1 Einleitung

RHI Magnesita (RHIM), weltweit größter Hersteller von Feuerfestprodukten, geht neue Wege. Angesichts des herausfordernden Umfeldes in einem globalen MgO-Rohstoffmarkt werden neue Möglichkeiten gesucht, um die Marktführerschaft des Unternehmens auch in Zukunft zu sichern. Die Diversifikation im Bereich des Rohstoffverkaufes gewinnt dadurch stark an Bedeutung. Hier konzentriert sich RHIM auf Kundensegmente, die nicht dem Feuerfestbereich zuzuordnen sind, dazu gehören zum Beispiel die Futtermittel- oder Schweiß-Industrie. Das Produktportfolio des Rohstoffverkaufes wird dafür kontinuierlich über das Kerngeschäft hinaus mit MgO-basierenden Produkten für unterschiedlichste Kundenapplikationen erweitert. Die neueste Entwicklung ist der Einsatz von synthetischer Magnesia im Bereich Pulp & Paper im Prozessschritt der Zellstoffproduktion.

Um den Eintritt in ein neues Marktsegment positiv zu bewältigen, müssen zwei Grundvoraussetzungen gegeben sein, nämlich die ökonomischen Voraussetzungen und die Rohstoffverfügbarkeit. Die ökonomischen Voraussetzungen sind dadurch gegeben, dass die Welternährungsorganisation (FAO) 2010 die Prognose abgab, der weltweite Papierbedarf werde bis 2050 jährlich um ca. 3 % steigen [1]. Der wachsende Bedarf an Papier und Karton wird durch die in Abb. 1 ausgewiesene Marktstatistik der Confederation of European Paper Industry (CEPI) bestätigt [2]. Dieser Aufwärtstrend wird zusätzlich noch durch die aktuelle Diskussion über das sogenannte „Mikroplastik“ und den zunehmenden Onlinehandel, welcher einen starken Anstieg im Verbrauch an Verpackungsmaterial zur Folge hat, verstärkt.

Abb. 1
figure 1

Langfristige Entwicklung des Papier- und Kartonbedarfes nach Regionen bis 2050 [2]

Der für die Anwendung in Pulp & Paper geeignete Rohstoff wird von RHI Magnesita in Norwegen am Standort Porsgrunn produziert. Das auf synthetischem MgO basierende Rohgut wird über die Meerwasserprozessroute hergestellt. Dabei wird gebrannter Dolomit aufgeschlämmt und mit Meerwasser vermischt. Das somit gewonnene Mg(OH)2 wird anschließend gewaschen, entwässert und durch Brennen in einem Drehrohrofen bei ca. 800 °C zu kaustischer Magnesia umgewandelt. Ein Großteil davon wird in Elektrolichtbogenöfen weiter zu Schmelzmagnesia verarbeitet. Der restliche Produktstrom wird aufbereitet, um die physikalischen Eigenschaften für unterschiedlichste Anwendungen optimal einzustellen. Durch die Verwendung von Meerwasser und qualitativ hochreinem Dolomit wird synthetischer Kauster höchster Qualität erhalten. Die chemische Zusammensetzung unterliegt keinen Schwankungen, da immer dieselben hochwertigen Ausgangsmaterialien verwendet werden. Die chemische Zusammensetzung des synthetischen Kausters „RHIM CCM Ofenfallend“ ist in Tab. 1 zusammengefasst.

TABELLE 1 Chemische Zusammensetzung des synthetischen Kausters, hergestellt von RHI Magnesita, Werk Porsgrunn (Norwegen)

2 Verwendung von Magnesia in der Zellstoffproduktion

In der Zellstoffproduktion wird MgO bevorzugt im sauren Bisulfitverfahren, dass zu den chemischen Aufschlussverfahren von Holz gehört, eingesetzt. Dabei wird der Zellstoff durch Kochen von Holzchips mit Magnesiumbisulfitlösung im sauren Milieu, der sogenannten Kochsäure, unter erhöhter Temperatur und/oder erhöhtem Druck gewonnen. Nach dem Kochprozess wird die Ablauge, die nach Extraktion der Zellulose zurückbleibt, verbrannt. Das Bisulfitverfahren wird bevorzugt eingesetzt, weil das MgO und das SO2, welches bei der Verbrennung der Ablauge (Bezeichnung für die mit organischen Substanzen aus dem Holz angereicherte Kochsäure) entsteht, rückgewonnen werden können. Bei Verwendung von Calcium-basierenden Basenbestandteilen ist keine Rückgewinnung möglich, da bei der Verbrennung der Calciumbisulfit-Ablauge schwerlöslicher Gips (CaSO4·2H2O) entsteht [2].

