für den Datenschutz, aber auch für die Generierung falscher Annahmen können benannt, aber noch nicht abgeschätzt werden. Möglicherweise ist das Feld noch zu neu und wir als die Protagonisten zu optimistisch, um solche Gefahren zu erkennen oder sie fundiert zu beschreiben. Sicher muss neben dem Optimismus auch die kritische Diskussion der Verwendung und Auswertung von Big Data weitergeführt werden. Insofern ist dies nur ein Anfang.

Wir hoffen dennoch, Ihnen mit diesem Leitthema einen Einstieg in diese komplexe Materie zu geben und Sie vielleicht sogar dazu zu motivieren, sich persönlich bei der weiteren Gestaltung des Digitalisierungsprozesses aktiv zu engagieren. Wenn wir uns nicht selbst um dieses Thema kümmern, werden es andere tun. Seien Sie deshalb dabei!

Für die Schriftleiter und Herausgeber

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Heinz Schmidberger