Man könnte schon ein bisschen paranoid werden: Was in der elektronischen Kommunikation im weltweiten Internetgeflecht so alles im Hintergrund an Informationssammlung, Selektion und automatischen Algorithmen abläuft, ist in jeder Hinsicht grenzenlos. Die Nutzer sind bis zu einem gewissen Maß zwar in der Lage, sich davor zu schützen, aber hochintelligenten Invasionen in private Sphären des Netzes ist man meist unbemerkt aufgeliefert. Hin und wieder erfährt man ein Bruchstück davon, was so alles möglich ist und auch bereits praktiziert wird, aber die Fülle der Aktivitäten bleibt den meisten von uns verborgen.

Manipulation pur

Das Bild ändert sich auch recht beständig. Ist eine Lücke geschlossen, finden kluge Geister schnell ein neues Schlupfloch. Einer dieser doch beunruhigenden, andererseits aber durchaus spannenden Vorgänge ist die digitale Hintergrundanalyse des Nutzerverhaltens. Was wir, wann, wielange im Netz betrachten, wie wir unsere Pfade in der virtuellen Welt gehen, wird zu einem recht komplexen und individuellen Bild zusammengesetzt, aufgrund dessen nun wiederum unser Weg beeinflusst wird. Das einfachste Beispiel dafür liefern Buch/Musik/Filmsuchen bei Amazon. Aufgrund dieser Suchen schlägt der Algorithmus bei der nächsten Suche bereits aktiv Bücher, Musik, Filme vor, die thematisch zu dem bisher Gesuchten passen. So erfährt der Nutzer wahrscheinlich auch von Produkten, auf die er sonst nie gestoßen wäre. Und lässt sich vielleicht tatsächlich dazu hinreißen, aus den Vorschlägen etwas zu bestellen. Manipulation pur. Man könnte freilich den Such-Verlauf in seinem Browser regelmäßig löschen, dann bliebe einem zumindest diese offenkundige Beeinflussung erspart. Man wird diese gezielt ausgewählten und vorgeschlagenen Themen dann allerdings auch wahrscheinlich nicht in den Blickwinkel seiner Aufmerksamkeit bekommen.

„Smart“ ist nicht unbedingt intelligent

Die Entwicklungen, die meist mit dem euphemistischen Begriff „smart“ versehen werden, bergen allerlei Absurditäten, wobei smart häufig mit „intelligent“ übersetzt wird, was ein wenig irreführend ist. Letztlich handelt es sich um Systeme, die jede Menge Daten erfassen und je nach Zielrichtung daraus auch ihre eigenen Schlüsse ziehen. Ob das die Stromverbrauchsmessgeräte sind – smart meter – die uns auch im privaten Haushalt kontinuierlich vor Augen führen wollen, wann wir wieviel Strom verbrauchen, dies speichern und damit auch alle möglichen weiteren Überlegungen und Angebote ableiten können. Oder auch die smart homes mit dem Glanzstück des selbst bestellenden Kühlschranks: Der registriert, wenn die üblichen Lebensmittel zur Neige gehen und bestellt gleich selbst nach. Geliefert wird dann, wenn der Bewohner abends müde und hungrig nach Hause kommt – und sich darüber freut, wenn er nicht mehr nachdenken muss, was er kochen soll, sondern vielleicht schon alles vorbereitet hat. Oder so ähnlich.

Convenient heißt das im Fachchargon und convenience food gibt es ja auch schon seit längerem – zu Beginn hieß das übrigens TV-Dinner, weil man es, ohne den Fernsehkonsum unterbrechen zu müssen, aufwärmen und nebenher verzehren konnte. Die häufig nicht sehr gesundheitsförderlichen Folgen sind bekannt: Übergewicht, Wohlstandserkrankungen …. Fertiggerichte können heute freilich auch durchaus gesund sein. Können.

Misstrauen ist gefragt

Die Sammlung und Auswertung von Daten kann den Alltag des Nutzers erleichtern, sie wird auch zur Absicherung eingesetzt – für den Einzelnen, etwa um per Fernsteuerung die Wohnung zu kontrollieren, aber auch für Unternehmen, Behörden, den Staat. Die Möglichkeit zum Missbrauch ist immer gegeben und man sollte bei aller Faszination für die Möglichkeiten der Datenverknüpfung und den auf den ersten Blick als Erleichterungen erscheinenden Folgen ein gewisses Maß an Misstrauen pflegen. Auch wenn es etwas plakativ klingt: Freiheit stirbt mit Sicherheit.

Meint Ihre

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V. Kienast