2.1 Rückgewinnung von MgO und SO2 – Herstellung der Kochsäure

Die aus der Verbrennung der Ablauge rückgewonnenen SO2- und MgO-Anteile werden zur Herstellung der Kochsäure verwendet. Das MgO wird durch Elektrofilter aus dem Rauchgas abgeschieden und dient wieder zur Rauchgasentschwefelung des bei der Verbrennung der Ablauge produzierten Rauchgases. Hierzu wird das MgO zu Magnesiumhydroxid hydratisiert und anschließend mit dem Rauchgas in Kontakt gebracht. Die Absorption des SO2 wird durch das in Lösung vorliegende Mg(OH)2 in mehrstufigen Venturikaskaden bewerkstelligt (siehe Gl. 14). Durch die Absorption von SO2 an Mg(OH)2 entsteht dann das Magnesiumbisulfit (Kochsäure) [3, 4].

$$\mathrm{MgO}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}\leftrightarrow \mathrm{Mg}(\mathrm{OH})_{2}$$
(1)
$$\mathrm{Mg}(\mathrm{OH})_{2}+\mathrm{SO}_{2}\leftrightarrow \mathrm{MgS}\mathrm{O}_{3}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}$$
(2)
$$\mathrm{MgS}\mathrm{O}_{3}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}+\mathrm{S}\mathrm{O}_{2}\leftrightarrow \mathrm{Mg}(\mathrm{HS}\mathrm{O}_{3})_{2}$$
(3)
$$\text{Gesamt}\colon \mathrm{MgS}\mathrm{O}_{3}+2\mathrm{S}\mathrm{O}_{2}\leftrightarrow \mathrm{Mg}(\mathrm{HS}\mathrm{O}_{3})_{2}$$
(4)

Nachdem das MgO mit einer Quote von ca. 90 % rezykliert wird und die Verluste durch Zugabe von frischem MgO (sogenanntes Make-Up MgO) ausgeglichen werden, muss das MgO möglichst hochwertig sein und geringe Störstoffgehalte aufweisen. In der Zellstoffindustrie gehören zu den Störstoffen Kalk (CaO), Siliciumdioxid (SiO2), Eisen(III)-oxid (Fe2O3) und Manganoxid (MnO). CaO kann mit dem im System vorhandenen SO2 zu erheblichen Gipsablagerungen führen. SiO2 wird als Begleitstoff des MgO betrachtet und hat zwar keinen negativen Einfluss auf den chemischen Prozess, erhöht aber den Verschleiß an den Anlagenkomponenten, insbesondere bei den Pumpen und Rohrleitungen. Fe2O3, Al2O3 und MnO wirken sich nach der Kochung in der Zellstoffbleiche negativ auf den Chemikalienverbrauch im Bleichprozess aus [3].

2.2 Hydratisierung von MgO zu Mg(OH)2

Ein besonderes Augenmerk gilt dem ersten Schritt, der Umsetzung von MgO zu Mg(OH)2 durch Hydratisierung. Die Reaktion läuft nach der theoretischen Gl. 5 ab und ist mit +38 kJ/mol leicht exotherm. Für MgO mit einer spezifischen Oberfläche von 20–40 m2/g, das dadurch ausreichend Reaktivität aufweist, kann die Hydrierung bei atmosphärischem Druck durchgeführt werden [5].

$$\mathrm{MgO}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}\rightarrow \mathrm{Mg}(\mathrm{OH})_{2}+\text{W\"arme}$$
(5)

Voraussetzung für eine gleichmäßige Umsetzung von MgO zu Mg(OH)2 ist eine homogen vorhandene Aktivität im MgO. Durch die Homogenität des Ausgangsmaterials können Posthydratisierungseffekte, wie zum Beispiel die Erhöhung der Viskosität der Lösung, vermieden werden [5].

Bei näherer Betrachtung der Reaktion aus Gl. 5 besteht die Hydratisierung von MgO zu Mg(OH)2 aus einer Auflöse- und Abscheidereaktion. Zuallererst wird durch das vorliegende Wasser die MgO-Oberfläche protoniert und dadurch positiv geladen (Gl. 6). Die Anwesenheit dieser positiven Ladungen ermöglicht die Dissoziation des Zwischenproduktes MgOH+ (Gl. 7). Die niedrige Löslichkeit von Mg(OH)2 im pH-Bereich von neutral bis stark basisch begünstigt die Abscheidung von Mg(OH)2 möglichst nahe an der MgO-Oberfläche (Gl. 8). Vor allem die Eigenschaften des Reaktionsmediums (Temperatur und Feststoffgehalt) sowie die MgO-Quelle (Monokristalle oder polykristalline Körnung) beeinflussen die Schritte, die in den Gln. 68 dargestellt sind [6, 7].

$$\mathrm{MgO}+\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}\rightarrow \mathrm{MgO}\mathrm{H}^{+}+\mathrm{O}\mathrm{H}^{-}$$
(6)
$$\mathrm{MgO}\mathrm{H}^{+}+\mathrm{O}\mathrm{H}^{-}\rightarrow \mathrm{Mg}^{2+}+2\mathrm{O}\mathrm{H}^{-}$$
(7)
$$\mathrm{Mg}^{2+}+2\mathrm{OH}^{-}\rightarrow \mathrm{Mg}(\mathrm{OH})_{2}$$
(8)

In der Praxis unterscheiden sich die Temperaturbedingungen und Verweilzeiten bei der Hydratisierung von MgO zu Mg(OH)2 stark. Der Temperaturbereich erstreckt sich von 30–90 °C, die Verweilzeiten liegen zwischen 15–75 min, wobei manche Zellstoffhersteller die Hydratisierung in mehreren Stufen mit einem ansteigenden Temperaturprofil durchführen, andere hingegen führen hierfür nur einen einstufigen Prozess durch.

3 Definition der Basis-Qualitätskriterien für Kaustische Magnesia zum Einsatz in der Zellstoffproduktion

Gemeinsam mit ausgewählten Zellstoffproduzenten wurden die wichtigsten chemischen und physikalischen Basis-Qualitätskriterien des einzusetzenden MgO erarbeitet (siehe Tab. 2). Dabei wurde besonderes Augenmerk auf das Sedimentationsverhalten und den Hydratisierungsgrad (d. h. die Umsetzung von MgO zu Mg(OH)2) gelegt.

TABELLE 2 Festgelegte Basis-Qualitätskriterien für MgO zum Einsatz in der Zellstoffproduktion

3.1 Sedimentationsverhalten

Eine wichtige Eigenschaft ist das Sedimentationsverhalten des Feststoffes in der hergestellten Mg(OH)2-Suspension. Diese muss pumpfähig sein und die Feststoffe sollen sich nicht in den Anlagenteilen absetzen. Vor allem bei Ausfall von Rühr- und Pumpvorrichtungen ist dies ein wichtiger Punkt, da eine zu rasche und kompakte Sedimentation wichtige Anlagenteile blockieren kann (wie zum Beispiel die Rührvorrichtungen im Hydratisierungsbehälter). Daher wurden die Korngrößenverteilungen des ofenfallenden MgO-Produktes von RHIM und einigen am Markt erhältlichen Konkurrenzprodukten analysiert und eine obere Korngrößengrenze bei einem d90 < 100 µm eruiert und als zu erreichende Zielgröße festgelegt, um zum einen das Erreichen hoher Basis-Qualitätskriterien sicherzustellen bzw. um zum anderen keine Ablagerungen bei Einsatz im großindustriellen Maßstab zu verursachen und eine gute Mischbarkeit von MgO mit Wasser zu erzielen.

3.2 Hydratisierungsgrad

Der Hydratisierungsgrad stellt ein Maß für die Umsetzung von MgO zu Mg(OH)2 dar und ist somit die wichtigste Eigenschaft. Dabei sind vor allem die Temperatur und der Feststoffgehalt der Suspension sowie die MgO-Quelle (Monokristalle oder polykristalline Körnung) von Bedeutung [7].

Je größer der Anteil an vorhandenem Mg(OH)2 in der Suspension, umso besser kann das bei der Verbrennung der Dicklauge produzierte Rauchgas entschwefelt werden. In weiterer Folge kann dadurch ausreichend Magnesiumbisulfit zum Kochen der Holzchips produziert werden.

4 Experimenteller Teil

Der vorliegende „RHIM CCM Ofenfallend“ weist eine Korngrößenverteilung von 0–2 mm direkt aus dem Drehrohrofen auf. Um den Korngrößenbereich mit einem d90 von <100 µm zu erhalten, wurde der „RHIM CCM Ofenfallend“ mittels unterschiedlicher Aufbereitungsaggregate gemahlen. Die hierfür verwendeten Aggregate waren: eine Walzenschüsselmühle, eine Stiftmühle und eine Mahlanlage, deren Zerkleinerungswirkung auf der Ausnutzung von Schallstoßwellen beruht.

Die dabei erhaltenen zerkleinerten MgO-Proben wurden einer Korngrößenbestimmung unterzogen und anschließend für die weiterführenden Versuche zur Analyse des Sedimentationsverhaltens und die Experimente zur Bestimmung des Hydratisierungsgrades verwendet.

4.1 Analyse des Sedimentationsverhaltens

Die zerkleinerten MgO-Proben wurden 1 h bei konstanter, vorab festgelegter Feststoffkonzentration (90 und 70 g/l) und eingestellter Temperatur mit Hilfe eines Magnetrührers in Wasser gerührt. Danach wurde die Mg(OH)2-Suspension in eine Mensur überführt und die Sedimentation des Mg(OH)2 für die Dauer von 1 h beobachtet. Zu Beginn der Sedimentation wurde nach 5, 10 und 15 min die rasch entstehende Grenzfläche zwischen Klarwasserschicht und Mg(OH)2-Suspension (siehe Abb. 2) notiert, danach jeweils in Abständen von 15 min.

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung des Sedimentationsverhaltens

Das nach einer bestimmten Zeit erreichte Mg(OH)2-Volumen wird mit dem Startvolumen bei 0 min (entspricht 100 %) ins Verhältnis gesetzt und in Prozent vom Startvolumen angegeben. Im Bereich des linearen Sedimentationsverhaltens wird die Sedimentationsgeschwindigkeit nach Gl. 9 berechnet. Der zurückgelegte Weg s entspricht dabei dem durch die Sedimentationsgrenzfläche zurückgelegten Weg vom Startvolumen bis zum Zeitpunkt x.

$$v_{\mathrm{Sed}}=\frac{s}{t}\quad \mathrm{in}\,\mathrm{m}/\mathrm{s}$$
(9)

4.2 Bestimmung des Hydratisierungsgrades

Die in Abschn. 4.1 hergestellte Suspension wurde geteilt, ein Teil wurde für die Beobachtung der Sedimentation verwendet, der zweite Teil der Suspension wurde abfiltriert, mit Ethanol nachgewaschen, um die Hydratisierungsreaktion zu stoppen, und der Filterkuchen anschließend im Trockenschrank bis zur Gewichtskonstanz bei 105 °C getrocknet. Danach wurde die getrocknete Probe analysefein gemahlen und mittels Thermogravimetrischer Analyse (TGA) vermessen. Zum Vergleich wurde eine MgO-Probe (Originalprobe), die nicht mit Wasser behandelt wurde, ebenfalls analysefein gemahlen und mit TGA vermessen, diese Daten dienen als Basis für die folgende Berechnung des zu erreichenden Hydratisierungsgrades.

Daraus ergibt sich für die Originalprobe der Gehalt an Wasser (Gl. 10), die aufgenommene Luftfeuchtigkeit, und der Gehalt an MgO (Gl. 11). Der Gehalt an Wasser wird in Mol-Wasser umgerechnet (Gl. 12) und auf die Einwaage pro g bezogen (Gl. 13).

$$m_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}=\frac{m_{EW} \cdot \% _{\mathrm{LOI}}}{\left(-100\right)}$$
(10)
$${m_{\text{Original}}}={m_{EW}}-m_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}$$
(11)
$$n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}=\frac{m_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}}{M\left(\mathrm{H}_{2}\mathrm{O}\right)}$$
(12)
$$N_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Original}}=\frac{n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}}{m_{EW}}$$
(13)

Die hydratisierten Proben werden anschließend ausgewertet. Dazu erfolgt die Berechnung wie für die Originalprobe nach Gln. 1012. Danach wird der enthaltene Wasseranteil der Originalprobe abgezogen (Gln. 14 und 15).

$$n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Original}}=N_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Original}}\mathrm{*}m_{EW\,\text{Probe}}$$
(14)
$$n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Probe}}=n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}}-n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Original}}$$
(15)

Weiters wird der Anteil an MgO in der zu vermessenden Probe mit Hilfe der Röntgenfluoreszenz-Analyse (RFA) bestimmt und berechnet (Gln. 16 und 17).

$$m_{\mathrm{MgO}}=m_{\text{Probe}}\mathrm{*}\frac{\mathrm{\% }_{\mathrm{MgO}\,\mathrm{RFA}}}{100}$$
(16)
$$n_{\mathrm{MgO}}=\frac{m_{\mathrm{MgO}}}{M\left(\mathrm{MgO}\right)}$$
(17)

Die enthaltene tatsächliche Menge an Wasser wird in Verhältnis zur vorhandenen Menge an MgO gesetzt und damit der Hydratisierungsgrad in % erhalten (Gl. 18).

$$HG=\frac{n_{{\mathrm{H}_{2}}\mathrm{O}\,\text{Probe}}\mathrm{*}100}{n_{\mathrm{MgO}}}$$
(18)

5 Ergbnisse

Im folgenden Kapitel werden die Ergebnisse im Detail für die Sedimentation und den zu erreichenden Hydratisierungsgrad dargestellt und interpretiert.

5.1 Sedimentationsverhalten

Da die Sedimentation durch die Korngröße beeinflusst wird, wurden von allen zerkleinerten MgO-Proben ergänzend die Korngrößenverteilungen bestimmt.

5.1.1 Bestimmung der Korngrößenverteilung

Die Analyse der Korngrößenverteilung wurde mittels Laserbeugung (in Ethanol mit Ultraschall) oder trocken mit Hilfe von Siebmaschinen durchgeführt. Die Ergebnisse sind in Tab. 3 zusammengefasst.

TABELLE 3 Ermittelte Korngrößenkennwerte d10, d50 und d90 an den zerkleinerten MgO-Proben (nach Aufbereitung von „RHIM CCM Ofenfallend“) mit unterschiedlichen Zerkleinerungsaggregaten

Durch den Vergleich in Tab. 3 ist zu erkennen, dass der „RHIM CCM Ofenfallend“ gut mit den verwendeten Aggregaten zerkleinert werden konnte. Die zerkleinerten MgO-Proben von Stiftmühle und Schallstoßwellen weisen d90-Werte von jeweils 8 µm auf und liegen damit pulverförmig vor. Die mit Hilfe der Walzenschüsselmühle zerkleinerte Probe erzielte einen d90-Wert von 104 µm und liegt somit genau im ausgewählten Körnungsbereich. Von allen zerkleinerten MgO-Proben wurde das Sedimentationsverhalten und der Hydratisierungsgrad bestimmt.

5.1.2 Ermittlung des Sedimentationsverhaltens

Die Temperaturen der Hydratisierung variieren stark in der industriellen Anwendung, daher wurden zuerst Versuche mit dem „RHIM CCM Ofenfallend“ (welches direkt aus dem Drehrohrofen erhalten wird) mit einer Konzentration von 90 g/l bei unterschiedlichen Temperaturen durchgeführt. Anschließend wurde dieser Versuch mit einer MgO-Konzentration von 70 g/l wiederholt. Die graphische Auswertung beider Versuchsserien ist in Abb. 3 und 4 dargestellt, wobei das Mg(OH)2-Slurry-Volumen im Verhältnis zum Startvolumen gegen die Zeit aufgetragen wurde. Zusätzlich wurde von beiden Versuchsserien im Bereich des linearen Sedimentationsverhaltens die Sedimentationsgeschwindigkeit berechnet und in Abb. 5 (Hydratisierungstemperatur gegen Sedimentationsgeschwindigkeit) graphisch dargestellt.

Abb. 3
figure 3

Sedimentationsverhalten „RHIM CCM Ofenfallend“ nach unterschiedlichen Hydratisierungstemperaturen (Hydratisierungsdauer 1 h) mit einer Konzentration von 90 g/l

Abb. 4
figure 4

Sedimentationsverhalten „RHIM CCM Ofenfallend“ nach unterschiedlichen Hydratisierungstemperaturen (Hydratisierungsdauer 1 h) mit einer Konzentration von 70 g/l

Abb. 5
figure 5

Sedimentationsgeschwindigkeiten „RHIM CCM Ofenfallend“ bei unterschiedlichen Hydratisierungstemperaturen (Hydratisierungsdauer 1 h) mit einer Konzentration von 70 und 90 g/l sowie exponentieller Trendlinie

Ein eindeutiger Trend im Sedimentationsverhalten ist in Abb. 3 zu erkennen. Je höher die Temperatur für den Hydratisierungsprozess gewählt wurde, desto schneller lief die Sedimentation ab. Dieses Verhalten ist ebenso bei den Versuchen mit einer Konzentration von 70 g/l beobachtbar. Nach Berechnung der erreichbaren Sedimentationsgeschwindigkeiten kann in Abb. 5 ein exponentieller Zusammenhang zwischen der Hydratisierungstemperatur und der Sedimentationsgeschwindigkeit festgestellt werden. Dies bedeutet, dass die Hydratisierung von MgO bei hohen Temperaturen die Sedimentationsgeschwindigkeit exponentiell erhöht. Für die Anwendung in der Papier- und Zellstoffindustrie stellt dies einen negativen Einfluss bei Anwendung von zu hohen Temperaturen im Hydratisierungsprozess dar, da hier eine möglichst langsame Sedimentation gewünscht wird.

Die weiteren zerkleinerten MgO-Proben wurden ebenfalls mit einer Konzentration von 90 g/l bei einer Temperatur von 30 °C hydratisiert und anschließend das Sedimentationsverhalten beobachtet. In Abb. 6 sind die Ergebnisse dargestellt und ergänzend der d90 für jede dieser Proben angegeben. Aus dieser Graphik ist ein leichter Trend ableitbar, welcher sich wie folgt darstellt: mit zunehmender Feinheit verläuft die Sedimentation des Mg(OH)2 langsamer. Der „RHIM CCM Ofenfallend“ stellt dabei eine Ausnahme dar. Dieser wurde nicht aufbereitet und weist bei näherer Betrachtung Agglomerate auf, daher ein d90 von ca. 1100 µm. Die Agglomerate sind weich und können zum Großteil mit den Fingern zerdrückt werden, zurück bleibt ein nicht zerdrückbarer Nukleus. Bei der Hydratisierung bilden sich voluminöse Mg(OH)2-Partikel aus, welche sehr langsam sedimentieren. Der feste Nukleus, der innerhalb der Agglomerate zu finden ist, sinkt bei der Hydratisierung zu Boden und stellt im Speziellen in der großtechnischen Anwendung einen störenden Bodenkörper dar.

Abb. 6
figure 6

Sedimentationsverhalten „RHIM CCM Ofenfallend“ im Vergleich mit RHIM CCM aufbereitet mit Hilfe unterschiedlicher Zerkleinerungsaggregaten, Hydratisierungstemperaturen 30 °C, Hydratisierungsdauer 1 h, Konzentration von 90 g/l

5.2 Hydratisierungsgrad

In Abschn. 4.2 wurden die Probenherstellung und die Auswertung zur Bestimmung des Hydratisierungsgrades beschrieben. Die erreichten Hydratisierungsgrade sowie die vorliegenden d90-Werte und die dazu gehörigen spezifischen Oberflächen werden in Tab. 4 zusammengefasst.

TABELLE 4 Überblick der erreichten Hydratisierungsgrade der zerkleinerten MgO-Proben bei einer Hydratisierungsdauer von 1 h bei 30 °C und einer Konzentration von 90 g/l, sowie die ermittelten Dispersitätskennwerte (d90 und spezifische Oberfläche)

Aus Tab. 4 wird ersichtlich, dass der „RHIM CCM Ofenfallend“ sowie die zerkleinerte MgO-Probe mittels Stiftmühle bei 30 °C Hydratisierungstemperatur nach einer Stunde Hydratisierungsdauer einen Hydratisierungsgrad von 88 bzw. 89 % erreichen. Der d90 der beiden Proben unterscheidet sich dabei sehr stark, wobei die spezifische Oberfläche mit 38 und 39 m2/g als gleich anzusehen ist. Die mit Hilfe der Walzenschüsselmühle erhaltene MgO-Probe weist eine etwas kleinere spezifische Oberfläche auf, der d90 beträgt hier 105 µm und es wurde ein Hydratisierungsgrad von 69 % erreicht. Die zerkleinerte MgO-Probe, die den niedrigsten Hydratisierungsgrad mit 52 % aufweist, ist die Probe, die mittels Schallstoßwellen behandelt wurde, obwohl diese Probe die höchste spezifische Oberfläche aller 4 MgO-Proben mit 42 m2/g und einen d90 von 8 µm aufweist. Aus den getesteten zerkleinerten MgO-Proben ist kein Trend in Bezug auf den zu erreichenden Hydratisierungsgrad ersichtlich. Anscheinend haben weder der Zerkleinerungsgrad noch die spezifische Oberfläche Einfluss auf diesen.

Nachdem die mittels Stiftmühle zerkleinerte MgO-Probe in den Labortests den besten Hydratisierungsgrad erreichte, ein gewünscht langsames Sedimentationsverhalten zeigte und der d90-Wert bei rund 8 µm lag, wurde in weiterer Folge diese Zerkleinerungsart für „RHIM CCM Ofenfallend“ ausgewählt, um damit das Produkt „RHIM CCM P&P“ herzustellen.

6 Ergebnisse – Einsatz im industriellen Maßstab

In einer Zellstofffabrik eines namhaften Papier- und Zellstoff-Herstellers wurde Mitte letzten Jahres das Produkt „RHIM CCM P&P“ über einen Zeitraum von vier Monaten sortenrein in dessen Anlage getestet. Dabei wurde besonderes Augenmerk auf die Betriebstemperatur während der Hydratisierung des MgO und deren Konzentration in der herzustellenden Mg(OH)2-Suspension gelegt. Weiters wurde die Absorption des SO2 aus dem Rauchgas beobachtet.

Der Prozess der Rauchgasentschwefelung wird in dieser Anlage nach dem Babcock-Verfahren durchgeführt. Das MgO wird zu ca. 94 % rezykliert und die Verluste von 6 % mit sog. Make-Up MgO ausgeglichen. Nach einer Betriebsdauer von vier Monaten konnte eine Austauschrate von knapp 75 % erreicht werden (siehe Abb. 7). Um einen 100-prozentigen Austausch von bisher verwendetem Standardmaterial durch „RHIM CCM P&P“ zu erreichen, müsste eine Einsatzdauer von mindestens einem Jahr erfolgen.

Abb. 7
figure 7

Austauschrate „RHIM CCM P&P“ mit Standard CCM während des 4‑monatigen Betriebsversuches, Rezyklierungsrate MgO von 94 %

Für den Betriebsversuch wurden rund 400 t „RHIM CCM Ofenfallend“ mittels Stiftmühle aufbereitet, per Silo-LKW zur Zellstofffabrik angeliefert und anschließend eingesetzt. Während des Versuches konnte die Hydratisierungstemperatur bei der Umwandlung von MgO zu Mg(OH)2 von 90 auf ca. 70 °C reduziert werden. Dadurch konnten 64 % des zur Einstellung der Prozesstemperatur benötigten 3‑bar Heißdampfes eingespart werden. Die MgO-Konzentration bei der Herstellung der Mg(OH)2-Suspension wurde aus betrieblichen Gründen nicht reduziert. In einem nächsten Versuch soll auch dieser Parameter schrittweise optimiert werden, um den MgO-Einsatz bis zur möglichen Minimalkonzentration zu senken.

Die Absorption des SO2 aus dem Rauchgas mit Hilfe der im ersten Schritt produzierten Mg(OH)2-Suspension konnte problemlos in der dafür verwendeten Venturikaskade durchgeführt werden. Durch den hohen Hydratisierungsgrad von fast 90 % konnte wesentlich mehr SO2 absorbiert werden, wodurch die Aufstärkung der sogenannten Rohsäure mit Flüssig-SO2 ebenfalls reduziert werden konnte. Die Reduktion betrug während des Betriebsversuches an die 24 %.

Die Einbringung von Störstoffen konnte merklich reduziert werden, wie am Beispiel von Eisen(III)-oxid (Fe2O3) in Abb. 8 gezeigt wird. Hier ist ab dem Zeitpunkt des Einsatzes von „RHIM CCM P&P“ eine Absenkung des Fe2O3-Gehaltes um 50 %, von anfangs 0,5 auf 0,25 %, zu erkennen, welcher im rezyklierten MgO direkt nach der Abscheidung im Elektrofilter mittels RFA bestimmt wurde.

Abb. 8
figure 8

Verlauf Fe2O3-Gehaltes während des 4‑monatigen Betriebsversuches im rezyklierten MgO

Nach viermonatigem Einsatz von „RHIM CCM P&P“ konnten schon kleine Einsparungen und positive Effekte auf den gesamten Rauchgasentschwefelungs- und dessen Folgeprozess festgestellt werden. Das gesamte Einsparungspotential von „RHIM CCM P&P“ ist aber noch viel höher einzuschätzen, da das Produkt erst zu 75 % und nicht zu 100 % im Produktionskreislauf vorhanden war. Weiteres Optimierungspotential wird in der Absenkung der Hydratisierungstemperatur sowie in der Reduktion des spezifischen MgO-Bedarfes gesehen, dadurch ergeben sich weitere Energie- und MgO-Einsparungen. Durch die minimierte Einbringung an Störstoffen können in weiterer Folge Instandhaltungskosten gesenkt werden, da Ablagerungen und Verschleiß reduziert werden. Ein zusätzlicher positiver Effekt der geringen Störstoffkonzentration von „RHIM CCM P&P“ ist, dass die nötigen Hilfschemikalien in den Folgeprozessen (wie z. B. Bleichchemikalien) ebenso in ihrem Einsatz minimiert und damit die Produktionskosten weiter gesenkt werden können.

7 Zusammenfassung

Es konnte aufgezeigt werden, dass die Hydratisierungstemperatur bei der Umsetzung von MgO zu Mg(OH)2 einen Einfluss auf das Sedimentationsverhalten hat. Je höher die Temperatur gewählt wird, umso schneller läuft die Sedimentation ab. Nach Berechnung der Sedimentationsgeschwindigkeiten für die Suspensionen mit 70 und 90 g/l von „RHIM CCM Ofenfallend“ konnte ein exponentieller Zusammenhang zwischen Hydratisierungstemperatur und Sedimentationsgeschwindigkeit festgestellt werden. Optimal für die Anwendung in der Papier- und Zellstoffindustrie ist somit eine Temperatur von 30–50 °C, da in diesem Bereich die Sedimentation des Mg(OH)2 langsam abläuft. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen zerkleinerungstechnischen Parametern und dem Sedimentationsverhalten bzw. dem zu erreichenden Hydratisierungsgrad konnte bis dato nicht erkannt werden. Die besten Laborergebnisse wurden mit der durch die Stiftmühle zerkleinerten MgO-Probe erzielt. Daher wurde das Produkt „RHIM CCM P&P“ durch Zerkleinerung von „RHIM CCM Ofenfallend“ mittels Stiftmühle für einen großindustriellen Einsatz produziert. Dieser 4‑monatige Betriebseinsatz von „RHIM CCM P&P“ kann positiv bewertet werden, da die Anforderungen der Papier- und Zellstoffindustrie erfüllt wurden. Schon nach kurzer Einsatzdauer konnten positive Effekte im gesamten Rauchgasentschwefelungsprozess sowie in den Folgeprozessen erzielt werden.